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# taz.de -- Sanktionen gegen Russland: Fische auf Umwegen
> Die russisch-norwegische Kooperation beim Fischfang blieb bisher von
> Sanktionen verschont. Doch nun stellen sich sicherheitspolitische Fragen.
Bild: Der Hafen von Alesund, Norwegen: Hier wird russischer Fisch umetikettiert
Stockholm taz | Wenig ist derzeit normal in den wirtschaftlichen
Beziehungen zwischen den europäischen Ländern und Russland. Doch trotzdem
gibt es noch einige ökonomische Sektoren, in denen business as usual
herrscht – so wie beim Fischfang im Nordmeer. Die norwegische Regierung
teilte am Dienstag mit, dass man Russland zu Gesprächen über die
Verlängerung von Fischereiabkommen zur Regulierung des Fischfangs in der
Barentssee eingeladen habe. Moskau habe diese Einladung angenommen,
ExpertInnen beider Seiten würden sich Mitte Oktober treffen.
Der Fang ist ein Milliardengeschäft für Norwegens Fischwirtschaft. Dabei
wird der [1][Kabeljau], Schellfisch oder Heilbutt, der dort gefangen wird,
zu einem großen Teil gar nicht von norwegischen, sondern von russischen
Schiffen aus dem Meer geholt. Wenn diese ihn dann in norwegischen Häfen
anlanden und er in den dortigen Fischfangbetrieben verarbeitet wird, kann
er als norwegischer Fisch vermarktet werden.
Ganz unabhängig davon, ob er in der norwegischen oder russischen
Wirtschaftszone der Barentssee gefangen wurde. In der EU wird dann der
minimale Zollsatz für norwegischen Fisch berechnet und nicht der wesentlich
höhere für russischen. Mögliche Handelssanktionen gelten nicht und die
Veterinärkontrollen, die für russischen Fisch eigentlich verlangt werden,
entfallen ebenfalls. Eine Win-win-Situation für Norwegen und Russland.
Wie das norwegische Fernsehen NRK diese Woche enthüllte, lohnt sich für die
russische Fischfangflotte offenbar mittlerweile sogar eine Reise um den
halben Globus, um auf diese Weise russischen Fisch zu norwegischem
umzuetikettieren. So werde vor der ostsibirischen Halbinsel Kamtschatka
gefangener Kabeljau über 28.000 Kilometer in das norwegische Ålesund
transportiert, dort verarbeitet und dann als norwegischer Fisch vermarktet.
Am Montag verteidigte der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre
die Fischereiabkommen mit Russland. Diese wurden ursprünglich geschlossen,
um den Kabeljaubestand im Nordmeer zu sichern. So wächst der junge Kabeljau
in russischen Gewässern, im östlichen Teil der Barentssee, auf. Die
fangreife Größe erreicht er dann weiter westlich in der norwegischen
Wirtschaftszone. Dort wird der Kabeljau dann hauptsächlich gefangen.
Diskussion um Kabeljau-Bestand
Ohne ein Abkommen, das russischen Schiffen einen Fischfang in der
norwegischen Zone erlauben würde, wären diese gezwungen, sich auf den
jungen Kabeljau in den eigenen Gewässern zu konzentrieren. Es würde nicht
nur immer weniger für die norwegischen Fischer übrigbleiben, auf längere
Sicht könnte der gesamte Bestand gefährdet werden. „Das wäre eine
Tragödie“, sagt Kåre Heggebø, Chef des norwegischen Fischereiverbands
[2][Norges Fiskarlag]. Nur mit dieser Zusammenarbeit sei ein drohender
Kollaps des Kabeljaubestands in den 1980er Jahren vermieden worden.
Die gemeinsamen Quotenabkommen und die Fischereiverwaltung über
Territorialgrenzen hinweg könne man ja beibehalten, argumentieren
KritikerInnen. Aber sei es nicht an der Zeit, die übrigen Privilegien für
Russlands Fischereiflotte in Norwegen zu überdenken? Zusätzliche Argumente
solcher Forderungen soll nun die [3][Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines
in der Ostsee] bringen. Sind die russischen Schiffe, die rund eintausendmal
jährlich in norwegischen Häfen anlegen, nicht eine Gefahr für die kritische
Infrastruktur des Landes, fragt Ine Eriksen Søreide, außenpolitische
Sprecherin der konservativen Oppositionspartei Høyre: „Welche Kontrolle
haben wir eigentlich, dass die nicht mit militärischer Ausrüstung
ausgestattet sind?“
Die Opposition verweist zudem auf eine Reihe merkwürdiger Vorkommnisse. Im
letzten Jahr „verschwand“ etwa vor der Inselgruppe Vesterålen ein 4,2
Kilometer langes Kabelteil, über das das Militär von Sensoren aufgefangene
Informationen über U-Boot-Bewegungen sammelte. Im Januar wurde ein
Unterwasserkabel zwischen dem norwegischen Festland und der Insel
Spitzbergen durchtrennt, über das unter anderem Datenverkehr mit der
dortigen Satellitenstation SvalSat abgewickelt wird.
Bei beiden Vorfällen waren russische Schiffe im jeweiligen Meeresgebiet
registriert worden. Und im Mai hatte die russische Regierung die wichtige
Rolle der Fischfang- und Eisbrecherflotte für die Sicherheit des Landes „in
Anbetracht des totalen hybriden Kriegs des kollektiven Westens gegen unser
Land“ betont.
5 Oct 2022
## LINKS
[1] /Unbekannte-Kueche-Norwegens/!5835084
[2] https://www.fiskarlaget.no/
[3] /Explosionen-an-Gaspipeline-Nord-Stream-2/!5884908
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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