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# taz.de -- Bahnverkehr am Wochenende: Radeln bis zur Verkehrswende
> Wer mit Bahn und Rad am Wochenende unterwegs ist, strandet oft irgendwo,
> weil Züge überfüllt sind. Das hat wenig mit dem 9-Euro-Ticket zu tun.
Bild: Aussteigen, bitte: Überfüllter Regionalzug in Berlin
Berlin taz | Genau zwei Stationen weit kommen wir am Sonntag mit der S-Bahn
von Pankow aus in Richtung Norden, dann müssen wir raus:
Schienenersatzverkehr. Nun gut, den können wir nicht nutzen, die Kinder und
ich sind mit dem Rad unterwegs. Fahren wir halt mit dem Fahrrad zum See.
Ist ein bisschen weit bei der Hitze – aber, verspreche ich den Kindern,
„fahren wir zurück einfach mit der Regionalbahn!“
Am See angekommen, tue ich das, was ich vorher hätte tun sollen: Ich
informiere mich in der DB App über die Rückfahrmöglichkeiten mit besagter
Regionalbahn. Der nächste [1][Zug der Heidekrautbahn] von Wandlitz fährt –
gar nicht, beziehungsweise am Montagmorgen. Bauarbeiten. Aber halt, es gibt
ja noch die Bahn, die von Bernau über Hohenschönhausen in die Stadt zurück
fährt. „Nehmen wir halt die“, erkläre ich den Kindern. Das ist immerhin
eine Perspektive, die sie weitgehend ohne Gemaule bis nach Bernau
zurückfahren lässt.
Natürlich sind wir nicht mit dieser Bahn gefahren. Zwei (!) Waggons
zuckelten schließlich in den Bahnhof ein. Beide Wagen bereits hoffnungslos
überfüllt mit Menschen, Kinderwagen und Fahrrädern – klar, es war ja auch
die einzige Verbindung, die es noch in Richtung Stadt gab, wenn man nicht
den Schienenersatzverkehr der S-Bahn nehmen konnte, weil man ein Fahrrad
dabei hatte.
Nun ist mir schon klar, dass ich ja auch einfach die Räder hätten zu Hause
lassen können. Dann hätten wir halt von der nächstgelegenen Bushaltestelle
zum See wandern können. Ich verstehe außerdem, dass in den Sommermonaten
Baustellen stattfinden, weil man die Berufspendler*innen nicht noch
zusätzlich in den Wahnsinn treiben will. Auch [2][das 9-Euro-Ticket] ist
mir bekannt.
## Viel zu selten berichtet
Aber gerade weil seit der Einführung von Letzterem vor allem auch meine
Kolleg*innen wie verrückt [3][Reportagen aus vollen Zügen] schreiben und
[4][Bahnsteige beobachten], muss man sagen: Man hat in der Vergangenheit
vermutlich noch viel zu selten berichtet, gerade weil viel von diesem Chaos
gar nicht so sehr mit dem 9-Euro-Ticket zu tun hat, sondern einfach immer
schon da war.
Man kann also gar nicht oft genug darüber schreiben, dass es doch
eigentlich nicht sein kann, dass einem die Verkehrswende so schwer gemacht
wird. Wer vorbildlich das (Carsharing-)Auto stehen lässt, in dem Glauben,
in der ökologisch korrekten Version Bahn+Rad an irgendein Wochenendziel zu
kommen, bekommt hinterher zum Dank das Gefühl, ein bisschen bescheuert zu
sein.
Die Bahn teilt auf Nachfrage mit, warum man denn wirklich alle Linien von
Berlin in Richtung nördliche Seenregion auf einmal kappen muss an einem
Sonntag: „Umfangreiche Bauarbeiten am Karower Kreuz waren der Grund für die
Einschränkungen, davon waren alle genannten Linien betroffen.“ Die seien
auch alle „mit sehr viel Vorlauf geplant und lassen sich nicht
verschieben“, sagt ein Sprecher. Und: „Die Baustellen sind nötig, um die
Kapazität im Netz zu erhöhen, nur so kann die Verkehrswende gelingen.“
Wir sind dann den ganzen Weg in die Stadt zurück geradelt, zum Glück sind
die Kinder schon groß genug. Der ältere stellte fest, als wir so fuhren und
fuhren: „Also, eigentlich kann man ohne Auto echt schlecht an den See
fahren.“
Wenn das als Fazit bleibt von so einem Wochenende, dann ist das schlecht.
Dringend nötige Baustellen für die Verkehrswende: klar! Aber es beschleicht
einen doch das Gefühl, dass all diese dringenden Baustellen sehr spät
kommen, wenn bis zur irgendwann einmal erhöhten Kapazität fast gar nichts
mehr geht.
20 Jun 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Deutsche Bahn
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