# taz.de -- Seniorenwohnhaus der Deutsche Wohnen: Offene Tür bei Deutsche Wohn… | |
> Ein Seniorenwohnhaus der Deutsche Wohnen wehrt sich gegen | |
> Verwahrlosungstendenzen. Mieter*innen haben Angst und fordern einen | |
> Pförtner. | |
Bild: Mieter*innen des Seniorenwohnhauses Köpenickerstraße | |
BERLIN taz | In unmittelbarer Nähe zum Schlesischen Tor ragt ein Neubau aus | |
dem Boden. Wenn man vor dem Seniorenwohnhaus in der Köpenicker Straße | |
steht, fällt zunächst die offene Tür auf. Dann erst nimmt man die große | |
Glasfassade wahr und kann erahnen, dass dieses Haus etwas Besonderes hat. | |
Das Seniorenwohnhaus ist von dem Architekten Otto Streidle entworfen worden | |
und gewann 1982 einen Wettbewerb wegen seiner städtebaulichen | |
Besonderheiten. Der Architekt schuf gleitende Übergänge zwischen | |
Altsubstanz, Baulücken aus Kriegszeiten und Neubau. Er plante einen | |
Lichthof und barrierearmes Wohnen. „Ich bin damals extra wegen dieser | |
besonderen Architektur hergezogen“, sagt Evelyn Grau, Mieterin und selbst | |
Architektin. | |
Insbesondere das begrünte Atrium mit Wasserläufen und Teich war eine kleine | |
Oase für die Bewohner*innen. Die Betonung liegt auf dem Wort: war. | |
Seit einem Jahr ist der Ausnahmezustand die Normalität in dem Objekt. Die | |
Begrünung wurde laut Mieter*innen teilweise zerstört, die Hausreinigung | |
findet unregelmäßig statt. Die Haustür lasse sich wiederholt nicht | |
schließen und auch die Automatik funktioniere fast nie. Das habe bereits | |
zur Folge gehabt, dass einige Menschen das Haus nicht verlassen konnten, | |
weil sie im Rollstuhl sitzen. Die offene Tür ist also nicht Ausdruck | |
besonderer Gastfreundschaft, sondern für manche Bewohner*innen die | |
einzige Möglichkeit, sich frei zu bewegen. | |
## Missstände seit einem Jahr | |
Einige rüstige Rentner*innen des Hauses taten sich wegen dieser | |
Missstände vor einem knappen Jahr zusammen und vertreten nun die Interessen | |
der 52 Mietparteien. Sie waren und sind entschlossen, diese Zustände nicht | |
hinzunehmen und für ihr Recht auf ein sicheres und ruhiges Wohnen zu | |
kämpfen. Sie nahmen Kontakt zur Landesbeauftragten für Behinderte, zum | |
Mieterverein, zur Wohnungsaufsicht auf und auch immer wieder zur Deutsche | |
Wohnen, der Vermieterin des Objekts. Bis lang ohne nachhaltigen Erfolg. | |
Stattdessen, so die Schilderung der Hausbewohner*innen, gingen Fremde in | |
dem Gebäude ein und aus. Sie konsumierten Drogen im Treppenhaus, | |
hinterließen dort ihren Müll und seien gewaltbereit. Etliche der Pflanzen, | |
mit denen das Haus berankt ist, seien heruntergerissen worden und | |
vertrocknet. Der Autor hat sich von dem trostlosen Anblick ein Bild | |
gemacht. | |
Die meist älteren Menschen leben seither in Angst. Evelyn Grau beschreibt, | |
dass sie sich kaum noch traut in den Keller zu gehen, weil dort jemand | |
sitzen könnte. Zudem sei es ihr peinlich, Besuch zu empfangen, weil es im | |
Haus aussehe „wie auf Alcatraz“ – gemeint ist die frühere Gefängnisinse… | |
der Bucht von San Francisco. Die Stahlgerüste ohne Begrünung und der | |
Turnschuh, der im trüben Teichwasser schwimmt, geben ihr Recht. | |
Der Mieter Günther Elbel erzählt, dass er von den Eindringlingen sogar | |
schon bedroht worden sei. Man wisse nie, wer im Gebäude hinter der nächsten | |
Ecke steht, sagt er. „Ich habe Angst, angegriffen zu werden.“ Trotz | |
mehrfacher Aufforderung bei der Kundenbetreuerin der Deutsche Wohnen sei | |
keine nachhaltige Beseitigung des Problems erfolgt, oft habe man nicht | |
einmal eine Antwort bekommen. Auch ein offener Brief von Teilen der | |
Mieterschaft, in dem dezidiert auf die Mängel aufmerksam gemacht wurde, | |
habe keine Besserung bewirkt. | |
