| # taz.de -- Flucht in spanische Exklave: Prozess nach Ansturm auf Melilla | |
| > In Marokko stehen 33 Menschen vor Gericht. Sie und Hunderte andere hatten | |
| > versucht, den Grenzzaun zur Exklave Melilla zu überwinden. | |
| Bild: Andrang am Grenzzaun: Bis zu 2.000 Menschen wollten am 24. Juni nach Span… | |
| Madrid taz | In der nordmarokkanischen Stadt Nador hat am Montag ein erstes | |
| Verfahren gegen 33 Menschen begonnen, die am 24. Juni versucht hatten, den | |
| [1][Grenzzaun zur spanischen Exklave Melilla] zu überwinden. Den | |
| Angeklagten, von denen 29 aus dem Sudan und 4 aus dem Tschad stammen, wird | |
| vom erstinstanzlichen Gericht vorgeworfen „die klandestine Ein- und | |
| Ausreise von Ausländern nach und aus Marokko begünstigt und organisiert“ zu | |
| haben. Außerdem werden ihnen „Gewalt und Beleidigungen“ gegen marokkanische | |
| Grenzschützer sowie ein „bewaffneter Menschenauflauf“ vorgeworfen. Die | |
| Eröffnung des Verfahrens war mehrmals verschoben worden. | |
| Die Anklage bezieht sich auf den frühen Morgen des 24. Juni, als zwischen | |
| 1.500 und 2.000 Flüchtlinge aus Subsahara-Afrika die Grenze zum spanischen | |
| Melilla stürmten. Dabei kamen laut marokkanischen Behörden [2][27 | |
| Flüchtlinge ums Leben]. Menschenrechtsorganisationen aus Spanien und | |
| Marokko sprechen gar von 37. Insgesamt sollen 140 Beamte und 76 Migranten | |
| Verletzungen erlitten haben. | |
| Neben den Angeklagten wurden 32 weitere Personen festgenommen. 28 von ihnen | |
| wirft die Staatsanwaltschaft vor, „die Ein- und Ausreise von Menschen“ | |
| sogar „regelmäßig organisiert“ zu haben. Damit ist es kein einmaliger | |
| Gesetzesverstoß, sondern erfüllt den Straftatbestand des Menschenhandels. | |
| Außerdem wird ihnen Brandstiftung und Geiselnahme vorgeworfen. Sie sollen | |
| einen marokkanischen Polizisten entführt und in einer Elendssiedlung im | |
| Wald Feuer gelegt haben. Die Eröffnung ihres Verfahrens wurde auf den 27. | |
| Juli verschoben. | |
| In den Ermittlungsakten, zu denen die spanische Nachrichtenagentur EFE | |
| Zugang hatte, steht, dass einige Angeklagte bereits ein Geständnis abgelegt | |
| haben. Die Verteidiger erklärten allerdings gegenüber EFE, dass diese | |
| Aussagen zurückgezogen worden seien. | |
| ## Tränengas und Pushbacks an der Grenze | |
| Was in jenen frühen Morgenstunden im Juni tatsächlich geschah, ist bis | |
| heute nicht aufgeklärt. Offizielle Untersuchungen gibt es keine, weder auf | |
| spanischer noch auf marokkanischer Seite. Die marokkanischen Behörden | |
| verscharrten die Opfer umgehend in Massengräbern. | |
| Die Sektion der Marokkanischen Menschenrechtsvereinigung (AMDH) in Nador | |
| veröffentlicht seit dem 24. Juni immer mehr Videos und Fotos, die zeigen, | |
| wie die Polizei auf beiden Seiten gegen die Flüchtlinge vorging. Auf einem | |
| Foto sind Dutzende Verletzte und vermutlich auch Tote zu sehen, die | |
| stundenlang von der Polizei umstellt am Boden liegen. Videos zeigen, wie | |
| die spanischen Beamten Tränengas verschossen und Flüchtlinge, die es über | |
| den dreifachen Zaun geschafft hatten, sofort wieder durch Türen in der | |
| Grenzanlage abschoben. | |
| Auf der anderen Seite wurden sie von der marokkanischen Gendarmerie alles | |
| andere als freundlich empfangen. Solche Blitzabschiebungen, [3][sogenannte | |
| Pushbacks], sind nach internationalem Recht illegal, weil den Betroffenen | |
| die Möglichkeit eingeräumt werden muss, Asyl zu beantragen. | |
| Trotz der schweren Vorwürfe durch Menschenrechtsorganisationen lobten | |
| sowohl die Regierung in Rabat als auch die Linkskoalition in Madrid den | |
| Einsatz der Polizei beider Länder. Der spanische Regierungschef Pedro | |
| Sánchez erklärte, die Grenzschützer hätten „eine außerordentliche Arbeit… | |
| geleistet, um „einen gewaltsamen Angriff auf die Integrität unseres Landes, | |
| der von der Menschenhändlermafia organisiert wurde“, abzuwehren. Auch in | |
| Marokko ist immer wieder von einer Mafia die Rede. Die Flüchtlinge würden | |
| vom Nachbarn Algerien nach Marokko eingeschleust, lautet einer der | |
| Vorwürfe. | |
| 19 Jul 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Grenze-zwischen-Spanien-und-Marokko/!5863326 | |
| [2] /Fluechtlinge-an-der-Grenze-von-Melilla-getoetet/!5860878 | |
| [3] /Flucht-nach-Europa/!5861114 | |
| ## AUTOREN | |
| Reiner Wandler | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Spanien | |
| Melilla | |
| Marokko | |
| Flüchtlinge | |
| Litauen | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Flucht nach Europa: Seehofers langer Schatten über Europa | |
| In der EU ankommende Asylsuchende sollen in Lagern landen und als „nicht | |
| eingereist“ gelten. Europas rechte Flüchtlingspolitik wird zum Mainstream. | |
| Urteil des EuGH: Litauen verstößt gegen EU-Asylrecht | |
| Laut Luxemburger Gericht hätte das baltische Land Asylsuchende nicht | |
| verhaften dürfen. Es hatte mit der Regelung auf den Zustrom aus Belarus | |
| reagiert. | |
| Flucht nach Europa: Atemberaubender moralischer Verfall | |
| Griechenland praktiziert brutale und illegale Pushbacks gegen | |
| Migrant:innen. Eine Recherche zeigt: Dafür werden auch Flüchtlinge in | |
| Dienst genommen. |