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# taz.de -- Gescheiterte Digitalisierung: Der iPadlose Klinik-Aufsichtsrat
> Erst abnicken, dann rummosern – schon drollig wie mancher Politiker so
> ticken, findet die Kolumnistin. Noch mehr iPads helfen aber auch
> niemandem.
Bild: Warum im Klinikum Hannover der Aufsichtsrat als erstes digitalisiert werd…
[1][Meine letzte Kolumne hat mir] den leicht gekränkten, aber ausnehmend
freundlich vorgetragenen Hinweis eingebracht, dass die Santander Consumer
Bank an diesen Schul-iPads ja gar keinen Profit macht, sondern das als Teil
ihrer „social responsibility“ begreift. Bitte sehr, ich möchte das hiermit
korrigiert haben und verkneife mir jede weitere Anmerkung über Banken, ihre
sozialen Verantwortlichkeiten sowie abgedroschene Brecht-Zitate.
Was ich mir nicht verkneifen kann, ist eine weitere iPad-Posse, dieses Mal
[2][aus der Region Hannover.] Dort möchte der kommunale Krankenhausverbund,
das Klinikum Region Hannover, mit seinen zehn Standorten die
Digitalisierung vorantreiben. Und beginnt damit dort, wo am wenigsten
schief gehen kann, weil es keinen Patientenkontakt gibt: beim Aufsichtsrat.
Der sollte für künftige Sitzungen iPads zur Verfügung gestellt bekommen. In
diesem Fall wollte man sich auch nicht lumpen lassen, da gibt es natürlich
nicht die Billigmodelle, die in den Schulen zum Einsatz kommen, sondern
Geräte für 1.300 Euro das Stück.
Hmpf, fanden einige der Aufsichtsräte, das ist aber blöd, wir haben doch
schon eins. Als Mitglieder der Regionsversammlung, die sie in den
Aufsichtsrat entsandt hat, haben sie nämlich dort schon eines erhalten –
mögen das aber auch nicht besonders.
Jedenfalls verkündeten mindestens [3][zwei ältere Herren von der CDU in der
Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ)] entrüstet, sie würden die
Sitzungsunterlagen doch ohnehin lieber auf Papier lesen und bräuchten ganz
gewiss nicht noch ein iPad. Auch die stellvertretende Fraktionschefin der
Grünen fand ein weiteres Gerät irgendwie überflüssig.
## Man nickt einfach alles ab, wo Digitalisierung drüber steht
Dummerweise scheinen sie Sitzungsunterlagen weder auf dem Bildschirm noch
auf Papier besonders gründlich zu lesen. Der Antrag des Klinikums über
150.000 Euro für irgendwas mit Digitalisierung wurde jedenfalls sowohl im
Sozialausschuss als auch in der Regionsversammlung durchgewunken – auch
von der CDU-Fraktion, auch von den Grünen. Man wollte sich wohl lieber
nicht mit Nachfragen blamieren. Oder bewilligt einfach mal alles, wo
Digitalisierung drüber steht.
Erst als die HAZ das Ganze skandalisierte und in Folge dessen auch der Bund
der Steuerzahler hellhörig wurde, wachte man auf. Am Ende sprach
Regionspräsident Steffen Krach (SPD), der gleichzeitig auch Chef des
Aufsichtsrates ist, ein Machtwort: Keine iPads für niemanden, basta.
Digitalisierung sei ja wichtig, müsste aber vor allem bei Mitarbeitern und
Patienten ankommen, meinte er. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat
bekommen jetzt allerdings auch keine iPads.
Man könnte das Ganze jetzt natürlich als drollige Provinzposse abtun,
immerhin fallen die paar Kröten angesichts des riesigen Defizites des
Klinikums (gemunkelt wird etwas von rund 200 Millionen Euro in fünf Jahren)
kaum ins Gewicht.
## Stumpfe Konsumentengeräte
Bedauerlicherweise ist das Ganze aber halt typisch für die Art und Weise,
wie Digitalisierung in Deutschland verläuft: Entweder man druckt QR-Codes
aus oder man bewirft Menschen mit iPads – und hofft, dass sich der Rest
dann schon irgendwie von alleine fügt.
Dabei werden Techniker ja nicht müde zu erklären, dass iPads stumpfe
Konsumentengeräte sind und praktisch das Gegenteil von digitalem Denken
fördern: weil sie als geschlossene Systeme nämlich kaum Anpassungen
zulassen, keine Einsichten, keine Erweiterungen, keine hausgemachten
Bastellösungen.
Genau das macht die Dinger für Verwaltungen allerdings unwiderstehlich: Sie
sind standardisiert, gut zu kontrollieren und können selbst von
Technik-Dummies oder einem gut dressierten Schimpansen mit ein paar Klicks
synchronisiert oder zurückgesetzt werden. Am Ende ist ja auch wirklich
egal, auf welchem Gerät man nicht liest.
2 Jul 2022
## LINKS
[1] /Digitalisierung-an-Hannovers-Schulen/!5857956
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Region_Hannover
[3] https://www.haz.de/lokales/hannover/teure-ipads-aus-steuergeldern-krh-hanno…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Hannover
Gesundheitspolitik
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