# taz.de -- CDU hat Wölfe und Nonnengänse im Visier: Der Wolf soll tot | |
> Schleswig-Holstein will das Jagdgesetz und den Schutzstatus von Gänsen | |
> ändern. Der Nabu sieht beides kritisch: Es würde keinerlei Vorteile | |
> bringen. | |
Bild: Ein Bild, das es in Schleswig-Holstein noch nicht gibt: Wolfsrudel in Bay… | |
RENDSBURG taz | Wölfe sollen in Schleswig-Holstein gejagt werden dürfen – | |
allerdings gilt eine ganzjährige Schonzeit. Die Idee, die geschützten Tiere | |
ins Jagdrecht aufzunehmen, stammt von der CDU, die Grünen stimmten im | |
Koalitionsvertrag zu. Eine Änderung ist [1][auch für die Nonnengänse | |
geplant.] Jetzt befasst sich der Kieler Landtag mit beiden | |
Gesetzesanträgen. Opposition und Tierschützer*innen kritisieren den | |
Vorstoß. | |
[2][Wolf reißt Schafe], Wolf wird abgeschossen: „So stellen sich einige | |
Tierhalter das vielleicht vor, aber das wird auf keinen Fall erlaubt sein“, | |
sagt Fritz Heydemann, beim Nabu Schleswig-Holstein für Artenschutz | |
zuständig. Diese Erfahrung hätten auch andere Bundesländer gemacht, die den | |
Wolf ins Jagdrecht aufgenommen haben: Zuletzt schuf Niedersachsen im | |
Frühjahr eine entsprechende Regel. | |
Allerdings gebe es einen Unterschied, so Heydemann: „In Niedersachsen haben | |
sich mehrere Rudel angesiedelt.“ In Schleswig-Holstein gelten nach einer | |
aktuellen Mitteilung des Umweltministeriums zwei Wolfspaare als „resident“. | |
Doch solange kein Nachwuchs geboren wurde, gilt die Art als nicht heimisch. | |
Damit werde also ein Tier ins Jagdrecht aufgenommen, das es faktisch kaum | |
und gesetzlich noch gar nicht gibt, so Heydemann. „Und egal, was das | |
Landesrecht sagt, es bleibt der strenge EU-rechtliche Schutz.“ | |
## CDU setzt sich gegen die Grünen durch | |
Die CDU-Abgeordnete Cornelia Schmachtenberg hält es dennoch für sinnvoll, | |
das Gesetz zu ändern. Sie hat den Punkt in den Koalitionsverhandlungen | |
gegen die anfangs zögerlichen Grünen durchgesetzt. Eines ihrer Argumente: | |
Es werde einfacher, einen angefahrenen Wolf zu töten. Zurzeit dürfen das | |
nur die Polizei oder eine Tierärzt*in, künftig könnten örtliche | |
Jäger*innen hinzugezogen werden. „Die sind schneller vor Ort und wissen, | |
wie sie ein krankes Tier erlösen“, sagt Schmachtenberg. | |
Auch sie betont: „Wenn wir das Jagdrecht ändern, heißt das nicht, dass ein | |
Wolf einfach abgeschossen werden darf. Aber wenn ein Wolf freigegeben wird, | |
dürfen auch die örtlichen Revierpächter beauftragt werden.“ | |
Bisher gab es in Schleswig-Holstein erst einen solchen Fall. Die | |
beauftragten Jäger*innen lauerten „GW 924m“ vergeblich auf. Im Januar | |
2020 geriet das Tier in Niedersachsen unter ein Auto. | |
Ob örtliche Jäger*innen so genannte Problemwölfe leichter erwischen als | |
die Spezialtruppe, bezweifelt Nabu-Experte Heydemann: „Erstens legen Wölfe | |
weite Wege zurück, da wäre nicht nur ein Pächter beteiligt. Zweitens sind | |
Wölfe weit schwerer zu schießen als etwa ein Wildschwein.“ Hinzu kommt, | |
dass das Töten eines Wolfs gesellschaftlich umstritten ist. Eine Pflicht | |
für Revierpächter*innen wird es daher nicht geben, sagt | |
