# taz.de -- Die Wahrheit: Zauberer wählen | |
> Neues aus Neuseeland: Auch auf Aotearoa schwappt die weltweite Wahlwelle | |
> der Rechten und Populisten und Spinner über. | |
Bild: Ist für ein Wahlalter ab 16: Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern | |
Rechtsruck in Europa? Ihr seid nicht allein. Im globalen Obstkorb der | |
Konservativen liegen nicht nur frische italienische Melonen. Auch die Kiwis | |
haben bis auf die Hauptstadt Wellington vor allem rechts gewählt. Zwar nur | |
lokal, aber dafür skurril: Mit sexistischem Zauberer, vorbestraftem | |
Neonazi, trojanischen Pferden und einem öffentlichen Anschiss für Sängerin | |
Lorde. | |
Über 3.000 Neuseeländer ließen sich dieses Jahr für Behörden, Stadträte | |
und Bürgermeisterämter aufstellen. In der Lokalpolitik kann jede Pappnase | |
mitmischen. So kam es, dass auch der 89-jährige amtliche Zauberer von | |
Christchurch mit im Rennen war – im Pass mit eingetragenem Namen „The | |
Wizard“, gebürtig als Ian Brackenbury Channell aus London. | |
Der bärtige Zausel mit Kutte und Spitzhut gehörte zum Stadtbild wie die vor | |
elf Jahren im Erdbeben eingestürzte Kathedrale, vor der er gern stand und | |
provokativ polterte – vor allem über „hinterhältige Frauen“, die | |
vortäuschen, von ihren Männern geschlagen zu werden. Bis der Wizard im | |
vorigen Jahr nach zwei Jahrzehnten entlassen wurde, zahlte ihm die Stadt | |
für seine wundersamen Umtriebe als misogyne Touristenattraktion 16.000 | |
Dollar im Jahr. | |
Er war nicht der Einzige mit schlechtem Ruf, der sich durch die Lokalwahlen | |
einen neuen Job versprach. Passionierte Impfgegner und rechte | |
Verschwörungsgläubige wurden von der Desinformationsdreckschleuder „Voices | |
for Freedom“ zu trojanischen Pferden instrumentalisiert und in den | |
Wahlkampf geschickt. Die Organisation FACT Aotearoa (Fight Against | |
Conspiracy Theories) deckte die einschlägigen Verbindungen von 200 | |
zweifelhaften Kandidaten auf – von denen es dank der Maulwurfarbeit der | |
Aktivisten am Ende nur zwei in einen Stadtrat schafften. | |
Obwohl die meisten Wahlen diese Woche zugunsten der konservativen | |
National-Partei entschieden wurden, blieb uns zumindest der ultrarechte | |
Carl Bromley als neuer Bürgermeister in Christchurch erspart. Der | |
evangelikale Pastor mit islamophobem Sendungsbewusstsein verehrt Waffen und | |
Donald Trump. Die Polizei durchsuchte bereits seine Wohnung. | |
Schlagzeilen machte auch Neonazi Philip Arps, der früher einen Lieferwagen | |
mit Nazi-Emblemen durch Christchurch fuhr und sich mit Rudolf Heß | |
vergleicht. Wochen vor dem Terroranschlag auf die Moschee hatte er vor ihr | |
einen Schweinekopf abgelegt. Weil er das Livestream-Video des | |
rechtsradikalen Killers verbreitete, ist Arps vorbestraft. Das hielt ihn | |
nicht davon ab, für den Aufsichtsrat einer multikulturellen Highschool zu | |
kandidieren. Zum Glück wurde er Letzter. | |
Weil die Wahlbeteiligung so erschreckend gering war, schmiss sich gar unser | |
größter Popstar ins Rennen. Lorde verbreitete ein Foto von sich auf | |
Instagram, wie sie ihr Kreuzchen für Aucklands linken | |
Bürgermeisterkandidaten auf dem Postformular macht. Illegal! Man darf nur | |
sagen, wen man wählt, aber nicht persönliche Wahlunterlagen verbreiten. | |
13 Oct 2022 | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
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