Das börsennotierte Wohnungsunternehmen, das der Vonovia gehört, bestätigt | |
die Probleme auf Anfrage der taz. Es gebe Beschwerden über die | |
Schließbarkeit der Haustür, wodurch sich Personen unberechtigt im Haus | |
aufhielten. Schon mehrfach habe die Polizei fremde Menschen des Hauses | |
verweisen müssen. | |
## Sicherheitsdienst eingesetzt | |
Allerdings sieht sich die Deutsche Wohnen weitgehend handlungsunfähig: | |
„Instandsetzungsarbeiten werden regelmäßig beauftragt und durchgeführt“,… | |
die Unternehmenskommunikation in einer E-Mail auf taz-Anfrage. Jedoch | |
handelt es sich um wiederkehrende Vandalismusschäden. Aufgrund der Lage des | |
Wohnhauses „ist leider auch weiterhin mit regelmäßigen Beschädigungen zu | |
rechnen“. Zur Verbesserung der Situation sei ein Sicherheitsdienst | |
eingesetzt worden, der das Objekt „regelmäßig bestreift“. | |
Dieser Sicherheitsdienst, das bestätigen die Mieter*innen, ist täglich | |
um 18 Uhr sowie um 2 Uhr im Objekt und auch für die Mieter*innen | |
telefonisch erreichbar. Im Ergebnis habe sich an der Situation jedoch | |
nichts geändert, sagte Sylvia Beaury, Sprecherin der Mieter*innen, am | |
Montag zur taz. | |
Auch zwei Einbrüche in dem Haus im Laufe der Zeit wurden bei der Polizei | |
zur Anzeige gebracht. Auch sie werden von Mieter*innen auf die offen | |
stehende Tür zurückgeführt. Daniel Bothe von der bezirklichen | |
Wohnungsaufsicht sagt, es sei eine „Anordnung“ in Arbeit, die den Vermieter | |
zur Sicherung der Haustür verpflichten soll. Grundsätzlich sieht aber auch | |
er das Problem eher im Vandalismus. Es brächte nichts, die Tür zu | |
reparieren, weil sie ohnehin zwei Tage später wieder aufgebrochen würde. | |
Bothes Vorschlag ist daher, einen Pförtner einzusetzen, der regelmäßig vor | |
Ort ist. Mittlerweile habe es etwa zehn Versuche gegeben, die Tür zu | |
reparieren – mit kurzfristigem Erfolg. | |
Diesen Vorschlag lehnt die Deutsche Wohnen allerdings aus Kostengründen ab. | |
Die Tür mit einem Pförtner zu besetzen sei „wirtschaftlich nicht | |
vertretbar“ und „daher keine Option,“ schrieb die Unternehmenskommunikati… | |
der taz Anfang Juli. | |
Mieter*innen- Sprecherin Beaury hingegen kann sich vorstellen, dass fast | |
alle im Haus bereit sind, höhere Nebenkosten zu zahlen, wenn dadurch | |
endlich Ruhe ins Haus käme. Denn: Seit einem Jahr ist aus einem | |
Erholungsgebiet ein kahler Wohnort mit Verwahrlosungstendenzen und Gestank | |
geworden. Die Deutsche Wohnen bereite den Mieter*innen zusätzliche | |
Schwierigkeiten, indem sie schlecht erreichbar sei und die Probleme „nicht | |
ernst“ nehme. | |
Wiebke Werner vom Berliner Mieterverein verweist auf die | |
Mangelbeseitigungspflicht seitens der Vermieterin. Die Deutsche Wohnen | |
könne nicht behaupten, dass die Mangelbeseitigung nicht zu gewährleisten | |
sei. „Die Anspruchsgrundlage ist der Mietvertrag, und somit müsste von | |
jedem einzelnen Mietverhältnis die Instandsetzungspflicht eingeklagt | |
werden“, erklärt Wiebke Werner. „Wenn der Aufforderung nicht nachgekommen | |
wird, kann zunächst die Miete unter Vorbehalt gemindert werden, und als | |
letzter Schritt kann eine Klage durch die Mieter*innen erfolgen“. | |
Kurz nachdem die taz um Stellungnahme bei dem Wohnungsunternehmen gebeten | |
hatte, fand laut Mieter*innen erstmals eine Hausbegehung durch | |
Techniker*Innen und die Kundenbetreuerin der Deutsche Wohnen statt. Das | |
war am 29. Juni 2022. Es werde geprüft und mit „den Gewerken gesprochen“, | |
wie man das Objekt nachhaltig sichern und besser pflegen könne, so die | |
Deutsche Wohnen. | |
Mieter*innen- Sprecherin Beaury am 1. August zur taz: Haustür offen, | |
Automatik defekt. | |
2 Aug 2022 | |
## AUTOREN | |
Sean-Elias Ansa | |
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