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# taz.de -- Krise bei Windindustrie: Rückbau mit Sprengstoff
> Die deutsche Windindustrie baut zunehmend Stellen ab. Ein Grund dafür ist
> die maue Nachfrage hierzulande.
Bild: Über das Rotorblattwerk des Windkraftanlagen-Herstellers Nordex ziehen d…
Berlin taz | Dieses Windrad hat noch keine einzige Kilowattstunde Strom ins
Netz eingespeist: Vor fast einem Jahr war im Windpark Görzig Ost,
Ostbrandenburg, die über 200 Meter hohe Anlage fertiggestellt worden, jetzt
wird der Turm gesprengt. „Der Rückbau ist erforderlich, da der Betonturm
Mängel aufweist“, [1][teilte die Betreiberfirma Trianel mit].
Die Sprengung ist kein Einzelfall: Aktuell 22 baugleiche Windräder sollen
auf diese Weise „zurückgebaut“ werden. In Haltern, Nordrhein-Westfalen, war
im September vergangenen Jahres eine Windkraftanlage vom Typ N149 in sich
zusammengebrochen. Hersteller Nordex nahm daraufhin sämtliche baugleichen
Anlagen in Deutschland außer Betrieb, mit überschlägig 100 Megawatt
Leistung. Die Unfallursache ist noch nicht geklärt, der
Untersuchungsbericht steht aus.
Das ist nicht das einzige Problem, mit der der Rostocker [2][Windbauer
Nordex kämpft]: Ein Hackerangriff legte im Mai die Systeme lahm, Nordex
konnte seinen Quartalsbericht nicht fristgerecht veröffentlichen und flog
aus SDAX und TecDAX. Zudem fiel der Bericht dann verheerend aus, rund 90
Millionen Euro Minus vermeldete das Unternehmen im ersten Quartal,
geringere Installationen, Lieferengpässe sowie weiter steigende Logistik-
und Rohstoffkosten nannte Nordex als Grund. Um die Kosten in den Griff zu
bekommen, schloss Nordex Ende Juni sein Werk für Rotorblätter am Standort
Rostock, 600 Menschen verloren ihren Job.
Auch andere Windradhersteller kämpfen mit Problemen. Vestas hat Ende Juni
sein Rotorblattwerk in Lauchhammer geschlossen, dort gingen 460
Arbeitsplätze verloren. Im ersten Vierteljahr wies der dänische Konzern
einen Betriebsverlust von 329 Millionen Euro aus. Konkurrent Enercon, einer
der größten deutschen Windradbauer, muss mit 500 Millionen Euro Staatshilfe
gestützt werden, das Geld kommt aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds der
Bundesregierung.
Enercon hatte seine Produktionsanlagen in Aurich und Magdeburg schon in den
vergangenen Jahren geschlossen, 3.000 Stellen gingen verloren. Produziert
wird jetzt in Portugal, der Türkei und Asien. In den vergangenen zehn
Jahren wurden laut Schätzungen 60.000 Stellen in der deutschen
Windindustrie ins Ausland verlagert.
## Ausbauzahlen so niedrig wie noch nie
Die aktuellen Ausbauzahlen in Deutschland sind so niedrig wie nie zuvor
seit Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Im ersten Halbjahr
gingen 230 neue Anlagen ans Netz, im Vorjahreszeitraum waren es noch 247.
Zum Vergleich: [3][Im Jahr 2017, dem Jahr, als der Windenergie-Ausbau auf
die Ausschreibungspraxis umgestellt wurde, waren es 1.847 Windräder]. Wer
seitdem ein Windrad aufstellen möchte, muss sich zuerst an einer Auktion
beteiligen, zuerst also das Projekt planen, bevor er ein Angebot für die
von der Bundesnetz-Agentur ausgeschriebenen Mengen abgeben kann. Ein
Vorgang, der Projektierer oft einen sechsstelligen Betrag kostet. Die
Folge: Es werden immer weniger Anlagen bestellt.
„Drei Monate rote Zahlen, das kann ein Unternehmen mal verkraften. Drei
Jahre rote Zahlen aber nicht“, sagt Volker Quaschning, Professor für
regenerative Energiesysteme. Selbst wenn die Politik jetzt die
Rahmenbedingungen für die Erneuerbaren wieder verbessert, „bis daraus
resultierende Aufträge bei den Windradherstellern ankommen, vergehen
Jahre“. Denn anders als bei der Photovoltaik benötigen Windparks
langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren. „Zwei Jahre sind schnell,
manchmal sind vier Jahre nötig, um dann tatsächlich bei einem Windradbauer
neue Anlagen in Auftrag zu geben.“
Immerhin gibt es auch Lichtblicke: Nordex vermeldete gerade den Auftrag für
den Bau von 80 Windturbinen. Der Auftrag stammt aus Brasilien.
12 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.rietz-neuendorf.de/Kurzmen%C3%BC/Startseite/Sachstand-Windpark-…
[2] /Cyber-Attacken-auf-Windenergiebranche/!5848854
[3] https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/…
## AUTOREN
Nick Reimer
## TAGS
Erneuerbare Energien
Schwerpunkt Klimawandel
Windkraft
Energie
Energiewende
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