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# taz.de -- Reform der Erwachsenenbildung in Hamburg: Nur noch mit Vorgespräch
> Wer in Hamburg auf eine Abendschule will, muss künftig eine
> „Eingangsberatung“ absolvieren. Ferner werden die drei Abendschulen
> zusammengelegt.
Bild: Den Abschluss nachholen: In Hamburg bieten das drei Schulen an, die fusio…
Hamburg taz | Wer in Hamburg einen Schulabschluss nachholen will, kann an
eine der Abendschulen „St. Georg“, „Vor dem Holstentor“ oder ans
„Hansa-Kolleg“ gehen. Schulsenator Ties Rabe (SPD) will nun alle drei
Schulen in einem alten [1][Schulgebäude am Holzdamm 5] neben dem
Atlantic-Hotel vereinen – und dieses Gemäuer zuvor für sechs Millionen
Euro sanieren.
Das Projekt „Zentrum für Erwachsenenbildung“ hat aber nicht nur Freunde.
„Bei uns hat [2][dieser ganze Prozess] zu viel Reibung geführt“, sagt
Daniel Thieme, Schulsprecher der „Abendschule vor dem Holstentor“. Er
vermutet, es gehe dem Senat letztlich darum, das [3][schöne alte Gebäude],
in dem seine Abendschule untergebracht ist – direkt neben den Hamburger
Gerichten – frei zu bekommen und Geld zu sparen.
Rabe sagte bei der Vorstellung der Pläne: „Das neue Gebäude ist groß und
bietet mehr Schülerinnen und Schülern Platz als die drei anderen Gebäude
zusammen“. Er hoffe, mit dem neuen Angebot mehr Menschen anzusprechen. Denn
zuletzt war die Schülerzahl der drei Schulen im Vergleich zu vor zehn
Jahren von 1.571 auf 1.215 gesunken. Das neue Zentrum sei für 1.400 Schüler
ausgelegt.
Der Senator führt diesen Trend auch auf die hohe Abbruchquote zurück. Nur
rund die Hälfte erreiche das Abitur, den mittleren Bildungsabschluss knapp
60 Prozent. Künftig soll deshalb nun eine „verbindliche Eingangsberatung“
der Aufnahme vorgeschaltet sein. Bei dieser Beratung, so heißt es in der
dazugehörigen „[4][Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft]“, soll die
Motivation des Bewerbers „reflektiert“ und die Anforderung an den
Bildungsgang „verdeutlicht“ werden. Und es sollen [5][„gegebenenfalls
Alternativen“ aufgezeigt] werden, etwa in der beruflichen Bildung. Teil der
Beratung können dann auch „Tests“ sein, etwa für die Planung von Förderu…
## Hohe Abbruchquoten ein bundesweites Phänomen
Es ist vor allem diese Eingangsberatung – ursprünglich schrieb die Behörde
sogar von „Eingangsprüfung“ – die den Schulsprechern [6][ein Dorn im Auge
ist]. Daniel Thieme, der mit 28 Jahren noch mal die Schulbank drückt und
kurz vorm Abitur steht, sagt: „Ich befürchte, dass hier Menschen
abgeschreckt werden.“ Auch die Linke teilt die Sorge: „Das sieht aus wie
eine Eingangs-Abratung“, sagt Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus.
Dabei räumt auch Rabe ein, dass hohe Abbruchquoten im zweiten Bildungsweg
ein bundesweites Phänomen sind. Für Erwachsene ist ein Schulbesuch
herausfordernd, weil sie arbeiten und teils schon Familie haben.
Ties Rabe sagt nun, er wolle die Unterstützung ausbauen und den Unterricht
„zeitlich flexibilisieren“. Bisher fand der mit Rücksicht auf Berufstätige
vor allem abends statt. Künftig solle es auch vormittags Unterricht geben,
zum Beispiel für Alleinerziehende, deren Kinder in der Kita sind.
