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# taz.de -- Weizenlieferungen in den Libanon: Da ist viel Brot im Umlauf
> In Beirut liegt wieder Brot in den Regalen, auch an Mehl mangelt es
> nicht. Dubios bleiben die Routen diverser Schiffe.
Bild: Lecker: Fladenbrot auf einem Laufband in Dahiyeh, in der Nähe von Beirut
Beirut taz | Im Libanon ist die Angst vor einer Weizenkrise vorläufig
verschwunden, ebenso [1][die langen Schlangen] vor den Bäckereien. Bachar
Boubess besitzt die Weizenmühle „Modern Mills of Lebanon“, mit Silos in
Beirut. Am Telefon klingt er entspannt. „Es ist viel Brot im Umlauf, viel
Weizen, und es sieht so aus, als ob alles gut läuft“, sagt er. Boubess
kauft seit über 20 Jahren Getreide aus der Ukraine. Doch weil der größte
ukrainische Seehafen, Odessa, von Russland blockiert war, konnten keine
Schiffe von dort ablegen. Das führte zu Panik und Engpässen auf den
globalen Märkten. Der Preis für Weizen stieg rasant in die Höhe,
Alternativ-Exporteure wie Indien beschlossen, zuerst die eigene Bevölkerung
zu versorgen.
Mittlerweile hat sich die Lage entspannt. Boubess sagt, er habe noch 6.500
Tonnen Weizen in dem Silo seines Unternehmens in Beirut. Das reiche für
rund einen Monat. Er habe die letzte Ladung vor circa einem Monat bekommen.
Sie käme aus dem [2][Hafen von Reni]. Das liegt an der Donau, zwischen
Rumänien und der Ukraine.
Trotz des Krieges lag die Containerschifffahrt zwischen den Ländern nicht
brach. Seit Kriegsbeginn sind mindestens zehn Containerschiffe zwischen
Reni und Tripoli gefahren. Die „A.M.K. Marin“ beispielsweise legte am 22.
April in Reni ab und kam bereits am 5. Mai im libanesischen Tripoli an,
bevor sie unter anderem wieder Istanbul und Reni ansteuerte. Das geht aus
Daten hervor, die das Unternehmen [3][FleetMon] gesammelt und an die taz
geschickt hat. Bei den Schiffen handelt es sich um Cargoschiffe, die
potenziell auch Getreide transportiert haben könnten. Die Fracht kann
FleetMon nicht einsehen.
Boubess sagt, die Wartezeit für Weizen aus Reni sei zwar lang, doch
Alternativen wie rumänischer Weizen seien sehr teuer. Der Weizen, den er
importiert habe, sei von der Zentralbank mit Genehmigung des
Wirtschaftsministeriums subventioniert worden. Lange war unklar, ob der
Staat den Weizen weiter subventioniert. Der Libanon befindet sich in einer
starken Finanz- und Wirtschaftskrise, der Staat ist pleite.
## Brot ist doppelt so teuer
Im März lag der Preis für eine Packung libanesischen Fladenbrots noch bei
14.000 Lira, nun sind es 30.000 Lira – ein Anstieg um das Doppelte. Das lag
nicht nur an dem Krieg in der Ukraine. Weil nicht klar war, wie lange die
Zentralbank die Subventionen aufrechterhalten kann, hatte der Handel die
Ware zurückgehalten. „Es gibt keinen Brotmangel“, sagte der
Interimswirtschaftsminister Amin Salam bereits im Juni. Handel und Kunden
hamsterten Brot und verkauften es auf dem Parallelmarkt für einen höheren
Preis weiter.
Der Verbund der Bäckereien beklagte dagegen, das Wirtschaftsministerium
sorge nicht für die versprochenen Subventionen. Dann versprach die Weltbank
dem Libanon einen Kredit von 150 Millionen US-Dollar für Weizenimporte. Mit
der Sicherheit, dass die Subventionen aufrechterhalten werden, hat sich die
Anspannung auf dem Markt gelöst. „Wir warten auf die Subventionen über den
Weltbankkredit, und das Wirtschaftsministerium versucht, vorher
Subventionen durchzubringen“, sagt Mühlenbesitzer Boubess.
