Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schornsteinfeger übers Energiesparen: „Wir müssen uns halt selb…
> Schornsteinfeger Alain Rappsilber wird immer mehr zum Energieberater. Im
> taz-Gespräch erklärt er, wie jedeR selbst ökologisch sinnvoll sparen
> kann.
Bild: Viele kleine Veränderungen an der Heizung können Rechnung und Klima ent…
taz: Herr Rappsilber, Sie haben auf Ihrer Homepage eine Liste
veröffentlicht mit [1][„][2][22 Energiespartipps von Ihrem
Schornsteinfeger“]. Was hat Sie dazu bewogen?
Alain Rappsilber: Wir Schornsteinfeger haben festgestellt, dass das, was
von den Politikern gepredigt wird, nichts damit zu tun hat, was wir
tagtäglich in den Wohnungen erleben.
Was wird denn gepredigt?
Dass die Leute kalt duschen und die Heizung auf 19 Grad runterdrehen
sollen. Das ist keine Lösung, wir holen uns dadurch nur Schimmel,
Asthmaprobleme und Erkältungskrankheiten ins Haus. In Zeiten von Corona
dürfte das die Lage in den Krankenhäusern nicht gerade verbessern. Aber
dass jemand den Menschen richtiges Heizverhalten erklärt – das habe ich
bisher von keinem dieser Politiker gehört. Deshalb kam ich auf die Idee,
die Liste zu machen.
Das sind alles Tipps, die Ihren Bereich betreffen.
Ja, es geht nur um die Heizung. Ich habe da noch keinen Kühlschrank
angesprochen, keine LED-Lampe, es gibt ja viele Möglichkeiten, im Haushalt
ein paar Grad einzusparen.
Ihre Vorschläge sind ziemlich kleinteilig.
Wenn gesagt wird, wir müssen 20 Prozent Energie sparen, ist immer von
großen Baumaßnahmen die Rede, die viel Geld kosten. Meine Meinung ist: Man
muss bei jedem Einzelnen im Kopf für eine Veränderung sorgen. Wenn jeder
bewusst mit Energie umgeht, kann man in den Haushalten schon viel sparen,
ohne dass es Geld kostet. Nein, man spart sogar noch Geld. Ich denke mal,
das ist der erste Weg. Und dann muss man überlegen, was kann die
Hausverwaltung oder der Eigentümer tun.
Geben Sie uns doch mal ein paar Tipps, was man selber machen kann.
Heizung richtig einstellen, Heizkörper frei stellen, also die Couch oder
den Schreibtisch davor wegrücken, die Handtücher runter nehmen oder die
Bücher- und die Plattensammlung 20 Zentimeter verschieben von der Heizung
weg, so dass die Wärme wirklich zirkulieren kann. Hinter den Heizkörpern
dämmen, so dass die Wärme wirklich in den Raum strahlt und nicht nach
außen. Wichtig ist auch, dass man die Zimmertüren geschlossen hält. Und
nicht zu vergessen: Heizkörper reinigen.
Wie bitte?
Ja! Ich war vorhin gerade wieder bei einer Abnahme von einer neuen
Gastherme in einer Küche und habe mir gleich noch die Heizkörper angesehen.
Bei dieser Frau waren die Heizkörper alle verschmutzt – inwendig, von außen
waren sie total sauber. Ich habe die Blende abgemacht und alle Lamellen
waren voller Fusseln und Staub. Ein bis zwei Millimeter Ablagerungen und
Staub können bis zu 6 Prozent Verlust der Wärmestrahlung ausmachen. Ich
habe der Frau geraten, sich dringend darum zu kümmern. Lange schmale
Bürsten gibt es in jedem Baumarkt. Für all diese Dinge braucht man keinen
Experten. Bei einer Millionen Heizkörper käme man da auf ein Sparpotenzial
in Megawattbereichen.
Wann wäre es ratsam, eine Fachkraft einzuschalten?
Bei der Heizungwartung und -optimierung. Das sollte man auf jeden Fall
machen lassen, denn: Jede dritte Heizung läuft mit zu hoher Wärmeleistung.
Im Frühjahr 2022 haben die Berliner Schornsteinfeger kurzzeitig mehr als
4.000 Gasetagenheizungen überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass circa 90
Prozent der Heizungen mit zu hohen Einstellungen im Verhältnis zur
Wohnungsgröße laufen. Das ist so, als würdest du einen Trabi mit
Porschemotor fahren, immer im ersten Gang auf 180.
Das hätten wir jetzt gern genauer.
Bei 70 Quadratmeter Wohnung bräuchte ich zwischen 7 und 8 Kilowatt
Heizleistung in der Therme. Die Gastherme läuft aber meistens mit 18 oder
24 Kilowatt. In Zusammenarbeit mit der SHK-Innung in Berlin…
… der Innung für Sanitär, Heizung und Klima …
… könnten wir ein enormes Einsparpotenzial erzielen, wenn man die Thermen
richtig einstellt beziehungsweise an den Wärmebedarf anpasst. Bei 225.000
Gasthermen in der Stadt hätte Berlin fast 20 Prozent eingespart,
vorausgesetzt, die Senatsverwaltung für Umwelt und Klimaschutz schafft
dafür die gesetzlichen Grundlagen. Das haben wir der zuständigen Senatorin
Bettina Jarasch im Frühjahr auch schon alles vorgerechnet.
