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# taz.de -- Wildbaden am Weißen See: Abkühlung verboten
> Aufregung am Weißen See: Stadträtin Manuela Anders-Granitzki (CDU) will
> das schon immer verbotene, aber lange tolerierte Wildbaden verhindern.
Bild: Schön hier: Blick auf das Strandbad Weißensee in Pankow
Berlin taz | Der kalendarische Sommer kommt erst noch, und wieder mal ist
bereits der Frühling überdurchschnittlich warm und sonnig. Ein Glück, dass
[1][das schon jetzt staubtrockene Berlin] wenigstens so viele Seen hat, die
in der gegenwärtigen Hitze eine willkommene Erfrischung versprechen. In
diesem Jahr jedoch nicht mehr an den zahlreichen natürlichen Badestellen am
Weißen See im Berliner Nordosten. Hier will die zuständige Pankower
Stadträtin, Manuela Anders-Granitzki (CDU), das zwar immer schon verbotene,
aber seit Langem tolerierte Wildbaden nun verhindern.
In den Fokus gerückt war das Thema spätestens vergangenen Sommer, als ein
Mann nachts im See ertrank und in der Presse über Vandalismus,
Körperverletzung und „Partytourismus“ berichtet wurde. Im Herbst gab dann
der damalige Bezirksstadtrat für Straßen und Grünflächen, Vollrad Kuhn
(Grüne), sein Amt an Anders-Granitzki ab. Die setzt das ihr unterstehende
Ordnungsamt nun nicht nur auf mutwillige Unruhestifter an, sondern lässt
auch friedliche Schwimmer, umsichtige Radfahrer und alte Damen mit
unangeleint hinterherhinkenden Hunden direkt zur Kasse bitten, wie an den
ersten heißen Tagen im Park zu beobachten war.
Doch die [2][eigentlich geltenden Parkregeln] kennt hier kaum jemand. Eine
ausreichende Beschilderung war lange Zeit nicht vorhanden oder wurde
beschädigt. Deswegen hat die Stadträtin im Park nun neue grüne Pappschilder
mit vielen winzigen Piktogrammen aufhängen lassen, die Besucher darüber
informieren sollen, was alles verboten ist: Radfahren, Baden, Grillen,
Shisha rauchen, Lärm machen, Enten füttern und einiges mehr.
Vielen Parkbesuchern dürften die unscheinbaren Schilder gar nicht
aufgefallen sein. Um das zu ändern, sollen nun in unangekündigten
„Schwerpunkteinsätzen“ Ordnungsamt und Polizei nachhelfen, wie die Berliner
Morgenpost berichtet.
„Aber es fahren hier doch alle“, beschwert sich eine Radlerin mit Helm und
Kindersitz, die nichtsahnend zwei Außendienstmitarbeiterinnen in die Arme
gefahren ist, während sich weitere Vorbeirollende davon nicht aus der Ruhe
bringen lassen, „und die meisten fahren doch rücksichtsvoll“.
## 30 Euro Verwarngeld
Dass die Wege eigentlich auch fürs Fahrradfahren breit genug sind, gibt
sogar eine der Ordnungshüterinnen zu. Verboten ist es trotzdem, und darum
muss auch gezahlt werden. 30 Euro Verwarnungsgeld kostet es die ungläubige
Radfahrerin, beim unerlaubten Baden ist es ähnlich. Aber auch viele Bader
verstehen nicht, warum ihre kurze Abkühlung über denselben Kamm geschoren
werden soll wie ausgiebige nächtliche Partys.
Doch den See kann auch gesittetes Badevergnügen belasten – wenn ihm
schlicht zu viele Menschen nachgehen. „Der erhöhte Nutzungsdruck in den
letzten Jahren hat zu einer massiven Schädigung der Parkanlage am Weißen
See und des Sees selbst geführt“, erklärt Anders-Granitzki auf Nachfrage.
„Insbesondere für den Uferschutz ist es unerlässlich, dass das ‚Wildbaden…
unterbleibt.“
Die Ufer zu betreten, bleibt allerdings erlaubt. Einzäunungen soll es nur
für besonders sensible Bereiche geben, etwa die Brutstätte der Schwäne, die
Anfang Mai beschädigt wurde. Vorbehalte gegen die Polizeiaktionen am See
dürften es in Pankow schwer haben, in der Bezirksverordnetenversammlung
steht auch die Opposition in Form der FDP hinter dem Vorgehen: „Angesichts
der knappen Personal- und Finanzmittel ist hier leider nur noch der Weg der
Sanktionen hilfreich“, erklärt FDP-Fraktionsmitglied Oliver Simon.
Die einzige legale Badestelle am See wäre dann [3][das Strandbad
Weißensee], dessen Pächter Alexander Schüller sich in Interviews auch gerne
für das Wildbadeverbot starkmacht. Ganz objektiv ist er dabei nicht,
verdient er doch an jedem Erfrischungsbedürftigen, den das Ordnungsamt zum
Baden zu ihm schickt. Für eine dreiköpfige Familie kostet der Eintritt ins
Strandbad immerhin 10 Euro. Schon seit Jahren schlägt Schüller allerdings
vor, gegen geringeren Eintritt noch einen zweiten Strand mit Toiletten und
Rettungsschwimmern auszustatten. Dort könnten zu den rund 900 Plätzen im
Strandbad noch einmal bis zu 500 Badegäste Platz finden, wie Schüller der
Morgenpost mitteilte.
Für den Abkühlungsbedarf im Bezirk ist das sicher immer noch zu wenig,
Schüller spricht von bis zu 4.000 Seebesuchern an besonders heißen Tagen.
Aber immerhin prüft der Bezirk jetzt die Möglichkeit einer zweiten
Badestelle, kommen soll die aber frühestens 2023. Vorher will Schüller noch
ein neues Restaurant neben dem Strandbad eröffnen, der Baubeginn dafür ist
im September geplant.
Auch durch den Bezirk stehen dann weitere Baumaßnahmen an. Mit knapp zwei
Millionen Euro aus einem Klimaschutzprogramm des Bundes sollen die an
vielen Stellen grasfreien Seeufer erneuert werden. Auch für eine bessere
und zugleich energiesparende LED-Beleuchtung will man sorgen sowie für
barrierefreie Wege. Für ebenfalls dringend benötigte Sanitäranlagen soll es
aber kein Geld geben. Weil die Bundesmittel „an innovative oder besonders
nachhaltige Planungsansätze gebunden“ seien, müsse ihre Freigabe nun erst
aufwändig geprüft werden, wie es in dem Zeitplan heißt, den
Anders-Granitzki auf Anfrage der Pankower SPD-Fraktion vorgestellt hat.
Begonnen werden könne daher erst im kommenden Jahr.
Bereits seit Monaten läuft allerdings ein neuer Grundwasserbrunnen, um den
in den vergangenen Jahren stark gesunkenen Wasserpegel wieder
auszugleichen. Dadurch sind inzwischen auch viele der kleinen Strände schon
wieder überspült worden, die in den letzten Jahren zum Naturbaden einluden.
Ob das die Wasserfreunde auch an den Tagen fernhalten wird, an denen das
Ordnungsamt nicht im Einsatz ist?
7 Jun 2022
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## AUTOREN
Tom Wohlfarth
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