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# taz.de -- Die Wahrheit: Reich+berühmt, 1. und letzte Folge
> Glücklich kann sich schätzen, wer keine Penunzen, keinen Ruhm hat. So
> lässt sich's wohlig leben, als unbescholtene, mildtätige Mitbürgerin.
Bild: Los Restos im typisch spanischen Interieur der 1960er Jahre
Da ich weder berühmt bin, noch daran glaube, es in diesem Leben zu werden,
liegt final ein Vorteil auf der Hand: Kein Mensch dieser Welt käme nach
meinem Ableben auf die unanständige Idee, einen Klotzflughafen nach mir zu
heißen oder gar eine Straße nach mir umzubenennen, die vorher als
Heinz-Sielmann-Damm oder so ähnlich auf Google Maps erschien.
Ganz recht, ich finde es unanständig, ja eine Nötigung von Toten,
Monumente, Museumsshops, Gymnasien, Grundschulen oder Torten, mehr noch,
jegliche Art von Gerichten, oder gar ein Stück Asphalt, nach einer Person
zu benennen. Die wird selbstverständlich allermeist vor ihrem Ableben nicht
dazu befragt, ob sie als „Flughafen Berlin Brandenburg (BER) ‚Willy
Brandt‘“, als „Esterházy-Torte“, „Genscherbrause“, „John-Lennon-…
oder „Greta-Garbo-Gasse“ verewigt werden will. Anmerkung für unsere jünge…
Leserschaft: Greta Garbo ist nicht zu verwechseln mit Greta Thunberg, die
schwedische Schauspielerin debütierte noch in der Stummfilmzeit.
Wer weiß denn schon, wer er oder sie ist in diesem Leben? Es lebt sich also
besser nicht berühmt – ohne Autogrammkarte am Revers und freiwillig
inkognito. Ich zum Beispiel muss mir nicht überlegen, welche Sonnenbrille
mein Gesicht am besten verschattet, ja unkenntlich macht, wenn ich aus
meiner Mietwohnung gehe, um draußen auf der Straße nicht angesprochen oder
– schlimmer noch – nicht angeraunt oder gar nicht erkannt zu werden.
## Ziemlich großes Loch im Strumpf
Die Leute gucken bei mir oft auch einfach so, ich frage mich zwar hin und
wieder warum; letztens trug ich ein ziemlich großes Loch im Strumpf, da war
die Sache klar. Meine Sonnenbrille hatte ich an jenem Tag, kurz bevor ich
das Haus verließ, unwiderbringlich verlegt, die Sonne blendete mich draußen
auf dem Trottoir, und, wie erwartet, fragte mich auch kein Mensch nach
einem Autogramm. Dafür zeigte ein Mann bei seinen Google Maps von
Berlin-Kreuzberg verzweifelt auf die „Audre-Lorde-Straße“ – „wo“ die…
sei?
Unbezahlt Gutes tun, getreu meinem allzeit selbstlosen Motto, konnte ich
dem Herrn aus eigener Erfahrung weiterhelfen. Google Maps ist nämlich
schneller als die Kreuzberger Bezirksverwaltung, die den nördlichen Teil
der dortigen Manteuffelstraße nicht mehr nach dem, dieses Jahr 140 Jahre
todseienden, politischen Erzreaktionär Otto Theodor von Manteuffel heißen
will, sondern eben nach Audre Lorde, einer feministischen, schwarzen und
lesbischen Professorin aus den USA, die bis 1992 in Berlin lebte.
Nachdem ich den Herrn also von seinen Rätselqualen erlöst hatte und er
selig, ohne ein Autogramm von mir, dem Manteuffel-Straßenschild, Zitat „bis
zur Nummer 101“ folgte, beschlich mich urplötzlich die Frage, ob ich in
diesem Leben, so ich nicht schon und sicherlich nicht mehr berühmt,
wenigstens noch mal richtig reich sein werde. Uff. Unschlagbar komische, ja
aussichtslose Frage. Nächstes Kolumnenthema.
27 Sep 2022
## AUTOREN
Harriet Wolff
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Reichtum
Straßenumbenennung
Hall of Fame
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
Kolumne Die Wahrheit
Die Wahrheit
Die Wahrheit
Robert Habeck
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