Zusätzlich erzielten die Ukraine und Russland Ende Juli ein Abkommen unter
der Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei über
Getreidelieferungen aus der Ukraine. Seit Anfang August haben im Rahmen des
Abkommens 25 Schiffe mit fast 650.000 Tonnen Getreide und anderen
landwirtschaftlichen Erzeugnissen die ukrainischen Häfen Odessa, Piwdennji
und Tschornomorsk verlassen. Ein großer Teil der Fracht ging in die Türkei,
in EU-Länder und andere verhältnismäßig reiche Staaten.
Am Freitag sagte Infrastrukturminister Olexander Kubrakow, in den
ukrainischen Häfen würden zehn weitere Frachtschiffe mit Getreide für den
Export beladen.
## Das Frachtschiff "Razoni"
Das erste Schiff, das den Hafen in Odessa unter dem Abkommen verlassen hat,
bekam viel Aufmerksamkeit in den Medien. Die „Razoni“ war am ersten August
Richtung Libanon aufgebrochen. Sie hatte rund 26.000 Tonnen Mais geladen –
als Futter für Hühner. Doch kaum angekommen im Libanon, hieß es auf einmal,
der libanesische Käufer verweigere die Annahme, weil die Fracht fünf Monate
zu spät kam. Aus Reedereikreisen und Satellitendaten geht hervor, dass der
Frachter nun in Syrien angekommen ist. Er hat in der Hafenstadt Tartus
angelegt.
Es ist nicht das erste Schiff, das unter fraglichen Umständen nach Syrien
gelangt. Denn Russland exportiert Getreide nach Syrien – von dem die
Ukraine sagt, es sei von ihr gestohlen. Anfang August inspizierten
libanesische Behörden das Schiff „Laodicea“, das mit rund 10.000 Tonnen
Weizen und Gerste im libanesischen Hafen Tripoli lag. Die Ukraine gab an,
das Getreide sei von Russland gestohlen, Russland bestritt den Vorwurf. Die
libanesische Staatsanwaltschaft ließ das Schiff nach der Untersuchung
weiter nach Syrien fahren.
Am Donnerstag berichtete die Nachrichtenagentur AP, ein weiteres Schiff mit
gestohlenem Getreide habe Tartus erreicht. Die Agentur wertete
Schiffsverfolgungsdaten von MarineTraffic.com aus. Demnach fuhr die „SV
Konstantin“ um den 6. Juli herum von der russisch besetzten Halbinsel Krim
ins Schwarze Meer. Das Schiff habe in Sewastopol ukrainischen Weizen
geladen, so die ukrainische Botschaft im Libanon.
## Die "Konstantin"
Die „Konstantin“ fuhr bis zur Küste Zyperns, bevor die Besatzung am Sonntag
das automatische Identifizierungssystem abschaltete. Eigentlich sollten
Schiffe ihre AIS-Tracker eingeschaltet lassen, aber Schiffe, die ihre
Bewegungen verbergen wollen, schalten die Tracker oft aus. Bei Schiffen,
die syrische Häfen anlaufen, ist das gang und gäbe.
Syriens Machthaber Baschar al-Assad ist ein enger Verbündeter von Wladimir
Putin. Assad und seine Verbündeten werden weiterhin vom Westen
sanktioniert. Nahrungsmittellieferungen sind davon zwar ausgenommen – doch
der Betreiber des Hafens in Tartus nicht. Tartus liegt am Mittelmeer, etwa
320 Kilometer nordwestlich von Damaskus.
2017 einigte sich Moskau mit Assads Regierung darauf, den Pachtvertrag für
Tartus um 49 Jahre zu verlängern. Das Abkommen erlaubt Russland, dort bis
zu elf Kriegsschiffe zu stationieren. Der Hafen wird von der russischen
Firma Stroitransgaz betrieben, die dem milliardenschweren Oligarchen
Gennady Timchenko über seine Investmentfirma Volga Group gehört. Timchenko,
der Putin nahe steht, wird von der EU sanktioniert. Auf Bitte der AFP um
Stellungnahme wollte die US-amerikanische Stroitransgaz nicht antworten.
Syrien kann die Lieferungen gut gebrauchen. Nicht nur durch den Krieg, auch
durch die anhaltende Dürre, den Benzinmangel und den gestiegenen Preisen
für Dünger ist der eigene Getreideanbau zurückgegangen.
25 Aug 2022
## LINKS
[1] https://today.lorientlejour.com/article/1305529/long-queues-outside-of-bake…
[2] https://www.google.com/maps/place/Reniysʹkyy+Mors&%23x2b9;kyy+Torhovy…
[3] https://www.fleetmon.com/
## AUTOREN
Julia Neumann
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