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# taz.de -- Die Wahrheit: Film ab in Hongkong
> Fast wäre man berühmt geworden, damals in der einstigen britischen
> Kronkolonie, aber nur fast – die Schlüsselszene, in der man mitspielte,
> ist perdu.
Neulich lief auf Arte ein Film namens „Tao Jie – ein einfaches Leben“. Die
Handlung plätscherte angenehm vor sich hin. Seit ihrer Kindheit arbeitet
Tao im Haushalt einer reichen Hongkonger Familie. Als der inzwischen
erwachsen gewordene Stammhalter unbedingt Ochsenzunge von ihr gekocht haben
will, bekommt sie einen Schlaganfall.
Der verwöhnte Sohn Roger kümmert sich nicht gerade überschwänglich, dennoch
freundlich um die Angestellte, die nun auf eigenen Wunsch in einem
Altenheim leben möchte. Das neue Haus erscheint furchteinflößend, doch
zusammen mit Tao gewöhnt man sich daran. Die Bewohner kleckern beim Essen,
versuchen sich ansonsten jedoch wacker zu halten. So wie Tao beginnt man,
sich auf die Besuche vom schicken Roger zu freuen.
Auffällig an dem chinesischen Hauptdarsteller ist seine extrem spitze Nase.
Ich fing an, zu googeln. Der Film ist eines der vielen beeindruckenden
Werke der Regisseurin Ann Hui. Der Schauspieler mit der Nase heißt Andy
Lau. Andy Lau, da war doch was? Ja! Da war etwas! Ich kannte ihn. Fast. Wir
hatten im selben Film gespielt.
## Schreiend weglaufen
Es war im Jahr 1990 in Hongkong, in einem der berüchtigten Hostels im
Chungking Mansion, einem verwinkelten, schmutzigen Hochhauskomplex, der für
seine günstigen Schlafplätze bekannt war. Nach einer Chinareise saß ich
dort in einer Cafeteria – und wurde entdeckt. Ein Typ stand vor mir und
fragte, ob ich morgen Zeit für einen Casino-Action-Film namens „No risk, no
gain“ hätte. Ich sollte auf einem Hotelflur schreiend weglaufen, wenn
Männer kämen. Die Gage betrug umgerechnet 50 Mark. Ich sagte sofort zu.
Am nächsten Tag im verabredeten Hostel durfte ich mir aus einem
Altkleidersack etwas aussuchen. Ich entschied mich für ein langes,
gestreiftes Kleid, das andere Zeug war noch hässlicher. Es war sehr
aufregend, plötzlich „on camera“ zu sein, wie meine neuen Freunde jetzt
sagten. Schade, dass ich so behämmert aussah und die, vor denen ich
weglaufen sollte, allesamt Bewohner des abgewrackten Hostels, auch nicht
besser. Ich bekam einen hysterischen Kicheranfall nach dem anderen. Die
Kameraleute waren zu Recht genervt. „This is a film with Andy Lau“, rief
der Regisseur. „With this material we cannot work.“
Wir versuchten, uns zusammenzureißen. Am Abend stand Andy Lau vor mir.
Nein, haha, den hatte ich nur von Weitem am Flurende sehen dürfen. Er ist
mit über 200 Filmen ein Hongkonger Superstar, „No risk, no gain“ ein
Produkt seines Karrierebeginns. Eines Tages hatte ich die DVD endlich. Doch
so sehr ich sie auch vor- und zurückspulte: Ich war nirgends zu sehen. Sie
hatten die ganze Hotelszene einfach rausgeschmissen. So geht es zu im
Filmgeschäft. Andy Lau, pöh, den kennt hier eh niemand. Glücklicherweise
fand ich noch eine Chipstüte und erfreute mich weiter an „Tao Jie – ein
einfaches Leben“ mit der wunderbaren Hauptdarstellerin namens Deanie Ip.
21 Jun 2022
## AUTOREN
Claudia Römer
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