Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Teilung der Schriftstellervereinigung: Es besser machen als der alt…
> Beim neuen PEN Berlin sind auch Leute dabei, mit denen unser Autor kein
> Bier trinken möchte. Schämen muss er sich für die Vereinigung aber nicht
> mehr.
Bild: Aufbruchsstimmung bei der Gründungsversammlung des PEN Berlin
Die Programme „Writers in Prison“ und „Writers in Exile“ zum Schutz
bedrohter Autoren, die der PEN seit mehr als 20 Jahren betreibt, waren für
mich einer der Hauptgründe, in den PEN einzutreten. Ich zahlte meinen
Beitrag, 160 Euro im Jahr, und war ansonsten eine Karteileiche – wie rund
600 der 770 Mitglieder auch. Das lag vor allem an den sonstigen Aktivitäten
des PEN, die Einladungen zu Versammlungen erschienen so attraktiv wie eine
Debatte unter Briefmarkenzüchtern.
Selbst die Veranstaltungen mit den Exilautoren waren so lieb- und
fantasielos organisiert, dass meist nur ein paar Zuschauer auftauchten. Man
konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich lediglich um eine
Pflichtaufgabe handelte, um die öffentlichen Mittel, mehr als 600.000 Euro
im Jahr, zu rechtfertigen.
Die Hoffnung, dass sich mit der Wahl des neuen Präsidiums unter Deniz Yücel
im Oktober vergangenen Jahres etwas zum Besseren wenden würde, zerplatzte
schnell. Über die PEN-Jahresversammlung im Mai in Gotha, über das Johlen,
die Zwischenrufe und Klagedrohungen der aus ihrer Bequemlichkeit
aufgeschreckten PEN-Ureinwohner gegen die „Unruhestifter“ ist genug
geschrieben worden, [1][auch von mir].
Josef Haslinger ist nun wieder Präsident, zumindest übergangsweise. Er ist
der Präsident des Clubs der halbtoten Dichter, womit nicht unbedingt das
Alter der Mitglieder gemeint ist. Maxi Obexer brachte es in der
[2][Begründung für ihren Rücktritt] nach nur vier Wochen auf den Punkt:
„Ich dachte, man könnte mit Vernunft die notwendige Reform beginnen“, sagte
sie „aber die reformresistenten, herrisch auftretenden Männer dominieren im
PEN-Zentrum Deutschland. Im Moment herrscht Hass, im Moment herrscht
Feindseligkeit, im Moment herrscht Destruktion.“
## Der alte PEN ist nicht reformierbar
Es war der Todesstoß für den PEN Deutschland, er ist offensichtlich nicht
reformierbar. Nun gibt es eine Alternative: [3][den PEN Berlin.] Binnen
zwei Wochen hatten sich 367 Gründungsmitglieder – zu denen auch ich gehörte
– zusammengefunden. Die Atmosphäre und die Aufbruchstimmung bei der
Gründungsversammlung in Berlin waren das Kontrastprogramm zu Gotha, das
konnte ich selbst bei meiner virtuellen Teilnahme spüren.
Der 85-jährige Herbert Wiesner, Literaturkritiker, Journalist und früherer
Leiter des Literaturhauses Berlin, sagte in seiner Eröffnungsrede: „In
Gotha war es schauerlich, es gab ein Unterlaufen der Bemühungen des neuen
Präsidiums um Deniz Yücel, sie wurden aufs Schändlichste torpediert.
Deshalb fangen wir heute noch mal neu an. Von Berlin soll ein neuer Geist
ausgehen.“
Haslingers Aussage, dass beide Organisationen nach Anerkennung des PEN
Berlin durch den internationalen PEN wieder PEN-Kollegen seien und
kooperieren müssen, ist Wunschdenken. Es ist, als ob Hertha BSC dem FC
Union Berlin gönnerhaft eine Zusammenarbeit anbiete, um ein Beispiel aus
dem Fußball heranzuziehen.
