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# taz.de -- Bilanz der Frauenfußball-EM: Rausch und Reisezeit
> Was bleibt von der Fußball-EM? Nach dem Finale und einem insgesamt
> geglückten Turnier hofft man beim DFB auf nachhaltige Effekte.
Bild: Amazing Grace: Englands Rachel Daly genießt das Glück des Augenblicks
Ständig war in den letzten Wochen bei Engländerinnen und Deutschen von
diesem EM-Finale im Wembley-Stadion die Rede gewesen. Aber als die Partie
vor der Rekordkulisse von 87.192 Zuschauer:innen gespielt war, die
siegreichen Engländerinnen sich nur noch durch silberne Glitterfäden
grätschten und sich vom Publikum feiern ließen, verloren sich nur die
unterlegenen Deutschen anfangs noch in den Details dieser aufreibenden 120
Minuten.
Die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg musste sich zuerst einmal an
dem Handspiel von Leah Williamson in der ersten Hälfte abarbeiten, welches
auch das Videoschiedsrichterteam trotz ihres ausgestreckten Armes für
unbedenklich hielt. „Das ist im Nachhinein auf so einem Niveau bei einem so
engen Spiel schon schwierig, damit umzugehen“, bekannte die 54-Jährige.
Wie bereits gegen Spanien im Viertelfinale profitierten die Gastgeberinnen
von der fragwürdigen Zurückhaltung der Unparteiischen vor den Bildschirmen.
Aber nachdem sich Voss-Tecklenburg ihren Unmut von der Seele geredet hatte,
gratulierte sie den Engländerinnen zum „verdienten“ Titel.
Geschichten boten [1][diese zwei intensiven Fußballstunden] genug. Beim
englischen Team hätte man wieder die mannigfaltigen Möglichkeiten auf der
Ersatzbank rekapitulieren können, die sich im Vergleich zum deutschen Kader
als schlagkräftiger erwiesen. Die eingewechselte Stürmerin Chloe Kelly
erzielte in der Verlängerung das entscheidende 2:1.
## Vermächtnis für die Zukunft
Nach der wichtigsten Partie dieses Turniers fiel auf, dass es gerade an
diesem Abend gar nicht so sehr um das Spiel und die Gegenwart ging. Die
Macht des Spiels wird bei den Frauen an dessen Vermächtnis gemessen. So
sprachen diverse Protagonisten an diesem Abend in Wembley also davon, was
dieses Finale, dieses Turnier in England für die Zukunft bedeuten könnte.
Keira Walsh, von der Uefa zur Spielerin des Spiels gekürt, erklärte:
„Wichtig ist, dass wir junge Mädchen inspirieren, Fußball zu spielen und
dass sie sich gut damit fühlen.“ Ihre Trainerin Sarina Wiegman brachte ihre
Hoffnung zum Ausdruck, dass dieses Turnier nicht nur den Fußball der
Frauen, sondern auch die Gesellschaft in England, Europa und der Welt
verändern werde: „Wir wollen unser Spiel gewinnen, aber durch den Fußball
können wir für kleine Veränderungen in der Gesellschaft sorgen.“ Wiegman,
die bereits 2017 in ihrer Heimat mit den Niederlanden den EM-Titel gewann,
hatte damals in Enschede nach dem Finale Ähnliches angesprochen.
Man könnte sich in einer Zeitschleife wähnen, wobei der Fußball, dafür
stand schon das ausverkaufte Wembley-Stadion, bei diesem Turnier auf ein
neues Niveau gehoben wurden. Das spiegelte sich auch nach der Partie bei
den Deutschen wider. „Alle vier Politiker, die in der Kabine waren, haben
uns einfach noch mal versucht kundzutun, wie stolz man in Deutschland ist“,
erzählte Voss-Tecklenburg. [2][Wer da genau neben dem Bundeskanzler seine
Reverenz erwiesen hatte], konnte man von DFB-Seite an dem Abend nicht genau
bestimmen. Namentlich hob die Bundestrainerin also Olaf Scholz hervor, der
Gespräche und Hilfe angeboten habe, um „jetzt auch Nachhaltigkeit aus dem
Turnier mitzunehmen“, wie sie formulierte.
Es bedarf schon des maximalen Erfolgs und der Scheinwerfer der
Öffentlichkeit, um von politischer Seite als förderungswürdig anerkannt zu
werden. Wäre das DFB-Team bei dieser EM bereits in seiner starken
Vorrundengruppe gescheitert, hätte es die notwendige Zuwendung wohl kaum
bekommen. Gut zu sein, ist für die Fußballerinnen eine Grundvoraussetzung
dafür, um im Gespräch zu sein. Das konnte man im Wembley-Stadion gut
beobachten.
Auf dem Höhepunkt des Turniers wurde fast mehr über den gesellschaftlichen
Auftrag als über den Fußball sinniert. Das Wort zum Sonntag sprach dann
Martina Voss-Tecklenburg. „Das war ja gefühlt eine Reise, ein Rausch. Es
wäre wirklich sehr, sehr, sehr schade, wenn die Reise, die wir hier
gegangen sind, nicht auch dazu führt, dass viele andere auf so eine Reise
mitgenommen werden.“
Man müsse den Weg in die Gesellschaft finden für einen respektvollen und
solidarischen Umgang miteinander, bei dem Frauen als starke Personen
anerkannt werden. Das Team habe mit seiner Art und sozialen Kompetenz
einiges angeschoben: „Wir haben ein Statement gesetzt. Damit wollen wir uns
jetzt nicht zufriedengeben, sondern wir werden hartnäckig bleiben.“
Joti Chatzialexiou, Leiter der Nationalmannschaften beim DFB, sagte in
London, der Verband und die Vereine müssten nun den Hype, den man erzeugt
habe, mit bereits angestoßenen Projekten in den Alltag tragen. Bereits in
einem Jahr findet die Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland statt.
Ein guter Zeitpunkt, um die nächste Bilanz zu ziehen, [3][was sich bis
dahin beim DFB und im Bundeskanzleramt getan hat].
1 Aug 2022
## LINKS
[1] /England-gewinnt-Fussball-EM/!5871288
[2] https://www.dfb.de/news/detail/dfb-frauen-waren-beim-bundeskanzler-zum-gril…
[3] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/bundeskanzlerin-und-b…
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Fußball-EM der Frauen 2022
England
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Kolumne Insel
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