Schmachtenberg. | |
## SPD will lieber Schutzzäune | |
Die tierschutzpolitische Sprecherin der größten Oppositionsfraktion, der | |
SPD, Sandra Redmann, lehnt die Übernahme des Wolfs ins Landesjagdrecht ab: | |
„Das, was die Koalition erreichen will, wird so nicht erreicht. Das | |
Verfahren wird lediglich komplizierter.“ Die SPD will [3][mit Maßnahmen wie | |
Schutzzäunen] „Weidetierhaltung und Wolf in Einklang“ bringen, dafür gebe | |
es bereits ausreichend Instrumente: „Das Wolfsmanagement, wie wir es bisher | |
in Schleswig-Holstein angewandt haben, funktioniert“, sagt Redmann. | |
Die Grünen sehen es ebenso: „Das Nebeneinander von Jagd- und | |
Naturschutzrecht führt zu einer komplizierten Rechtslage“, sagt die umwelt- | |
und jagdpolitische Sprecherin der Fraktion, Silke Backsen. „Der Wolf ist | |
eine streng geschützte Art, eine Entnahme im Einzelfall ist | |
naturschutzrechtlich geregelt. Daran ändert auch die Übernahme in das | |
Jagdrecht nichts.“ | |
Geprüft werden müsse, ob es tatsächlich rechtlich möglich ist, dass | |
örtliche Jäger*innen einen verletzten Wolf per Fangschuss töten dürfen. | |
Backsens Fazit: Den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen, ergebe „keinen großen | |
Sinn“. Trotz aller Skepsis tragen die Grünen den Antrag mit. | |
Einig sind sich die Koalitionspartner bei dem Versuch, den Schutzstatus der | |
Nonnengans zu lockern. Denn die Zahl der Tiere sei stark gestiegen, | |
berichtet Schmachtenberg. Backsen fügt hinzu: „Die Population hält sich | |
seit einiger Zeit stabil auf hohem Niveau – ein Erfolg des Naturschutzes, | |
aber auch Folge von Klimaveränderungen und milderen Wintern.“ Das Problem: | |
Je mehr Gänse es gibt, auf desto mehr Flächen landen und fressen sie. | |
## Ökologierung der Landwirtschaft notwendig | |
Ändert die EU den Status der Tiere, könnten sie zu bestimmten Zeiten bejagt | |
werden. Schmachtenberg stellt sich eine bessere Lenkung der Schwärme vor: | |
„Es gibt ja keine Schilder in der Luft, aber man kann etwa landeseigene | |
Naturschutzflächen so gestalten, dass sie attraktiv für die Tiere sind.“ | |
Das kann etwa bedeuten, naturbelassene Wiesen zu mähen – was die Flächen | |
allerdings für andere Arten verdirbt. | |
„Das muss naturschutzfachlich passen“, sagt Schmachtenberg. | |
Schleswig-Holstein tausche sich darüber mit Niedersachsen und Dänemark aus, | |
sagt Backsen, die generell „einen Umbau und eine Ökologisierung der | |
Landwirtschaft“ fordert. | |
Nabu-Experte Heydemann hält dagegen gar nichts von der Idee, den | |
Schutzstatus der Gänse zu ändern. Auch wenn die Zahlen in Deutschland | |
aktuell recht gut seien, würden die Zugvögel in anderen Ländern bejagt und | |
dezimiert. Und der Effekt für die Landwirtschaft sei oft nicht so groß wie | |
erwartet: „Man schießt eine Gans ab, aber Hunderte flattern auf, | |
verbrauchen dabei Energie und fressen auf einer anderen Fläche umso mehr.“ | |
30 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Verfressene-Gaense-in-Schleswig-Holstein/!5881464 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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