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# taz.de -- Propaganda in russischen Staatsmedien: Krieg, Lügen und Videos
> Nach den Gebietsverlusten in der Ukraine werden Russlands
> Staats-TV-Moderator*innen immer schriller. Eine inszeniert sich gar als
> Bürgerrechtlerin.
Bild: Margarita Simonjan, die Chefin von RT, gemeinsam unterwegs mit ihrem Ehem…
Moskau taz | Eigentlich ist das Wort „Krieg“ in Russland seit dem März
[1][eingeführten Mediengesetz] verboten. Demonstrierende werden weiterhin
brutal abgeführt, wenn sie sich auf die Straße stellen und die Dinge, die
Russland in der Ukraine macht, beim Namen nennen. Doch Wladimir Solowjow
stört das nicht.
„In der Ukraine herrscht Krieg“, sagt er am 4. Oktober in seiner
allabendlichen Sendung „Der Abend“ im russischen Staatssender Rossija 1,
und bemüht das verbotene Wort in wenigen Minuten gleich mehrmals. Nicht,
weil er sich auf einmal der Kritik am Kreml gewahr geworden wäre, sondern
weil er [2][und auch andere Staatsmedien] das geänderte Kreml-Narrativ
bedienen: das des Verteidigungskampfes gegen die Nato, des „Heiligen
Krieges“ um die Existenz Russlands auf der Erde.
Wie ein Zen-Meister steht Wladimir Solowjow im Rundhalshemd vor seinen
Gästen und führt – raunend wie eh und je – durch seine Beschwörungssitzu…
im hell ausgeleuchteten Studio. „Es herrscht Krieg gegen den westlichen
Satanismus.“ Solowjow macht eine Pause, lässt seine Worte wirken.
Schon Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bei seiner Rede kurz vor der
Unterschrift des russischen Landraubs in der Ukraine von „westlichem
Satanismus“ gesprochen, seitdem wird der Begriff in die Köpfe der
Zuschauer*innen gebracht. „Die Ukraine bedroht uns mit einer schmutzigen
Atombombe. Der Westen testet unsere Robustheit. Es ist Zeit, zu einem
großangelegten Krieg überzugehen“, ruft Solowjow. Eine Niederlage Russlands
sei erst gar nicht vorgesehen. „Unsere Gesellschaft kann ein solches
Szenario nicht zulassen. An der Front haben wir es derzeit schwer, ja.
Deshalb brauchen wir regelwidrige Lösungen.“ Wieder schaut er in die Runde,
lässt seine Hasstirade wirken.
## Die Sender wechseln, das Narrativ bleibt gleich
Es ist der tägliche Klang in den Nachrichtensendungen und den Talkshows im
Land, in dem das Fernsehen die Informationsquelle Nummer eins ist. Die
Namen der Moderator*innen ändern sich: Dmitri Kisseljow, Margarita
Simonjan, Olga Skabejewa, Dmitri Kulikow. Die Sender wechseln sich ab:
Perwyj Kanal, Rossija 1, TWZ. Das Narrativ aber, Russland lasse sich vom
„kollektiven Westen“ nicht „in die Knie“ zwingen, bleibt gleich.
Daran ändert sich auch nichts, wenn Solowjow sagt, dass die russische Armee
es momentan „wirklich schwer“ habe an der Front, oder wenn Kisseljow meint,
dass Russland „Fehler macht bei der Teilmobilisierung“. Im Gegenteil: Seit
Russland immer mehr an Boden in der Ukraine verliert, wird der Ton noch
gehässiger, werden die Forderungen gewaltiger, die Ausbrüche immer
schriller.
So erzählt etwa [3][Margarita Simonjan], die Chefin [4][des russischen
Auslandssenders RT], davon, im Westen werde den Kindern die Muttermilch
verboten und man nehme den Eltern ihre Kinder weg, weil die Kinder sie als
„Mama“ und „Papa“ bezeichnen. „Wir werden uns wehren, um das zu bewah…
was wir für die Normalität halten“, sagt Simonjan in einer Sendung des
mehrheitlich der Moskauer Stadtregierung gehörenden Senders TWZ. Es ist die
typische Aneinanderreihung von Umdeutungen, Halbwahrheiten und Lügen
russischer Staatsmedien.
## Geschichten von kranken Rekruten
Lügen aber, so erklärte die 42-Jährige kürzlich in der Sendung ihres
Ehemannes Tigran Keossajan, führten stets zu falschen Entscheidungen. „Hört
auf zu lügen, überall, in den Behörden, in den Ministerien, in den
Einberufungsämtern.“ Gewieft gibt sie nun, da Russland unter dem Chaos
seiner sogenannten „Teilmobilisierung“ ächzt, die jeder im Land als
Vollmobilisierung begreift, die Kämpferin für Bürgerrechte. Sie sammelt
Geschichten von eklatanten Fehlentscheidungen, von alleinerziehenden
Müttern, die eingezogen werden, von kranken Rekruten, von viel zu alten
Reservisten.
Dabei hat Simonjan nicht plötzlich entschieden, für einen humanen Umgang
mit Menschen einzustehen. Vielmehr will sie, dass die „militärische
Spezialoperation“, wie Russland seinen Krieg in der Ukraine offiziell
bezeichnet, nichts an der Unterstützung im Volk verliert, weil es nur
Unordnung und Willkür zu geben scheint.
Auf allen ihren Kanälen kanalisiert Margarita Simonjan gekonnt die
Unzufriedenheit über die Einberufung im Volk und fordert eine
professionelle Kampfführung. „Es gibt Schlimmeres als den heroischen Tod
für sein Land, für seine Wahrheit. Es gibt keinen anderen Ausweg als den
Sieg“, sagt sie – und klingt dabei wie Wladimir Putin. Der Präsident will
von seinen „gesetzten Zielen“ nicht abweichen, auch wenn längst nicht alles
„nach Plan“ läuft.
8 Oct 2022
## LINKS
[1] /Unabhaengige-Medien-in-Russland/!5834993
[2] /Russlands-Mediensystem/!5850570
[3] /Krieg-in-der-Ukraine/!5865084
[4] /RT-DE-im-Fernsehen/!5821269
## AUTOREN
Inna Hartwich
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