# taz.de -- Nachruf auf David Trimble: „Der Choleriker, der nie lächelte“ | |
> Der nordirische frühere protestantische Hardliner war für seine | |
> Beteiligung am Karfreitagsabkommen mit dem Friedensnobelpreis | |
> ausgezeichnet worden. | |
Bild: David Trimble, 1998 | |
DUBLIN taz | David Trimble, einer der Architekten des nordirischen | |
Friedensprozesses und ehemaliger Premierminister in Belfast, ist am Montag | |
„nach kurzer, schwerer Krankheit“ verstorben, wie seine Familie bekanntgab. | |
Er hinterlässt seine Frau Daphne sowie zwei Töchter und zwei Söhne. | |
Es gibt kaum einen nordirischen Politiker, der selbst in seiner eigenen | |
Partei so umstritten war wie David Trimble. Der Jurist, der am 15. Oktober | |
1944 in der nordirischen Hafenstadt Bangor geboren wurde, galt als | |
„Choleriker, der niemals lächelt“. | |
Er hatte nach seinem Schulabschluss Jura an der Queen’s University in | |
Belfast studiert und arbeitete dort anschließend als Dozent für | |
Rechtswissenschaften. 1973 trat er der anti-katholischen Vanguard-Partei | |
bei und schrieb für die Zeitschrift der terroristischen Ulster Volunteer | |
Force (UVF). | |
Im folgenden Jahr agierte er als Rechtsbeistand beim protestantischen | |
Generalstreik, der von paramilitärischen Verbänden organisiert worden war, | |
um die aus Protestanten und Katholiken bestehende Regionalregierung zu Fall | |
zu bringen. Als sich Vanguard 1978 auflöste, trat Trimble der Ulster | |
Unionist Party (UUP) bei. 1990 wurde er bei den Parlamentswahlen ins | |
Londoner Unterhaus gewählt und gab seinen Dozentenposten auf. | |
## Renitenter Parteichef | |
Als Trimble im September 1995 an die Spitze der UUP gewählt wurde, stöhnten | |
die Regierungen in London und Dublin auf: Er war der militanteste der fünf | |
Bewerber. | |
Im Zuge des Friedensprozesses verhandelte Trimble dennoch, wenn auch nach | |
langem Zögern, mit Sinn Féin – allerdings nur indirekt. Er sprach kein | |
einziges Wort mit Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams, die Kontakte fanden über | |
Mittelsmänner statt. Erst im September 1998, nach der ersten | |
Parlamentssitzung in Belfast, kam es zu einem direkten Gespräch. | |
Das Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998, das der Krisenprovinz relativen | |
Frieden bescherte, spaltete seine Partei: Die Mehrheit der | |
UUP-Unterhausabgeordneten war dagegen, weil es den Unionisten ihrer Meinung | |
nach zu viele Zugeständnisse abverlangte. Trimble wurde aufgrund des | |
Abkommens nordirischer Premierminister in einer Mehrparteienregierung. | |
Für seinen Einsatz erhielt er, gemeinsam mit [1][John Hume] von der | |
katholischen sozialdemokratischen SDLP, 1998 den Friedensnobelpreis. | |
Seine Partei hingegen verübelte ihm, dass er eine gemeinsame Regierung | |
unter Beteiligung von Sinn Féin, dem damaligen politischen Flügel der | |
Irisch-Republikanischen Armee (IRA), gebildet hatte. Die Versuche, ihn als | |
Parteichef abzuwählen, scheiterten jedoch knapp. | |
## Tony Blair machte ihn zum Lord | |
Erst als Trimble bei den Unterhauswahlen im Mai 2005 seinen Sitz verlor und | |
seine Partei das schlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte erzielte, | |
musste er zurücktreten. Als Trostpreis machte ihn die Labour-Regierung | |
unter Tony Blair zum Lord und schickte ihn ins Oberhaus. | |
2007 verließ Trimble die Unionistische Partei und trat den Tories bei. Sein | |
letzter öffentlicher Auftritt fand vor vier Wochen statt, als er ein | |
Porträt von sich, gemalt von Colin Davidson, an der Queen’s University | |
enthüllte. | |
26 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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