Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die Wahrheit: Verschluckt vom Erdboden
> Wo ist nur all das Personal, wo sind die ganzen Fachkräfte hin? Eine
> Spezialeinheit der Bundesagentur für Arbeit ermittelt.
Ich bin mir sicher, wir sind da an was Großem dran!“ Volkmar Mulde senkt
seine Stimme, als wolle er verhindern, dass jemand mithört. Wir befinden
uns in einer fensterlosen Kammer der Nürnberger Zentrale der Bundesagentur
für Arbeit. Mulde ist Mitglied der hausinternen Sonderermittlungseinheit
„Fachkräftemonitoring und -tracking“. An der Wand seines Büros hängt wie…
jeder bayerischen Amtsstube ein Kruzifix. Darunter ein Plakat mit der
Aufschrift: „Ich möchte glauben.“
Zusammen mit seiner Kollegin Diana Schädele untersucht Mulde das
rätselhafte Verschwinden von Menschen aus dem Arbeitsmarkt. Ihre Einheit
ist auch nur eine Zweiheit, denn im Grunde ist es der Arbeitsagentur nur
recht, wenn Menschen aus der Statistik verschwinden. „Aber doch nicht so!“,
echauffiert sich Mulde. „Die Arbeitnehmer sind einfach weg!“ Längst spricht
man auf den Nürnberger Behördenfluren von den „Weg-Files“, die Mulde und
Schädele bearbeiten.
„Seit Corona ist da was im Gange“, raunt Mulde mit mystery-seriengeschultem
Timbre. „In so vielen Branchen heißt es, das Personal hätte sich
anderweitig umorientiert, aber niemand kann sagen, wo dieses ‚Anderweitig‘
eigentlich ist! Wo sind all die Barkeeperinnen, Köche, Servicekräfte,
Schwimmlehrerinnen und Veranstaltungstechniker geblieben? Sie sind wie vom
Erdboden verschluckt!“
Die gelernte Naturwissenschaftlerin Schädele klingt deutlich sachlicher,
kommt aber zum selben Ergebnis: „Uns ist keine Branche bekannt, die zurzeit
nicht händeringend Personal suchte! Wir können daraus nur den einen
logischen Schluss ziehen: Wohin auch immer die Menschen sich umorientiert
haben, sie sind dort nie angekommen.“
„Aber wo sind sie?“ Mulde geht nachdenklich auf und ab. Er bleibt vor einem
Poster mit einem Ufo stehen. Schädele schüttelt den Kopf. „Nein, es muss
eine andere Erklärung geben, Mulde.“ – „Ja, aber welche verdammt?“
## Auftritt bei „Aktenzeichen XY“
Die Nerven der Ermittler liegen bloß. Bis in die Fernsehsendung
„Aktenzeichen XY“ haben Mulde und Schädele es schon geschafft. Und wir
erinnern uns gut an Rudi Cerne, der den „mal wieder beispiellos
erschütternden“ Vermisstenfall vorstellte: „Gesucht werden zwei Millionen
Fachkräfte, die seit März 2020 verschollen sind. Sie wurden zuletzt in
einem Restaurant oder einer Event Location gesehen, danach verliert sich
von ihnen jede Spur. Augenzeugen gegenüber sprachen sie von einer geplanten
Umorientierung. Wenn Sie etwas darüber wissen oder die Umorientierung näher
beschreiben können, dann melden Sie sich bitte. Sachdienliche Hinweise zum
gegenwärtigen Aufenthaltsort einer Fachkraft nimmt jede Arbeitsagentur
entgegen.“
Seitdem gehen Mulde und Schädele allen Hinweisen nach. „Viele waren es aber
nicht“, räumt Schädele ein. „Es ist wie verhext“, flucht Mulde. „Niem…
will in diesem Land eine Fachkraft gesehen haben!“ Doch jeder Spur wird
nachgegangen, und sei sie noch so obskur.
Heute begleiten wir die beiden Arbeitsagenten zu Norbert Schlömer in
Glauchau. Auch er hat keine Umorientierten gesehen, präsentiert dem
Ermittlungsteam aber seine ganz eigene Theorie: „Tot sind die! Alle tot!
Gestorben an der Corona-Impfung! Wir haben immer schon gesagt, es wird
Millionen Impftote geben. Und plötzlich fehlen Millionen auf dem
Arbeitsmarkt. Das ist doch kein Zufall!“
Mit der Mär von beruflicher Neuorientierung vertusche die Deutschland GmbH
nur die Impftoten. Mulde hakt ein: Wenn das stimme, wo seien dann die
ganzen Toten geblieben? „Die wurden alle verbrannt, heimlich, deswegen war
es im Sommer auch so heiß! Uns erzählen sie was von Klimawandel, dabei
waren das die Impftoten!“
„Äh, ja, vielen Dank für diesen ‚Hinweis‘“, ringt sich Diana Schädel…
und verlässt fluchtartig den Raum. Sie weiß, dass das hanebüchener Unfug
ist, und berichtet uns von dem tragischen Fall der ungeimpften
Altenpflegerin Jule Dump, die nicht mehr mit Patienten arbeiten durfte.
