# taz.de -- Bringdienste und andere Geschäftsideen: Alles easy in der bunten S… | |
> So ein Start-up ist flugs gegründet mit irgendwas zum Ausliefern. Willige | |
> Mitarbeiter, die bei Wind und Wetter durch die Stadt jagen, finden sich | |
> immer. | |
Bild: Essen, Tabletten, egal: kann man sich doch alles an die Tür bringen lass… | |
Die Innovationsberater-Firma [1][Startup Genome] hat herausgefunden: Berlin | |
ist die Start-up-Metropole Deutschlands. 2020 hat diese | |
nachgesellschaftliche Projektwelt hier bereits 19.000 Billigjobs | |
geschaffen. Fast im Monatstakt werben inzwischen neue Bringdienste in den | |
U-Bahnhöfen. Ich vermute, dass dahinter jedes Mal Millennials stehen, die | |
ständig an ihren Smartphones fummelten, sich nächtens Fastfood und | |
Softdrinks kommen ließen und dann die tolle Idee eines Bringdienstes | |
hatten. Dazu stellten sie dann einen Schwarm armer Schweine als Ausfahrer | |
ein. | |
„Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald“, hieß ab 1955 | |
der Werbespruch der ersten deutschen Schnellrestaurantkette – mit Broiler | |
to go im Angebot. Ähnlich lautet nun ein Spruch der Lieferfirma Wolt: | |
„Berlin erreicht Herd-Immunität“. In den LPGs der DDR gab es aber auch | |
schon einen Lieferdienst, das heißt: Die Fahrer brachten den Mitarbeitern | |
täglich Essen aufs Feld. | |
Es gibt wahre Start-up-Moden: Nach den Fastfood-Lieferdiensten warben in | |
den U-Bahnhöfen neue Bankgründungen, sie nennen sich Smartphone-Banken: | |
Alle Geldgeschäfte werden bei ihnen angeblich „easy“ erledigt – mittels | |
„financial technology“. Deswegen hießen sie „Fintech-Banken“. Eine | |
Wirtschaftszeitung allerdings unkte: „Es reicht nicht, Fantasien zu | |
verkaufen – ruppiges Börsenklima für Fintechs.“ | |
Nach den Finanz-Start-ups kamen die Finanzamt-Start-ups. Eins nennt sich | |
taxfix: Es will die jährliche Steuererklärung für uns erledigen. Als wenn | |
es nicht schon genug Steuerberater gäbe. Das Problem dabei ist, bevor sie | |
eine Steuerrückzahlung für uns erreichen, wollen sie erst mal selbst Geld | |
von uns haben. Die taxfixer werben dafür mit dem kessen Spruch: „Schluss | |
mit Steuer-blablablabla-Erklärung“. | |
## Medikamente schnell gebracht | |
Noch abstoßender sind die Start-ups der Drogendealer. Kurando zum Beispiel, | |
das uns „Medikamente in 30 Minuten“ liefern will: „Free delivery …“ O… | |
Mayd, das ebenfalls verspricht, uns blitzschnell etwa Schmerztabletten zu | |
bringen. Die Renner sind angeblich nicht rezeptpflichtige Potenzmittel. | |
Mayd kooperiert mit Apotheken. Diese nehmen die Bestellungen auf und | |
stellen die Ware zur Abholung bereit. Mayd hat bloß die Fahrer, die sie | |
ausliefern. Wir haben es also auch hier mit einem oder mehreren | |
Schlaumeiern zu tun. Die sitzen in ihrer Computerzentrale und stellen | |
einen, mehrere oder ganz viele Arbeitslose beziehungsweise besessene | |
Sportler ein, die bei Wind und Wetter durch die Stadt jagen. | |
Auf businessinsider.de heißt es zu der maximal halbstündigen Lieferzeit: | |
[2][„Mayd ist nicht das einzige deutsche Start-up mit dieser Idee. Nach der | |
aktuellen Seedrunde ist es allerdings das am besten finanzierte.“] In der | |
„Seedrunde“ sammeln sich die Samenspender, hier sind es die Start-ups 468 | |
Capital, Earlybird und Target Global. Laut einem Linkedln-Post des | |
Mayd-Gründers haben daneben auch bekannte „Business Angels“ wie die Gründ… | |
der Start-ups Amorelie, Auto1, Aitme und auch Flixbus in seine Lieferfirma | |
investiert – insgesamt 43 Millionen Euro. | |
Mayd war so erfolgreich als Drogendealer, dass seine Vertragsapotheken mit | |
den Bestellungen gar nicht nachkamen. Andere haben bereits Lieferdienst und | |
Apotheke verbunden: die Versandapotheke DocMorris zum Beispiel, die 2000 | |
von einem holländischen Apotheker und einem deutschen Ingenieur gegründet | |
wurde. | |
Für den Apothekerverband ist die Strategie von DocMorris nur | |
Augenwischerei. „Es gibt jetzt schon viele Einkaufsgemeinschaften von | |
Apotheken. Diese kaufen bei Großhändlern billiger ein und unterbieten oft | |
die Preise von DocMorris“, sagte die Sprecherin der Bundesvereinigung | |
Deutscher Apothekerverbände dem Leiter des News-to-be-smart-Rooms bei Burda | |
Forward, was der Bunte-Besitzer Hubert Burda als „digitales Medienhaus der | |
Zukunft“ bezeichnet. Sein Forward läuft wahrscheinlich auf eine Bunte für | |
die Start-upper-Class raus. | |
27 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://startupgenome.com/ | |
[2] https://www.businessinsider.de/gruenderszene/business/mayd-13-millionen-eur… | |
## AUTOREN | |
Helmut Höge | |
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