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# taz.de -- Eine Floskelkritik: Ohne Ende am Ende des Tages
> Schon vor zehn Jahren wurde über das gehäufte „am Ende des Tages“
> geschrieben. Was das Wiederauftauchen einer Floskel über unsere Gegenwart
> erzählt.
Bild: AEDT nur so auszuhalten
Am Ende des Tages steht die Erkenntnis, dass alles schon viel früher
angefangen hat. Schon vor mehr als zehn Jahren schrieben wache
Kolleg:innen [1][angemessen angepisste Artikel] über das
algenblütenartige Anwachsen der Floskel „am Ende des Tages“ (AEDT). Damals
allerdings wurde die Defensivformel im Managersprech verortet, heute
schallt sie einem schon frühmorgens aus jedem zweiten Politinterview
entgegen, mit einer mümmeligen Mundgeruch verbreitenden Penetranz, dass
sich einzig der Weg zurück in Bett als Rettung vor einem trüben Tag und
seinem unvermeidlichen Ende anbietet.
Aber warum nervt die Sache so? Natürlich nicht, weil es sich, vermutlich,
um einen Amerikanismus handelt; es ist die toxische Schlaff- und
Schlappheit, die das AEDT verbreitet, die die sie Verwendenden ja gern für
sich in Anspruch nehmen können, wenn sie eben nicht wie ein
Insektenvernichtungsmittel in den Blutkreislauf auch der unschuldig
Zuhörenden einlaufen würde.
Am Endes des Tages ist nämlich immer alles wie am Anfang, alles ist
sinnlos, jede neue Idee ist am tragisch-sinnlosen Schluss nur ein Versuch,
das Unvermeidliche noch ein wenig hinauszuzögern. Am Ende des Tages ist
alles alternativlos – und da sind wir mal wieder bei Maggie Thatchers
neoliberalem Morgengebet [2][„There is no alternative“] angelangt; und da
ist es doch wieder wie am Beginn dieser kleinen Glosse: Muss es nicht
beunruhigen, wenn in unseren harten Zeiten ausgerechnet die Politik, die
nun führen müsste, zu einer Floskel aus der Managersprache greift? Oder
können wir sagen: Die Lage ist so verzweifelt-eindeutig, dass wir wirklich
keine Umwege mehr einschlagen dürfen, wenn wir uns noch retten wollen?
Aber liefern wir doch selbst mal die Alternative! Nehmen wir dazu, damit
wir nicht immer wie ostdeutsche Montagsnazis auf der Politik herumhacken,
einen schönen Satz des grundsympathischen Eintracht-Frankfurt-Präsidenten
Peter Fischer: „Wenn du einmal die Chance hast, im Supercup-Endspiel zu
spielen, gegen Real Madrid, nicht gegen die Wetterau, Real Madrid! Wenn du
dann noch da unten auf dem Platz die Auszeichnung als bester Spieler der
Europa League bekommst, vor 500 Ländern, die irgendwo gucken, und du machst
das nicht, dann merke ich doch, wie versaut das Geschäft am Ende des Tages
ist.“ Die Lösung ist am Ende ganz einfach: Einfach weglassen.
18 Aug 2022
## LINKS
[1] https://www.sueddeutsche.de/karriere/fuehrungsspitzen-jedem-manager-seine-f…
[2] /Angela-Merkels-Alternativlos-Rhetorik/!5346303
## TAGS
Floskeln
Sprache
Rhetorik
Kolumne übrigens
Schlagloch
Henningway
Schwerpunkt Angela Merkel
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