„Ihre letzten Worte waren: ‚Pfff, dann mach ich eben was anderes.‘ Seitdem
ist auch sie verschollen in der Umorientierung.“
Es sind solche Schicksale, die Mulde und Schädele mitnehmen. „Manchmal
können wir Erwerbsbiografien nachverfolgen bis in ein Callcenter, einen
Liefer- oder Paketdienst hinein. Aber selbst da verlieren sie sich bald.
Zurück bleibt eine Kündigung mit Verweis auf eine berufliche
Neuorientierung.“
„Es ist ein Rätsel“, seufzt Mulde. „Wir sind jeder noch so unrealistisch…
Spur nachgegangen.“ Er lacht traurig. „Wir haben selbst überprüft, ob
irgendein Bundesland klammheimlich das bedingungslose Grundeinkommen
eingeführt hat.“
Könnte es an der grassierenden Verrentung liegen? Schädele schüttelt den
Kopf. „Nein, das sind ja überwiegend junge Leute, die wir vermissen. Die
werden doch noch nicht verrentet.“
„Es sei denn …“ Volkmar Mulde fährt sich haareraufend durch die Fönfris…
„Es sei denn, irgendwas macht, dass sie frühvergreisen“, denkt Mulde laut
nach. „Ein neues Virus? Oder doch eine der vielzitierten Langzeitwirkungen
der Coronaschutzimpfung?“
## Hinweise auf Menschenhandel
„Wir gehen auch Hinweisen auf Menschenhandel nach“, wirft Schädele ein. �…
gibt zumindest einen Anfangsverdacht, dass China in großem Stil
Umorientierte einkauft und nach Shenzen verschleppt, wo sie angeblich in
Umerziehungslagern zu Halbleitern ausgebildet werden.“
„Manche wurden womöglich auch als Söldner der russischen Armee angeworben�…
vermutet Volkmar Mulde. Das lässt zumindest für die Ukraine hoffen, wenn
beim Russen reihenweise Kämpfer mit der Motiviertheit deutscher Bademeister
oder dem Elan Berliner Restaurantbedienungen im Einsatz sind.
„Aus dem Wirtschaftsministerium wurde durchgestochen, es könnte was mit dem
rätselhaft fixen Befüllen der deutschen Gasspeicher zu tun haben“, erzählt
das Ermittlerteam. „Ohne eigenen LNG-Terminal werde das Flüssiggas zurzeit
heimlich per Menschenkette von Rotterdam in den Speicher Rehden
transportiert. Aber wir waren dort, es war eine Fehlinformation.“ Mulde
seufzt.
Es warten noch viele mysteriöse Spuren auf die beiden Sonderermittler. „Wir
suchen überall und werden nicht aufgeben, eh wir die Umorientierten auf dem
Arbeitsmarkt aufgespürt haben. Tot oder lebendig“, gibt sich Volkmar Mulde
kämpferisch. Ihr Team wird demnächst aufgestockt auf zwanzig Köpfe.
„Dafür suchen wir gerade Personal“, erklären die Sonderermittler. Da
Fachkräfte gerade fehlten, stellten sie auch sehr gern qualifizierte
Quereinsteiger ein. „Wenn Ihre Leserinnen und Leser also gern mal was
anderes machen wollen“, gibt Diana Schädele uns freudig mit auf den Weg,
„dann können Sie sich bei uns bewerben. Das Suchen kann ja auch ein Finden
sein.“
17 Sep 2022
## AUTOREN
Volker Surmann
## TAGS
Agentur für Arbeit
Arbeitsmarkt
Personal
Schwerpunkt Atomkraft
Haare
Die Wahrheit
Straßenverkehr
Mpox
Oligarchen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Die Wahrheit: Abgesänge im stillen Meiler
Am Samstag werden die letzten drei Atomkraftwerke vom Netz genommen. Die
Wahrheit war im betonalten AKW Emsland. Ein erschütternder Bericht.
Die Wahrheit: Büschel und Puschel
Die neueste stylische Mode aus New York ist jetzt in Berlin angekommen:
Endlich sind Nasen- und Ohrenhaare total hip.
Die Wahrheit: Kommt nun der Waschzwang?
Die Bundesregierung bietet jetzt Kurse zur energieeffizienten Körperpflege
an. Zur Zeitenwende gehört auch ein Waschwechsel.
Die Wahrheit: Brummender Tiger im Nahkampf
Martial Arts auf den Straßen: Besuch bei einer Berliner Kampfschule für
Verkehrsteilnehmer, die eine lukrative Marktlücke nutzt.
Die Wahrheit: Von Freunden totgestreichelt
Die ansteckenden Affenpocken sind erst der Anfang. Eine Übersicht neuer
Krankheiten mit tierischer Durchschlagskraft.
Die Wahrheit: Vegetieren in der Sechstwohnung
Der Krieg in der Ukraine fordert immer mehr Opfer. Ein Besuch beim
Oligarchengattinnen-Hilfswerk „Goldene Brücke“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.