Und?
Frau Jarasch hat das sofort verstanden und weitergegeben. Aber ihre
Fachabteilung hat es bis heute noch nicht verstanden, und jetzt rennt uns
die Zeit weg. Wir Schornsteinfeger sind zurzeit ja ohnehin in den
Wohnungen, um die jährliche Abgasmessung durchzuführen. Dabei könnten wir
auch die Kilowatt-Leistung der Thermen zur Wohnungsgröße in Bezug setzen.
Das würde den Mieter vielleicht 70, 80 Euro extra kosten, aber das Geld hat
er innerhalb von Tagen raus. Manchmal habe ich den Eindruck, bestimmte
Stellen wollen überhaupt nicht, dass Energie gespart wird.
Was liegt noch im Argen?
Es gibt Häuser, da ist nicht eine einzige Dämmung um die Rohre, oder die
Treppenhäuser sind beheizt. Das Problem ist: In solchen Häusern gibt es oft
keine Kontrolle, wenn sich die Mieter beschweren. In der Regel sind das
Fernheizungshäuser, wir Schornsteinfeger sind da nicht zuständig. Wenn man
guckt, wer der Eigentümer ist, ist es meist die soundsovielte
Luxemburg-Trust. Das Einzige, worum es geht, ist Geldoptimierung.
Haben sich schon viele Leute mit elektrischen Zusatzgeräten eingedeckt –
was sehen Sie da so in den Wohnungen?
Viele Leute haben sich Radiatoren und Heizlüfter zugelegt, aber nicht nur
das: Die Leute haben sich auch Heizpilze gekauft. Vier-, fünfmal habe ich
diese Dinger schon gesehen, und das ist ja nur ein kleiner Ausschnitt, ich
komme ja bei Weitem nicht in alle Wohnungen. Als Schornsteinfeger frage ich
mich, was da noch so alles rumsteht. Heizpilze sind brandgefährlich, man
kann sich damit unter Umständen vergiften.
Wo sehen Sie bereits Veränderungen?
Viele, die früher Gasetagenheizung hatten und inzwischen an Fernwärme
angeschlossen sind, haben sich Öfen in die Wohnungen gestellt. Sie sagen,
damit kriege ich es wenigstens warm und es kostet nicht ganz so viel. Ich
rate auch jedem, der noch irgendwo einen alten Ofen zu stehen hat, zu
gucken, ob man den nicht reaktivieren kann. In den Altbauten gibt es fast
überall noch Kamine. Als Schornsteinfeger würde ich auch kein Gewese
machen, wenn der Ofen über 30 Jahre alt ist. Besser, die Menschen haben es
warm und richten mit Strom oder Gas keine andere Katastrophe an.
[3][Auch Kohle ist mittlerweile knapp].
Richtig. Inzwischen wird sogar schon nasses Holz an die Leute verscherbelt.
Man muss den Ofen natürlich mit den richtigen Brennstoffen heizen, damit
das sauber ist. Aber wenn Leute frieren, wird die Moral eine andere sein.
Mal gucken, ob der Tiergarten noch lange steht.
Die Innungen der Schornsteinfeger und SHK haben zusammen mit den Berliner
Stadtwerken, dem Energieberaterverband, Gasag, Vattenfall und anderen eine
Berliner Energie-Einspar-Initiative gegründet. Was genau ist der Plan?
Wir haben Vorschläge mit dem Ziel erarbeitet, 20 Prozent Einsparungen zu
erreichen. Dazu gehören sowohl kostengünstige Maßnahmen als auch
Informationsveranstaltungen. Über mehrsprachige Flyer wollen wir zudem
versuchen, über die Hausverwaltungen auch an problematische Gruppen
heranzukommen. In den nächsten Tagen werden wir das Programm der
Öffentlichkeit vorstellen. Wenn die Regierung es nicht schafft, müssen wir
uns halt selbst helfen.
26 Sep 2022
## LINKS
[1] http://kiezkehrer.de/22-energiespartipps-von-ihrem-schornsteinfeger/
[2] http://kiezkehrer.de/22-energiespartipps-von-ihrem-schornsteinfeger/
[3] /Energiekrise/!5876815
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Energiekrise
fossile Energien
Energiesparen
Kohleausstieg
Schwerpunkt Klimawandel
Lesestück Recherche und Reportage
Kohle
## ARTIKEL ZUM THEMA
Umweltbundesamt warnt vor Kaminen: Viel Feinstaub durch Holzheizungen
Belastung durch Kamine und Öfen ist so hoch wie durch den Verkehr, warnt
das Umweltbundesamt. Und fordert ein Ende der Förderung von Holzheizungen.
Energetische Sanierung: Warme Wohnung, heiße Miete
Viele Wohnhäuser müssen dringend energetisch saniert werden. Was das für
die Mieter*innen bedeuten kann, zeigt ein Beispiel aus Berlin.
Energiekrise: Auf glühenden Kohlen
Günstiger heizen ohne Gas: Die Nachfrage nach Kohlen explodiert. Für
Berliner:innen, die mit Öfen heizen müssen, wird das zum Problem.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.