# taz.de -- Bundesregierung will Cannabis freigeben: Risikofrei geht Legalisier… | |
> Deutschland will Gras nur nach grünem Licht der EU-Komission freigeben. | |
> Auch andere EU-Staaten und deutsche Gerichte können den EuGH einschalten. | |
Bild: Ein Zug für die weitere Legalisierung | |
FREIBURG taz | Die Bundesregierung will die [1][Legalisierung von Cannabis] | |
nur anpacken, wenn sie grünes Licht der EU-Kommission erhält. Doch auch | |
eine Vorabprüfung der Kommission kann nicht alle rechtlichen Risiken | |
beseitigen. | |
Die Legalisierung von Cannabis-Verkauf und -Besitz gilt als [2][rechtlich | |
problematisch], weil Deutschland an völkerrechtliche Anti-Drogen-Verträge | |
gebunden ist und auch EU-Recht Cannabis als illegale Droge behandelt. | |
Kleiner ist dabei die völkerrechtliche Hürde. Laut Suchtstoffabkommen von | |
1988 muss Cannabis nur kriminalisiert werden, wenn dies mit den „Grundzügen | |
der nationalen Rechtsordnung“ vereinbar ist. Doch schon 1993 hat | |
Deutschland in einer Interpretationserklärung darauf verwiesen, dass sich | |
diese Rechtsordnung ändern kann. | |
Nun will die Bundesregierung eine neue Interpretationserklärung | |
nachschieben. Falls die internationale Drogenkontrollbehörde das nicht | |
akzeptiert, kann man ihre „Hinweise“ politisch aussitzen, wie das auch | |
andere Staaten machen, etwa Kanada und Uruguay. Als letzte Möglichkeit | |
können solche Verträge auch gekündigt werden. | |
## Dialog geht vor | |
So einfach entkommt man dem EU-Recht nicht. Niemand will aus der EU | |
austreten, nur um das Kiffen legalisieren zu können. Und Urteile des | |
Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sind unmittelbar verbindlich. Die | |
Bundesregierung will deshalb verhindern, dass es wegen der | |
Cannabis-Legalisierung zu einem Vertragsverletzungs-Verfahren kommt und am | |
Ende der EuGH entscheidet. | |
Zwar ist auch das EU-Recht durchaus flexibel. So erfasst ein | |
EU-Rahmenbeschluss von 2004 nur den „illegalen Drogenhandel“. Wenn Drogen | |
„ohne Berechtigung“ verkauft werden, muss dies in den EU-Staaten unter | |
Strafe gestellt werden. Der Umkehrschluss liegt nahe: Wenn Cannabis | |
legalisiert wird, dann haben die lizensierten Shops eine „Berechtigung“. | |
Ob sich auch die EU-Kommission auf solche Argumente einlässt, soll nun | |
vorab geklärt werden, bevor in Deutschland ein Gesetz beschlossen wird. Die | |
Bundesregierung will deshalb den (noch nicht vorliegenden) Gesetzentwurf | |
bei der EU-Kommission „notifizieren“, um zu hören, welche Bedenken die | |
Brüsseler Behörde hat. | |
Solche Notifizierungen sind sogar vorgeschrieben, wenn es um „technische | |
Vorschriften“ und um bestimmte Einschränkungen für Dienstleistungen geht. | |
Dann muss die EU-Kommission binnen drei Monaten antworten. Auf den Verkauf | |
von Cannabis-Produkten passt beides nicht richtig. Informell fragen kann | |
man trotzdem. | |
Umgekehrt würde auch die EU-Kommission bei einem | |
Vertragsverletzungsverfahren Deutschland nicht sofort beim EuGH verklagen, | |
sondern zunächst zu einer Stellungnahme auffordern. Der Dialog geht in der | |
EU immer vor. | |
Doch selbst wenn sich die Bundesregierung mit der EU-Kommission einigt, | |
unter welchen Bedingungen die Kommission auf ein Verfahren verzichtet, ist | |
Deutschland nicht auf der sicheren Seite. Dies hat der Streit um die | |
Autobahn-Maut gezeigt. Hier hat am Ende Österreich geklagt und aufgrund | |
dieser Klage hat der EuGH 2019 das (vor allem von der CSU propagierte) | |
Gesetz beanstandet. | |
Auch nationale Gerichte können den EuGH einschalten, wenn sie glauben, ein | |
deutsches Gesetz verstoße gegen EU-Recht. So war es zum Beispiel bei der | |
Vorratsdatenspeicherung, die im September dieses Jahres vom EuGH als | |
unverhältnismäßig eingestuft wurde. | |
Juristische Risiken lassen sich bei der geplanten Cannabis-Legalisierung | |
nicht gänzlich ausschließen. Wer das anstrebt, meint es mit der | |
Legalisierung wohl nicht allzu ernst. | |
28 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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