# taz.de -- Hitzewelle im Jemen: 47 Grad, kein Strom, keine Kühlung | |
> Im jemenitischen Gouvernement Hodeidah klettern die Temperaturen in | |
> lebensgefährliche Höhen. Es gibt kaum Strom, sich abzukühlen ist fast | |
> unmöglich. | |
Bild: Ein Fest für Moskitos: Die von Hitze betroffene Hafenstadt Hodeidah | |
SANA'A taz | Am 5. Juni stirbt Ahmed Youssef in der jemenitischen | |
Hafenstadt Al-Hodeidah, nachdem er aufgrund der auf 47 Grad Celsius | |
angestiegenen Temperaturen nicht mehr normal atmen konnte. Der 52-Jährige | |
litt an Asthma. Fouad, Ahmeds ältester Sohn, sagt: „Jeden Sommer leiden die | |
Menschen in Hodeidah unter den hohen Temperaturen.“ Und: „Die Reichen und | |
Beamten haben Strom, und die Armen, wie wir, sterben.“ | |
Denn seit Beginn des [1][Krieges im Jemen 2015], in dem die iranisch | |
unterstützen Huthis gegen die von den Golfstaaten und den USA unterstützte | |
Übergangsregierung kämpfen, ist der Strom knapp und teuer. „Strom in | |
Hodeidah ist nur für die Reichen“, sagt Fouad. Andauernd fällt der vom | |
Staat bereitgestellte Strom aus. Den von kommerziellen Unternehmen und | |
Investoren können sich viele nicht leisten. | |
Fouad fügt hinzu: „Die Regierungsbehörden tun trotz ihres Wissens um unser | |
Leid nichts, um uns zu entlasten.“ Immer wieder erhalte er Zusagen, doch | |
vor Ort ändere sich nichts: „Sieben Jahre sind vergangen, und wir hören | |
immer die gleichen Versprechen“. | |
Ahmed Al-Bishri, stellvertretender Gouverneur von Hodeidah, wiederholt | |
diese Versprechen: Die Stromversorgung von Hodeidah werde sich in den | |
kommenden Tagen verbessern, die staatlichen Kraftwerke ihre Arbeit nach | |
einer Pause von mehr als sieben Jahren wieder aufnehmen. In einer | |
Fernsehansprache betonte Abdul-Malik al-Huthi, Anführer der gleichnamigen | |
militanten Organisation, dass man die Versorgung Hodeidahs mit Strom | |
angewiesen habe, selbst wenn dafür Stromgeneratoren aus der Hauptstadt | |
Sana’a gesendet werden müssten. | |
## Auch Mücken und Malaria werden zum Problem | |
Am 11. Juni geht die fünfjährige Mariam Salem zu Bett, ihr Gesicht ist rot | |
und geschwollen, Geschwüre breiten sich aus und bedecken den ganzen Körper. | |
Drei Nächte lang geht das so, bevor das Mädchen in der vierten Nacht das | |
Bewusstsein verliert. | |
Der Vater des Kindes erzählt, die Stimme voller Trauer: „Seit Anfang Mai | |
können wir wegen der hohen Temperaturen nicht mehr in unseren Zimmern | |
schlafen. Der staatliche Strom funktioniert seit 2015 nicht mehr, wir | |
können keine Ventilatoren oder Klimaanlagen betreiben.“ Auch Moskitos und | |
andere Insekten peinigen die Familie. Nachdem er Mariam ins | |
Gesundheitszentrum gebracht hatte, habe ihm der Arzt gesagt, dass seine | |
Tochter mit Malaria infiziert sei. | |
Hamza Youssef, Arzt am Al-Thawra Hospital in Hodeidah, erklärt: „Die | |
gesundheitliche Lage in Hodeidah und den Küstengouvernements im Jemen | |
verschlechtert sich von Tag zu Tag.“ Die Temperaturen sollen in den | |
kommenden Monaten noch steigen – eine Gefahr für Kinder, ältere Menschen | |
und Menschen, die an chronischen Krankheiten wie Bluthochdruck oder | |
Diabetes leiden. | |
„Je heißer das Wetter wird, desto mehr muss der Körper arbeiten, um seine | |
Kerntemperatur niedrig zu halten“, so Youssef. Die Blutgefäße in der Nähe | |
der Haut weiteten sich, um die Hitze loszuwerden, man beginne zu schwitzen. | |
Dadurch sinke der Blutdruck, das Herz müsse mehr arbeiten, um das Blut | |
durch den Körper zu pumpen. | |
Laut dem Menschenrechtsaktivisten Kamal Al-Shawish leiden Frauen besonders | |
unter der Wärme: Die jemenitischen Sitten, Traditionen und | |
gesellschaftlichen Konventionen zwingen sie dazu, schwere, lange Kleidung | |
zu tragen. Sie wärme die Frauen zusätzlich. | |
## Huthis in der Verantwortung | |
Dass die Stromversorgung nicht funktioniert, liegt auch an den | |
[2][Huthi-Rebellen]. Mitte Oktober 2014 übernahm die Gruppe ohne | |
nennenswerten Widerstand die Kontrolle über das Gouvernement Hodeidah, | |
nachdem sie bereits die Kontrolle über die Hauptstadt Sana’a gewonnen | |
hatte. Die Gruppe hat das Gouvernement fest im Griff – es ist das einzige | |
an der Küste, das sie regieren. | |
Am 13. Juni 2018 leiteten die Regierungstruppen eine Militäroperation ein, | |
um den Hafen von Hodeidah zurückzuerobern. Die jemenitische Regierung wirft | |
der Gruppe vor, den Hafen zum Schmuggeln von Waffen zu nutzen. Nach | |
heftigen militärischen Auseinandersetzungen gewannen die Truppen die Stadt | |
Hodeidah zurück. | |
Schweden versuchte zu vermitteln, man schloss eine Vereinbarung zwischen | |
den Huthis und der Regierung. Die sah unter anderem vor: Alle Einnahmen aus | |
den Häfen von Hodeidah sollen bei der jemenitischen Zentralbank hinterlegt | |
werden. Doch die Vereinbarung wurde nicht umgesetzt, immer wieder gab es | |
weitere bewaffnete Zusammenstöße, bis sich die Regierungstruppen Ende 2021 | |
aus der Umgebung der Stadt zurückzogen. | |
Allein im Jahr 2022 sollen sich die bisherigen Einnahmen aus dem Hafen auf | |
mehr als 92 Milliarden jemenitische Riyal (165 Millionen Dollar) belaufen. | |
Die Regierung beschuldigt die Huthi-Gruppe, die Einnahmen zu plündern. | |
Ein Hafenarbeiter, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, sagt: | |
„Die Einnahmen des Hafens gehen seit 2015 nach Sana’a. Wir wissen nicht, | |
was danach mit diesen Geldern geschieht. Jetzt, wo wir in Hodeidah Geld | |
für die Stromversorgung brauchen, fließen die Einnahmen des Gouvernements | |
weiterhin dorthin ab“. | |
Mitarbeit: Lisa Schneider | |
5 Jul 2022 | |
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## AUTOREN | |
Najm Aldain Qasem | |
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