Geplant sei, dass Unterrichtsangebote in zeitlich wählbare „Module“
gegliedert werden. Die Schule bekomme ein „Selbstlernzentrum“. Für
entsprechend motivierte gebe es die Klasse „Abitur online“, in der 40
Prozent des Unterrichts digital stattfinden.
Thieme und sein Sprecherteam sehen das kritisch. Die meisten Abendschüler
bräuchten die Klasse und kämen mit Online-Unterricht nicht gut zurecht. Die
Pläne sprächen zudem dafür, dass das neue Haus doch zu klein für alle
Schüler sein könnte.
Nach dem Platz gefragt, erklärt Rabes Sprecher Peter Albrecht, in dem neuen
Schulhaus könnten gleichzeitig 920 Schüler lernen, in 40 Lerngruppen à 23
Personen – und das den ganzen Tag von 8 bis 22 Uhr. An den jetzigen
Standorten sind die Räume zeitweise belegt. Die Abendschule St. Georg teilt
sich sogar die Räume mit einer Stadtteilschule.
Gleichwohl, in der Zeit am frühen Abend von 17.30 Uhr bis 19 Uhr lernen
aktuell 49 Klassen an den bisherigen Standorten gleichzeitig, das räumt die
Behörde ein. Für die für Abendschulen wichtige Zeit fehlt also künftig etwa
ein Fünftel des Platzes.
Das Zentrum soll am 1. Februar starten. Sollte der Raumbedarf nicht durch
„Änderungen im Stundenplan“ oder „Zuschnitt der Lerngruppen“ sinken, so
finde der Unterricht vorübergehend in „Mitnutzung“ an einer weiteren Schule
statt, teilt Albrecht mit.
„So viel ich weiß, ist das Gebäude schlicht zu klein“, sagt die Abgeordne…
Boeddinghaus. Auch sie vermutet hinter dem Zentrum ein Sparprogramm, fielen
doch nebenbei auch noch zwei Schulleitungsstellen weg. [7][Sie kritisiert
zudem], dass sich nicht mit den Schulen gemeinsam über ein Konzept
verständigt worden sei und eine wissenschaftliche Analyse fehle. Dem Senat
ginge es wohl vor allem darum, das schöne Gebäude frei zu kriegen, in das
die Justiz ziehen soll.
Auch Hamburgs Lehrerkammer kritisiert, das Konzept sei nicht ausreichend
mit den Kollegien der drei Schulen erarbeitet worden. Die würden ihre
Schüler schließlich am besten kennen.
Der Landesvorsitzende der GEW, Sven Quiring, weist auf einen weiteren Punkt
hin. Weil das neue Zentrum rechtlich keine Fusion sondern eine Neugründung
ist, werden mit den Schulen auch deren Personalräte aufgelöst und können
den Übergang nicht begleiten. „Wir werden den Prozess genau im Auge
behalten“, sagt Quiring. Zum Beispiel würde bei einer Flexibilisierung der
Unterrichtszeit auf 8 bis 22 Uhr nicht klar, wie mit der Arbeitszeit der
Lehrkräfte umgegangen wird. Bei aller Notwendigkeit einer Weiterentwicklung
der Erwachsenenbildung, sagt Quiring, „die Bedingungen für Lernende und
Lehrende dürfen sich nicht verschlechtern“.
24 Aug 2022
## LINKS
[1] /Zweiter-Bildungsweg-in-Hamburg/!5800814
[2] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/79767/campus_zweiter_bildu…
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Abendschule_vor_dem_Holstentor
[4] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/80678/weiterentwicklung_vo…
[5] /Kein-Aufstieg-mehr-durch-Bildung/!5436588
[6] https://www.gew-hamburg.de/sites/default/files/download/hlz/bildungspolitik…
[7] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/79877/campus_zweiter_bildu…
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Bildung
Weiterbildung
Abitur
Schulbehörde Hamburg
Hamburg
Leistungsgesellschaft
Bildung
Schule
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