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# taz.de -- Russische Besetzung Tschernobyls: Sorglos verstrahlt
> Wochen nach der Besetzung des ukrainischen AKWs Tschernobyl durch
> russische Truppen wird das Ausmaß der Schäden sichtbar.
Bild: Ukrainische Soldaten nach der Rückeroberung von Tschernobyl im April 2022
Tschernobyl taz | Fünf Wochen lang, vom 24. Februar bis zum 31. März,
hatten russische Truppen Tschernobyl besetzt. Zwar hatten die ukrainischen
Behörden sofort nach dem Abzug der russischen Truppen von Diebstahl und
Zerstörung wichtiger Ausrüstung berichtet. Doch das ganze Ausmaß der
Schäden wird erst jetzt deutlich.
698 Computer, 344 Fahrzeuge, 1.500 Strahlungsdosimeter, wichtige Software
und fast die gesamte Feuerwehrausrüstung, so die Washington Post vom
Donnerstag, seien von den russischen Truppen in diesen fünf Wochen
entwendet oder zerstört worden. Besonders schwer getroffen davon seien die
Labors von Tschernobyl. Da einige der fehlenden Geräte mit GPS – Trackern
ausgestattet seien, sei erkennbar, dass sich ein Teil dieser Ausrüstung
derzeit in Belarus befinde, so Yevhen Kramarenko, Chef der
Tschernobyl-Sperrzone.
Einst emsig arbeitende Labors, so Kramarenko, seien nun durch Brandspuren
und Schutt vorerst nicht mehr zu gebrauchen, mehrere Gebäude seien gar
vollständig zerstört.
Dabei hätte die [1][fünfwöchige Besetzung der Sperrzone von Tschernobyl]
durch russische Truppen noch viel schlimmere Folgen haben können. Womöglich
sind die Ukraine und mit ihr ganz Europa nur ganz knapp an einer viel
größeren Katastrophe vorbeigeschlittert.
Sämtliche Sicherheitsvorschriften missachtet
Wie sorglos die russischen Besatzer an dem Ort der bis heute größten
Katastrophe der Atomenergie waren, zeigt der Umstand, dass diese
ausgerechnet in dem am höchsten verstrahlten Bereich der
Tschernobyl-Sperrzone, im sogenannten roten Wald, Schützengräben ausgehoben
hatten. Und dabei haben sie [2][offensichtlich erhebliche Strahlenschäden
davongetragen]. Gegenüber dem ukrainischen Portal kosatka.media berichtete
Yevhen Kramarenko, die russischen Truppen hätten während der Besatzung
sämtliche Sicherheitsvorschriften missachtet. Weder hätten sie von den in
der Zone vorhandenen Geigerzählern Gebrauch gemacht, noch hätten sie ihre
Truppenbewegungen auf die asphaltierten Straßen beschränkt.
Im März hatte die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Irina
Wereschtschuk, berichtet, dass die russischen Truppen Dutzende Tonnen von
Artilleriemunition unweit des Kraftwerkes lagerten.
Fünf Tage war das AKW Tschernobyl [3][im März vom Stromnetz abgeschnitten].
Ohne Strom können aber weder die Abklingbecken für die dort lagernden 20
Tausend abgebrannten Brennstäbe noch die Ventilatoren, die die
ArbeiterInnen vor Radioaktivität schützen, arbeiten. Wäre das Wasser in den
Abklingbecken verdampft, hätte dieser radioaktive Dampf große Territorien
verstrahlt.
Abgeschnitten von der Außenwelt
Gefährlich war auch der psychische Stress, dem die MitarbeiterInnen des
Kraftwerkes plötzlich ausgesetzt waren. Fast einen Monat lang hatten die
russischen Besatzer Schichtwechsel verboten. Dadurch waren die dort
arbeitenden Fachleute weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten, mussten
praktisch rund um die Uhr arbeiten.
Es wird noch lange dauern, bis die angerichteten Schäden im Kraftwerk
Tschernobyl behoben sein werden. Eine Folge der Zerstörung wird wohl schon
im Sommer spürbar sein. Da fast die gesamte Ausrüstung der Feuerwehr
verloren gegangen ist, wird es in diesem Sommer schwer sein, Waldbrände zu
bekämpfen, fürchtet Yevhen Kramarenko gegenüber der Washington Post.
3 Jun 2022
## LINKS
[1] /AKWs-im-Ukraine-Krieg/!5840636
[2] /Russische-Truppen-in-Tschernobyl/!5841365
[3] /Atomkraftwerke-in-der-Ukraine/!5839072
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Tschernobyl
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Soldaten
Atomenergie
Schwerpunkt Atomkraft
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Verstrahlung
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