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# taz.de -- Kaputte Schulen in Berlin: Rettung aus der Bruchbude
> Nächster Notfall-Umzug einer Berliner Schule: Das Gymnasium am
> Europasportpark soll Anfang 2023 in ein leeres Bürogebäude ausweichen.
Bild: Hier sind schon Fenster aus der Fassade gefallen: Das Gymnasium am Europa…
Berlin taz | Wenige Wochen nach dem Notfall-Umzug der Weddinger
Anna-Lindh-Grundschule steht die nächste Not-Auslagerung einer baufälligen
Schule an. Das extrem marode [1][Gymnasium am Europasportpark] in
Prenzlauer Berg soll zu Beginn des kommenden Jahres in ein leer stehendes
Bürogebäude im Bezirk Pankow ziehen. „Wir haben ein Gebäude ausfindig
machen können, das sich als Ausweichstandort eignet“, sagte Pankows
Schulstadträtin Dominique Krössin (Linke) am Dienstag auf taz-Anfrage.
Man sei „mit der Schulleitung vor Ort gewesen“ und habe „gemeinsam einen
Haken hinter dieses Gebäude gemacht“, sagte Krössin. Nun muss noch die
Finanzverwaltung grünes Licht geben für die Übernahme der Mietkosten. Sie
wolle noch diese Woche Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) das 860
Quadratmeter große Gebäude vorschlagen, so Krössin. Zumindest ein Teil der
Schule könnte dann dorthin ausgelagert werden, zusätzlich will der Bezirk
Container auf dem Schulhof aufstellen.
Ein Mietvertragsangebot ab dem 1. Januar 2023 für das Bürogebäude liege
bereits vor, sagte Krössin. Über die Höhe der Kosten und um welches Gebäude
es sich konkret handelt, wollte sie mit Hinweis auf den anstehenden
Verhandlungsprozess mit der Finanzverwaltung noch nicht sagen. Dort heißt
es, man befinde sich „in einem intensiven Austausch“, wie ein Sprecher
erklärte, könne aber noch nichts Näheres sagen.
Das Gymnasium am Europasportpark, zwischen Velodrom und Volkspark
Friedrichshain gelegen, ist extrem baufällig. In dem Plattenbau aus den
70er Jahren sind bereits Fenster aus der Fassade gefallen, weshalb ein
Bauzaun Schüler*innen und Lehrkräfte auf Sicherheitsabstand zum Gebäude
hält. Die Luftqualität in den Unterrichtsräumen ist erdrückend schlecht:
Bei einem taz-Besuch vor einigen Wochen ließ sich in vielen Räumen aus
Sicherheitsgründen kaum noch ein Fenster öffnen. Sie frage sich „jeden
Morgen, ob ich die Schule noch aufschließen kann“, hatte Schulleiterin
Katrin Schäffer der taz gesagt.
Inzwischen hat die Schulleitung mit der Unfallkasse eine Vereinbarung
getroffen: Man habe sich „darauf geeinigt, die Schule bei unklarer
Wetterlage im Herbst und Winter (vor allem bei Sturm) ggf. für einzelne
Tage zu schließen“, schrieb Schäffer am 4. Oktober nach einer Sitzung mit
Elternvertretern auf der Homepage der Schule.
Gesamtelternvertreter André Mors hat schon vor Bekanntwerden der konkreten
Umzugspläne vehement auf „eine zeitnahe Auslagerung“ der Schule gedrungen.
Eine andere Alternative zur Schließung des Gebäudes gebe es bald nicht
mehr, aber: „Homeschooling ist aus unserer Sicht allenfalls eine Lösung für
einzelne Tage“, sagte Mors der taz. Auch das Zuschrauben von Fenstern sei
bestenfalls Gefahrenabwehr, wirke aber „unkoordiniert“. Mors ist nach den
Erfahrungen der letzten Monate jedoch skeptisch, ob der Notfallumzug
tatsächlich klappt: „Es muss Geld fließen, und dann muss auch das
Bürogebäude noch baulich angepasst werden.“
Warum es überhaupt so weit kommen konnte mit dem Gymnasium am
Europasportpark, ist im Rückblick – auch durch politische Wechsel im
Bezirksamt – schwer zu klären. Klar wird, wenn man mit Beteiligten
spricht: Es gab in der Vergangenheit eine mühselige Bürokratie zwischen
Bezirk und Senat. Es gab Schülerzahlen, die schneller als geplant wuchsen –
was bisherige Bauplanungen wieder auf null setzte.
