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# taz.de -- Hitze, Städte und Politik: Olaf, lass doch Schatten regnen
> Abkühlung ist derzeit dringend nötig – aber das ist in den Städten
> schwierig. Sogar die Museen und andere Kulturorte sind gerade ziemlich
> erhitzt.
Bild: Es gibt sie, die Schattenspenderkampagne des Umweltbundesamts
Es ist Sommer. Was früher noch eine Verheißung auf Biergarten, Balkon und
Baden war, ist heute nur noch heiß. Damals konnten manche sich mit viel
Mühe noch einreden, die Welt sei in Ordnung. Ich fand Sommer schon damals
eine Zumutung und war das anstrengende Kind, das immer lieber im Schatten
spielen wollte.
Aber weil ich in den vergangenen Wochen erlebt habe, dass Träume, zumindest
im Kleinen, Privaten, nicht immer Träume bleiben müssen, träume ich mal.
Vielleicht kommt ja Olaf Scholz auf seiner [1][Sommertournee aka
Bürgergespräche] auch bei mir vorbei. Dann würde ich mir wünschen, dass
jedes Auto, das jeden Straßenrand zuparkt, durch einen Baum ersetzt wird.
Bäm, schon hätten wir Schatten, weniger versiegelte Böden.
Klar, Bäume zu pflanzen ist nicht Scholz’ Ressort, er hat außerdem wahrlich
genug am Hacken. Nicht mal das Twittern klappt. Da hat Scholz mal etwas
Utopie gewagt und gleiche Bezahlung für die deutschen
Fußballnationalspielerinnen gefordert. Ein Sakrileg offenbar. Wer sich
mit dem DFB anlegt, braucht’s bei der Autolobby in Deutschland gar nicht
erst versuchen. Olaf Scholz hat, so wird nicht erst jetzt getan, das Spiel
nicht kapiert.
Das macht ihn mir sympathisch, ich verstehe es ja auch meistens nicht: Klar
gibt es tausend gute Gründe, warum das mit den 50 Millionen Bäumen (so
viele Pkws gibt’s in Deutschland) nicht geht. Aber es gibt mindestens 2.000
gute Gründe, warum es gehen sollte.
## Utopie ist machbar
Umweltministerin Steffi Lemke ist übrigens ganz bei mir. Es gibt sie, die
[2][Schattenspenderkampagne] des Umweltbundesamts. Sie ist Teil größerer
Klimaanpassungsmaßnahmen, die aber wohl erst mal nur sensible Gruppen, etwa
in Kitas und Krankenhäusern, ins Auge fassen. Schon okay, die Verletzten
und Verletzlichen haben immer Vorrang, aber wie gesagt, Schritte in
Richtung Utopie sind möglich, sicher auch für die Bundesregierung.
Schon klar, die Hitze hier ist – wie mein Vater sagen würde – ein
Luxusproblem. Mein Vater ist in der DDR aufgewachsen, da gab’s nichts,
nicht nur keine Nazis, auch keine Umweltzerstörung. Aber er hat natürlich
trotzdem recht, in sehr weiten Teilen der Welt herrschen Dürre, Hunger,
Krieg; wie vieles andere bekommen wir auch den Klimawandel nur in der
ausgepolsterten Variante mit. Trotzdem, Städte sind Hitzetreiber.
Abkühlung im Fluss geht in den meisten Städten nicht, weil zu dreckig, die
umliegenden Seen kochen bald über. Bliebe als schattiger, kühler Ort noch
das Museum, aber auch da geht’s diesen Sommer hitzig zu.
## Zeitgenössischer Eiertanz
„Aufklärung dringend nötig“, heißt es derzeit in Sachen documenta 15. We…
dieser Satz mehr als dreimal zu einem Thema die Schlagzeile ist, kann man
sicher sein, dass es keine Aufklärung geben wird. Nicht weil es zu mühsam
oder die Realitäten zu komplex wären, sondern aus Bammel. Weil es
unangenehm würde. Manchmal hieße Aufklärung einfach, zu sagen, was ist. Zum
Beispiel, dass bei der diesmaligen Kunstausstellung in Kassel durchaus
[3][antisemitische Kunst zu sehen war].
Statt Aufklärung wird also weiter ein zeitgenössischer Eiertanz aufgeführt,
dessen Ziel es ist, niemandem auf die Füße zu treten – weder natürlich den
Juden noch den Künstlern und Kuratoren des Globalen Südens. Mag sein, dass
in der Wahrnehmung der Letzteren Antisemitismus weniger Raum einnimmt als
in der in Europa und insbesondere Deutschland, was aber ja nicht heißt,
dass Juden bei ihnen weniger Schutz vor Diskriminierung zusteht.
Ich würde sagen: Es ist in Ordnung, wenn dort das Thema nicht so zentral
auf der inneren Landkarte ist – so, wie es okay ist, dass andere,
spezifische Diskriminierungsformen bei uns noch nicht so viel Raum im
Denken einnehmen. Wir könnten so voneinander lernen und unsere inneren
Landkarten verfeinern.
Also, liebe Kulturfuzzis und Beauftragte, sprecht es aus: Ja, zumindest
dieses Banner war antisemitisch. Deshalb müssen wir uns nicht alle hassen,
sondern – angemessen verstört – lernen und weitermachen. Mit vielen anderen
Zumutungen gehen wir auch um, statt uns im Schatten zu verstecken.
17 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.deutschlandfunk.de/scholz-im-buerger-innen-dialog-in-luebeck-dl…
[2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimafolgen-anpassung/a…
[3] /Aufarbeitung-des-documenta-Skandals/!5863721
## AUTOREN
Ariane Lemme
## TAGS
Kolumne Der rote Faden
Rekordhitze
Klima
Lesestück Recherche und Reportage
Documenta
Inflation
Schwerpunkt Klimawandel
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