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# taz.de -- Energiekrise in Skandinavien: Milliardengarantien für Konzerne
> Schweden und Finnland wollen mit Liquiditätshilfen den Strommarkt
> stabilisieren. Dafür werden sogar Parlamentarier aus den Ferien geholt.
Bild: Stockholm am Samstag: Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson …
Stockholm taz | Von der Gas- zur Stromkrise und dann zu einer Finanzkrise?
Die [1][Furcht vor einem solchen Dominoeffekt] hat die Regierungen in
Schweden und Finnland nun zu einem staatlichen Garantieprogramm für
Energieunternehmen veranlasst. Stockholm will für nordische und baltische
Stromunternehmen umgerechnet bis zu 25 Milliarden Euro an
Liquiditätsgarantien bereitstellen, Helsinki im Rahmen eines ähnlichen
Garantie- und Kreditprogramms 10 Milliarden für finnische Unternehmen.
In Schweden wurde das Parlament extra aus den Sommerferien geholt, um in
einer Sondersitzung am Montag das Kreditgarantiegesetz zu verabschieden. In
Finnland sollte Entsprechendes am Montag und Dienstag geschehen. In beiden
Ländern galten Mehrheiten als Formsache.
Die jetzige Situation sei nicht mit der Finanzkrise von 2008 vergleichbar,
versicherte der schwedische Zentralbankchef Stefan Ingves. Mit dem jetzigen
staatlichen Garantieprogramm solle nur vorbeugend einer möglichen
Schieflage von Stromunternehmen entgegengewirkt werden, damit diese nicht
auf den Bankensektor überschwappt.
Angekündigt wurden die Programme, deren Details erst teilweise öffentlich
sind, in Pressekonferenzen der Ministerpräsidentinnen Magdalena Andersson
und Sanna Marin, die diese bereits am Wochenende abgehalten hatten.
## Schweden und Finnland nutzen kaum Gas
Offenbar wollte man damit schon vor Eröffnung der Montagsbörsen möglichen
Panikreaktionen vorbeugen. Aufgrund des Stopps russischer Gaslieferungen
durch Nordstream 1 waren extreme Gas- und Strompreissteigerungen erwartet
worden.
Gas spielt im Energiemix Schwedens und Finnlands keine grosse Rolle, aber
aufgrund der Kopplung der Gas- mit den Strompreisen stehen die nordischen
Stromhandelsunternehmen derzeit unter einem doppelten Druck.
Zum einen müssen sie langfristigen Lieferverträgen zu Festpreisen
nachkommen, mit denen sie wegen der aktuell hohen Preise am Strommarkt
teilweise Verluste machen. Zum anderen führt die Achterbahnfahrt der Preise
an der Strombörse bei vielen Unternehmen zu Liquiditätsproblemen. Dort
müssen diese Unternehmen nämlich Sicherheitsgarantien hinterlegen, deren
Höhe von den jeweiligen Preisen abhängig ist.
„Praktisch sieht das so aus, dass man von uns verlangt, binnen 90 Minuten
zusätzlich 200 Millionen Kronen (umgerechnet etwa 20 Millionen Euro) an
Sicherheit zu leisten“, erklärt Elin Bergsten, Ökonomiechefin des
kommunalen Stromversorgers „Skellefteå Kraft“: „Am nächsten Tag sind es
vielleicht 700 Millionen weniger, am übernächsten wieder 500 Millionen
mehr.“
Sie begrüßte deshalb das jetzige Garantieprogramm Stockholms: „Das gibt
eine gewisse Stabilität.“ Könne ein Unternehmen an der Börse solche
Garantien nicht rechtzeitig leisten, riskiere es nämlich, vom Stromhandel
ausgeschlossen zu werden: „Das hat dann natürlich auch sofort Konsequenzen
für die Verbraucher.“
## Grundproblem nicht gelöst
Auch Per-Oscar Hedman, Kommunikationschef des finnischen Stromkonzerns
„Fortum“ bezeichnet die Massnahmen der Regierungen als „sehr willkommen�…
Das Grundproblem sei damit aber nicht gelöst. Dies ist ein seiner Meinung
nach „veraltetes und der jetzigen extremen Situation nicht angepasstes“
System der EU-Vorschriften zur finanziellen Regelung des Strommarkts. Die
EU müsse dieses Problem „dringend lösen“.
Für die jetzigen Probleme der Stromhandelsunternehmen machen
Energiemarktexperten beispielsweise Vorschriften der „[2][EU-Verordnung
über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarkts]“
mitverantwortlich. Aufgrund dieser Verordnung sei es nicht mehr möglich,
für die von der Strombörse geforderten Sicherheiten Bankgarantien zu
stellen. Dies war vor der Finanzkrise von 2008 noch möglich.
Die Konzerne müssen diese Garantien selbst erbringen. Dies könne auch für
solvente und stabile Unternehmen Liquiditätsprobleme verursachen, erläutert
Erik Thedéen, Chef der schwedischen Finanzaufsichtsbehörde
„Finansinspektionen“: Zwischen August 2021 und August 2022 sei die
Sicherheitssumme im Clearingsystem der Strombörse von umgerechnet 2,5 auf
18 Milliarden Euro gestiegen.
5 Sep 2022
## LINKS
[1] /Kein-Gas-mehr-durch-Nord-Stream-1/!5876268
[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32011R1227&…
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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