## Kein Geld, kein Baufortschritt
Fakt ist, dass das Gymnasium aus der [2][Investitionsplanung bis 2026]
gefallen ist, die der rot-grün-rote Senat kürzlich verabschiedet hat. Weil
es keine hinreichend konkreten Bauplanungsunterlagen gab, wird jetzt ein
anderes Gymnasium im Bezirk zuerst grundsaniert. Das aber heißt für die
Schule am Europasportpark: Wo keine Finanzmittel, da auch in absehbarer
Zukunft kein Bau- oder auch nur Planungsfortschritt.
Die Finanzverwaltung hat den Bezirken allerdings eine Hintertür gelassen:
Können sie gut begründen, warum eine Schule ganz besonders drängt, gibt’s
Geld, damit es weitergeht – auch wenn die Schule nicht in der
Investitionsplanung auftaucht.
Schulstadträtin Krössin möchte [3][diese „Öffnungsklausel“ nutzen]: Daf…
will sie als ersten Schritt ein weiteres leerstehendes Gebäude anmieten,
als längerfristiges Ausweichquartier für die gesamte Schule. Dieses eigne
sich besser als mittelfristiger Schulstandort als die temporäre Notlösung
im Bürogebäude. Dann könne man in Ruhe die marode Schule am Europasportpark
grundsanieren. Dieses zweite Gebäude sei erst ab Anfang 2024 realistisch
als Ausweichquartier für die komplette Schule, weil es baulich stärker
verändert werden müsste.
Tatsächlich ist unklar, ob die Hintertür der Finanzverwaltung wirklich
aufgeht: Mittes Schulstadträtin Stefanie Remlinger (Grüne) sagt, sie habe
„noch keine schriftliche Erklärung“ gesehen. Laut Remlinger fehlen in Mitte
in den kommenden Jahren bis zu 1.700 Schulplätze, weil Schulen nicht mehr
in der Investitionsplanung auftauchen. Die Priorität, mit der eine
Baustelle in diese Finanzplanung soll, legt die Senatsbildungsverwaltung
nach Zuarbeit der Bezirke fest. Diese monieren Intransparenz.
Am Dienstag gab es zudem einen Hilferuf des Kollegiums der
Anna-Lindh-Schule, der der taz vorliegt: „Wir sind erschöpft“, heißt es in
dem Brief an die Schulverwaltung und den Bezirk Mitte. Zu Schuljahresbeginn
musste die Weddinger Schule wegen Schimmelbefalls in ein leer stehendes
Bürogebäude am Saatwinkler Damm ziehen.
Dort gebe es aber weder Pausenhof noch Mensa und auch kein Klopapier oder
Seife auf den Toiletten: „Wir unterrichten ohne Material in provisorischen
Räumen, aufgeteilt auf zwei Standorte zwischen Sperrmüll und
Umzugskartons.“ 120 Kinder seien bereits abgemeldet worden – weshalb die
Schule zum Halbjahr Personal verlieren soll, was die ohnehin
herausfordernde Arbeit „im Brennpunkt“ noch schwieriger mache.
Krössin beteuert, dass sich ein Fall Anna Lindh in Pankow nicht wiederholen
soll: Man wolle zwar ebenfalls in ein Bürogebäude, dort gebe es aber „einen
Hof und eine Mensa-Möglichkeit“. Es sei dort „schön, sauber und trocken�…
Für die Schüler*innen der Europasportpark-Schule wäre das tatsächlich
nicht selbstverständlich, sondern ein Fortschritt.
12 Oct 2022
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## AUTOREN
Anna Klöpper
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