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# taz.de -- Die Wahrheit: Wettwaten mit Drittwade
> Das lebende Bein. Eine Fortsetzungsgeschichte der etwas anderen Art (Teil
> 3). Heute: Der Geheimagent Baxter sucht verdammt noch mal nach Antworten
> …
Bild: War es nun das falsche oder das richtige lebende Bein?
Was bisher geschah: Bei Baxter, einem Ex-Geheimdienstler mit Goldfisch,
taucht nach 35 Jahren Joane wieder auf, seine alte Liebe. Im Gepäck hat sie
eine knifflige, ja blutrünstige Frage: „Was hat es mit dem lebenden Bein
auf sich?“ Mörderisch spannende Nachforschungen nehmen ihren Lauf …
„Pronto!“, tschilpte es fuchsteufelswild aus dem Hörer, während Ex-Agent
Baxter im Hintergrund die Gondolieri der Lagunenstadt farbenprächtig
fluchen hörte. José mochte kaum größer als eine Drossel sein, doch nicht
nur im Ring war der Zierboxer ein echter Angstgegner – auch am Telefon
konnte der falsche Venezianer unausstehlich sein.
„Pronto!“, kreissägte José Eusebio Caramance y Sirloin schon wieder.
Entweder hatte es Baxters alter Sparringspartner verdammt eilig oder noch
immer kein weiteres italienisches Wort gelernt. In diesem Fall dürfte seine
Tarnexistenz als Doge für gewisse Stunden allerdings löchrig geworden sein.
„Das Warzenschwein kehrt dem Basar den Rücken“, kassiberte Baxter die
verabredete Nachricht, doch der kubanische Zierboxer, den Baxter damals
eigenhändig vom Kommunisteneiland extrahiert hatte, schien das konspirative
Handwerk vollends verlernt zu haben.
„Pronto!“, kiekste er nun so schrill, dass sich das Bakelit von Baxters
altem Fernsprecher bog. Entnervt legte Baxter auf. José war ihm keine Hilfe
auf der Suche nach dem lebenden Bein, ganz wie Tante Trude vorausgesehen
hatte.
## Zimtschnecken mit Schlehenlikör
„Hab ich dir ja gleich gesagt, Junge“, klärte ihn die gewiefte Analystin
auf, als sie bei Zimtschnecken und ausgewählten Schlehenlikören in ihrem
Bunkerversteck beisammen saßen. An den Wänden blinkten Bildschirme, auf
denen die Muhme das Weltgeschehen, die Zirkowiaks von Gegenüber, aber vor
allem ihren Neffen im Auge zu behalten pflegte. Dass Baxters alte Liebe
Joane wieder aufgetaucht war, war Trude natürlich nicht entgangen. Davon
kündeten abgetippte Abhörprotokolle und an eine Pinnwand geheftete Fotos,
die Joane und Baxter bei intimen Verrichtungen wie einer Partie Halma
zeigten. Sogar in den Krefelder Kurpark war Trude den beiden gefolgt.
„Der Fotograf im Hasenkostüm …“, ahnte Baxter. „… der war ich“, ki…
Trude und legte zum Beweis einen Schnappschuss vor, der Joane und Baxter
auf der Zielgeraden der Kneippanlage zeigte. Baxter sah sich mit kniehoch
gekrempelter Hose ins Finish waten, doch war ihm Joane im geschürzten
Chiffonkleid um eine Nasenlänge voraus. Eine Menschenmenge hatte sich um
die beiden Wettwatenden gebildet. Ein derart spannendes Duell war in dem
gemauerten Wasserbecken nicht mehr ausgetragen worden, seit der
Kneippzirkus mit seinen Stars, Sternchen und Buchmachern aus steuerlichen
Gründen nach Bad Ems weitergezogen war.
Obwohl Baxter die Jugendkneippiade 1994 in Bad Bramstedt für sich
entschieden hatte und noch heute Wasser in einer Altherrenmannschaft trat,
war Joane an jenem Nachmittag im Kurpark an ihm vorbeigezogen. Sie musste
ihre Beinarbeit optimiert haben, seit sich die beiden vor 35 Jahren in der
altehrwürdigen Wassertretstelle von Bad Oldeslohe, dem Angkor Wat des
Watsports, kennengelernt hatten, vermutete Baxter und bewunderte ihre
muskulösen Waden. Baxter zählte drei Stück, die unter dem angehobenen
Rocksaum hervorlugten. Das war sogar für Kneipp-Profis ungewöhnlich, zumal
er Joane ausgesprochen zweiwadig in Erinnerung hatte. Die dritte war stark
behaart und grinste Baxter impertinent an.
## Von Tanger bis Wladiwostok
„Das lebende Bein!“, entfuhr es ihm, offenbar hatte es mit Joane die ganze
Zeit unter einem Rock gesteckt. „Ganz recht“, bestätigte die investigative
Trude. Baxter erschauerte. Das lebende Bein war stets in ihrer Nähe
gewesen, während die Sichtungen von San Diego bis Xanten allesamt fingiert
gewesen waren. Mittlerweile meldeten die Presseorgane fast stündlich
herrenlose Beine, die von Tanger bis Wladiwostok allein durch die Gegend
spazierten. Irgendjemand wollte, dass Baxter all diesen falschen Hinweisen
nachjagte, um ihn vom allzu Offensichtlichen abzulenken.
„Hab ich dir ja gleich gesagt, Junge. Deine Joane macht gemeinsame Sache
mit Extremitätisten!“, schimpfte Trude, die reichlich Schlehe getankt
hatte. „Schlag dir diese Frau aus dem Kopf!“
Kaum dass die renitente Tante eingeschlafen war, verließ Baxter den
geheimen Unterschlupf, von dem oberirdisch nichts als ein gewaltiger
künstlicher Vulkan im Neubauviertel kündete. Auf dem nächstgelegenen Hügel
warf er sein altes Feldtelefon an, richtete die Antenne aus, wählte Joanes
Nummer und presste den schweren Hörer aus naturbelassenem Bakelit an sein
Ohr.
„Pronto!“, meldete sich zu Baxters Entsetzen eine vertraut misstönende
Stimme …
26 Jul 2022
## AUTOREN
Christian Bartel
## TAGS
Thriller
Agenten
Schurken
Kriminalroman
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse 2024
Kolumne Die Wahrheit
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