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# taz.de -- Kritik an Niedersachsens Sozialpolitik: „Vertafelung der Gesellsc…
> Niedersachsen möchte Tafeln stärker unterstützen. Die
> Landesarmutskonferenz kritisiert, dass das Land damit seine sozialen
> Aufgaben auslagere.
Bild: Bitter nötig: Lebensmittelausgabe der Hannöverschen Tafel
Hamburg taz | Eine aktive Unterstützung in Notsituationen, ohne den Staat
aus seiner Verantwortung zu entlassen – so lautet der Anspruch der Tafeln
in Deutschland. Doch immer mehr Menschen sind auf ihre Hilfe dauerhaft
angewiesen. Die niedersächsische Landesregierung möchte die Tafeln deswegen
zukünftig stärker finanziell und infrastrukturell unterstützen. Auch eine
Werbekampagne ist im Gespräch, um ehrenamtliche Mitarbeiter*innen zu
gewinnen.
„Insgesamt wird das Hilfsprogramm der Landesregierung dazu beitragen, die
Situation armutsbetroffener Menschen in Niedersachsen wenigstens etwas zu
entspannen“, sagt Uwe Lampe, Vorsitzender des Landesverbandees der Tafeln
in Niedersachsen und Bremen. Der Verband war an der Erarbeitung der Pläne
beteiligt. Zentral ist laut Lampe insbesondere die Absicht, Logistikzentren
für die Tafeln einzurichten. Diese sollen die Verteilung von Lebensmitteln
erleichtern. Wo genau sie gebaut werden, ist derzeit noch in Planung.
Anbieten würden sich laut Lampe Standorte in Bremen, der Region Hannover
und in Nordwestniedersachsen.
Den Plänen vorausgegangen war eine Initiative des niedersächsischen
Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD). Unter Führung der Ministerien waren
Wirtschaftsverbände, Kirchen, Gewerkschaften, Energieversorger und
Sozialverbände sowie die Kommunen aufgefordert, Vorschläge für den Umgang
mit den kommenden sozialen Herausforderungen zu erarbeiten.
Während der Landesverband der Tafeln auf eine Ausweitung und Verstetigung
der finanziellen Unterstützung hinarbeitet, warnt die Landesarmutskonferenz
Niedersachsen vor einer „Vertafelung der Gesellschaft“. Zwar sei die
finanzielle Unterstützung der Tafeln in Krisenzeiten notwendig, sagt
Klaus-Dieter Gleitze, Geschäftsführer der Landesarmutskonferenz, doch „eine
Tafel muss in einer der reichsten Gesellschaften der Welt eine Ausnahme
sein und darf nicht zum flächendeckenden Angebot der Daseinsfürsorge
werden“.
Der Staat ziehe sich zunehmend aus seiner Fürsorgepflicht für [1][Menschen
mit wenig Geld] zurück, kritisiert Gleitze. Anstatt auf ehrenamtliche
Angebote zu setzen, sollte der Staat gerechte Teilhabe ermöglichen. Konkret
fordert die Landesarmutskonferenz von der Landesregierung beispielsweise
eine Bundesratsinitiative zur Erhöhung des Regelsatzes für Hartz-IV und
Grundsicherung.
„Natürlich wären wir dankbar, wenn wir nicht systemrelevant wären“, sagt
Lampe. Doch das sei aktuell nicht absehbar. Über 100 Tafeln mit insgesamt
250 Ausgabestellen gibt es in Niedersachsen und Bremen. Aktuell arbeiten
rund 7.000 Ehrenamtliche für die Tafeln. Doch das reiche nicht aus, „um dem
[2][Ansturm] gerecht zu werden“, sagt Lampe. Er spricht in diesem
Zusammenhang von einer „dramatischen Entwicklung“. Für politische
Diskussionen habe man aktuell keine Zeit. „Wir sind diejenigen, die die
Ärmel hochkrempeln und in der sozialen Notsituation anpacken.“
Wie hoch die zusätzliche finanzielle Unterstützung der Tafeln ausfallen
soll, prüft das niedersächsische Sozialministerium noch. Sie wird auf
mehrere Jahre angelegt. Eine eventuelle Werbekampagne wäre hingegen als
einmalige Unterstützung gedacht.
Darüber hinaus kündigt das Land Niedersachsen einen [3][Nachtragshaushalt
in Höhe von 100 Millionen Euro] an, um die Kosten der sozialen Krise
abzufedern. Daraus sollen auch die geplanten Logistikzentren finanziert
werden. Wie das Geld verteilt wird, ist derzeit noch Gegenstand von
Verhandlungen. Der Landesverband der Tafeln hat einen Vorschlag vorgelegt,
laut dem für die Einrichtung der Logistikzentren 1,5 Millionen Euro
benötigt würden. Das Geld soll den Tafeln Ende des Jahres zur Verfügung
stehen.
29 Aug 2022
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## AUTOREN
Josephine von der Haar
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