Der großartige Schriftsteller F. C. Delius erinnerte kurz vor seinem Tod in
einem Artikel in der FAZ an einen Satz Heinrich Bölls: „Aus dem PEN tritt
man nicht aus!“ Dann tat Delius aber genau das und schrieb, nie habe er
gedacht, dass der PEN so tief sinken könne, einen derart tapferen und
klugen Mann wie Deniz Yücel öffentlich zu demütigen.
## Hass, Hetze, Bigotterie, Homo- und Xenophobie
Vor Kurzem hat die Stadt Darmstadt dem PEN Deutschland auf der
Mathildenhöhe ein frisch renoviertes Haus mit Büros, Tagungsräumen und
einem großen Garten auf dem Unesco-Welterbe-Areal zur Verfügung gestellt.
Künftig können sich die verbliebenen Mitglieder in dieser Wohlfühloase
wieder gegenseitig Dias vorführen und sich Wichtigkeit attestieren. Aber
die Staatsgelder für die Unterstützung bedrohter Autoren sind beim neuen
PEN Berlin besser aufgehoben, weil sie dort effektiver und mit mehr
Einfühlungsvermögen eingesetzt werden können.
„Ich schäme mich dafür, dass der PEN intern die Missstände aufweist, die er
extern zu bekämpfen vorgibt: Hass, Hetze, Bigotterie, Homo- und
Xenophobie“, schrieb das Ex-Präsidiumsmitglied Nikola Anne Mehlhorn. Es gab
nach Yücels Wahl voriges Jahr Bemerkungen über „Gastarbeiter im PEN“, und
ein damaliges Präsidiumsmitglied mit gleichgeschlechtlichem Partner wurde
als „der anale Herr“ tituliert.
„Dass mit solch einer Mentalität vorurteilsfrei an verfolgte und bedrohte
Menschen, oft selbst in ihrem Land jeweils Angehörige von Minderheiten,
herangegangen werden kann, muss bezweifelt werden“, schrieb [4][Tanja
Dückers].
Der PEN Berlin steht offen für Autoren, die auf Deutsch schreiben, aber
auch für diejenigen, die in Deutschland leben. Viele KollegInnen mit
migrantischem Hintergrund machen beim PEN Berlin mit, und der Verein ist
insgesamt diverser. Natürlich sind auch Leute dabei, mit denen man kein
Bier trinken möchte. Aber alle sind sich einig, dass es einen gemeinsamen
Nenner gibt, nämlich die PEN-Charta und den Willen, es besser zu machen als
der alte PEN.
28 Jun 2022
## LINKS
[1] /Deniz-Yuecels-Ruecktritt-als-PEN-Praesident/!5852364
[2] /Wieder-Ruecktritt-beim-alten-PEN/!5859273
[3] /Neugruendung-von-PEN-Berlin/!5857782
[4] /Schriftsteller-ueber-linken-Populismus/!5536185
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Autoren:innenverband PEN
Buch
Literatur
Schriftsteller
Autoren:innenverband PEN
Literatur
Autoren:innenverband PEN
Autoren:innenverband PEN
## ARTIKEL ZUM THEMA
PEN-Berlin-Mitgründerin Ursula Krechel: „Literarischen Kontext schaffen“
Auf dem 1. Kongress der Schriftstellervereinigung PEN Berlin diskutiert
Mitgründerin Ursula Krechel über Gewalt- und Exilerfahrung in der
Literatur.
Wieder Rücktritt beim alten PEN: Es herrscht Krieg in den Köpfen
Maxi Obexer, Übergangspräsidentin der Schriftstellervereinigung, ist kurz
nach Antritt zurückgetreten. Ist PEN reformierbar?
Schriftstellervereinigung PEN: Kein Grund zur Aufregung
In der Schriftstellervereinigung PEN ist die lautstarke Unsachlichkeit seit
Jahren ein Problem. Nach dem großen Knall wird der Respekt bald
zurückkehren.
Deniz Yücels Rücktritt als PEN-Präsident: Bratwurstbude zum Fremdschämen
Unser Autor ist PEN-Mitglied und nahm peinlich berührt an der turbulenten
Versammlung in Gotha teil, auf der Deniz Yücel zurücktrat.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.