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# taz.de -- Immer noch keine Revolution: Rote Fahnen im grauen Regen
> MLPD gegen VW: Für wackere Kämpfer am Rande der Gesellschaft hat die
> Kolumnistin immer ein Herz, für Altersstarrsinn sowieso.
Bild: In seinem Sinne? Die MLPD kümmert sich am liebsten um gut bezahlte Arbei…
[1][Aus dem Gericht berichte ich gern.] Es gibt Kollegen, die finden das
furchtbar, das ist oft langwierig und zäh, da geht viel Zeit drauf und am
Ende steht doch nur ein einziger Artikel.
Ich habe sonst auch keine Geduld, aber hier mag ich den Kontrast zwischen
den menschlichen Dramen und der sehr eigenen, strengen Logik der
Gesetzesauslegung, die Raffinesse des Spiels, wenn eine sorgsam aufgebaute
Argumentationskette aufgeht oder in sich zusammenfällt.
Selbst das Verwaltungsgericht, von dem Unwissende glauben, es sei die
natürliche Heimat der Langeweile, bietet oft grandios skurrile Einblicke.
Letzte Woche zum Beispiel [2][bei einem verregneten Ortstermin auf dem
Parkplatz von VW Nutzfahrzeuge in Hannover-Stöcken].
Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) klagte gegen die
Stadt Hannover und Volkswagen. Der Grund: Man hatte ihr im letzten
Bundestagswahlkampf verboten, auf dem VW-Parkplatz eine Kundgebung
abzuhalten.
## Nicht mehr gut zu Fuß
Ha, ha, denkt sich der Laie. Ist doch wohl klar, warum sollte man denn auf
einem privaten Grundstück irgendwelche kommunistischen Hanseln dulden
müssen? Aber so einfach ist das natürlich nicht. Das liegt weniger daran,
dass VW zur Hälfte ein Staatskonzern ist, als viel mehr daran, dass privat
und öffentlich manchmal nicht so präzise zu trennen ist.
Streng genommen sind ja auch Bahnhöfe und Flughäfen im Besitz privater
Eigentümer – gleichzeitig sind sie allgemein zugänglich, werden genutzt und
wahrgenommen als öffentlicher Raum. Es hat in den letzten Jahren ein paar
einschlägige Urteile dazu gegeben, auf die sich der MLPD-Anwalt nun beruft.
Nun könnte man natürlich auch kritisieren, dass es die MLPD für so dringend
geboten hält, sich ausgerechnet um die am besten bezahlten Arbeiter
Deutschlands zu kümmern, statt um die Heerscharen der ausgebeuteten
Fahrradkuriere oder [3][Amazon-Fahrer].
Aber das ist natürlich unfair, immerhin schließt das eine das andere ja
nicht aus. Und das VW-Werk in Stöcken hat den Vorteil, dass es mit der
Straßenbahn erreichbar ist. Viele der Genossen sind wirklich nicht mehr gut
zu Fuß, auch wenn sie sehr geübt und sehr tapfer während der Verhandlung
die rote Fahne hoch in den Regen halten.
## Seit 20 Jahren Flugblätter
Außerdem ist es natürlich auch sehr unwahrscheinlich, dass diese
migrantischen Scheinselbstständigen bei Lieferando, Wolt, Uber, Amazon etc.
MLDP-Flugblätter verstehen. Wichtigstes Argument der Klageführerin Brunhild
Koepsell (fast 70) ist allerdings: „Wir machen das hier schon seit zwanzig
Jahren.“
Das ist nun allerdings der Punkt, an dem man die Stadt und VW fragen
könnte, wovor um Himmels Willen sie denn nun plötzlich Angst haben, wenn
doch diese wackeren Genossen schon so lange hinter den Drehkreuzen an den
Werkstoren stehen und ihre Flugblätter verteilen, wirkungslos.
Aber, erläutern die Anwälte der Gegenseite, sie hätten damit ja
weitermachen dürfen – nur eben beschränkt auf die Flächen, die sonst auch
genutzt wurden. Was also war schief gelaufen? Die Feinabstimmung, irgendwas
Zwischenmenschliches? Man kann darüber nur spekulieren.
Vielleicht, der Verdacht liegt nahe, wollte die renitente Rentnergang sich
nicht mehr zufrieden geben mit dem zugewiesenen Plätzchen, bewacht von zwei
gelangweilten Polizeibeamten, sondern mal wieder einen Widerstand spüren.
Wenigstens das. Wenn die Arbeiter schon nicht zuhören, das
Verwaltungsgericht tut es. Und weist die Klage dann ab.
13 Jul 2022
## LINKS
[1] /Verkauf-alter-Autokennzeichen/!5858203
[2] https://www.verwaltungsgericht-hannover.niedersachsen.de/aktuelles/pressemi…
[3] /Arbeitnehmerrechte-im-Onlinehandel/!5859735
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
MLPD
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