# taz.de -- Serie „Wild Republic“: Jugendliche auf Abwegen | |
> Die Serie „Wild Republic“ erzählt, wie eine Bergtour jugendlicher | |
> Straftäter schiefgeht. Die Geschichte ist an „Herr der Fliegen“ | |
> angelehnt. | |
Bild: Marvin (Rouven Israel) ist Teil der Jugendlichen, die zur Wild Republic g… | |
Der Roman ist bald 70 Jahre alt, in seinem Kern aber kein bisschen | |
verstaubt. Anders lässt sich die Zahl der Variationen auf das „Herr der | |
Fliegen“-Thema, die das Serienschaffen derzeit hervorbringt, nicht | |
erklären. In „The Wilds“ und [1][„Yellowjackets“] sind es, anders als … | |
insoweit etwas überkommenen Original, keine Jungs, sondern Teenagerinnen, | |
die in der Zivilisation eingeübte Verhaltensweisen durch das Recht der | |
Stärkeren auf die Probe gestellt sehen. Natürlich nach dem obligatorischen | |
Flugzeugabsturz im Nirgendwo. | |
Aber muss es denn wirklich – und fast 20 Jahre nach „Lost“ (2004) – imm… | |
ein Flugzeugabsturz sein? In der deutschen Produktion „[2][Sløborn]“ | |
verschont eine Viruspandemie die Kinder und Jugendlichen auf einer Insel, | |
darunter die Teilnehmer eines Resozialisierungsprojekts für straffällig | |
gewordene Jugendliche – also solche, die schon vor der existenziellen | |
Grenzerfahrung ihre Probleme mit sozialadäquatem Verhalten hatten. | |
Diese sind es auch, die sich nun – in acht Folgen – auf der „Wild Republi… | |
niederlassen. Das Projekt ist diesmal kein Bauernhof auf einer | |
Nordseeinsel, sondern eine gemeinsame Bergtour in den Alpen. Wie es der | |
Initiator des Projekts, der Psychologe Lars Sellien (Franz Hartwig) in | |
einer Fernseh-Talkshow erklärt: „Jugendliche Straftäter haben meist sehr | |
starke Handlungsmuster entwickelt. Sie werden quasi automatisch immer | |
wieder straffällig. Und diese Handlungsmuster, die müssen wir | |
durchbrechen“, so Sellien. „Und das gelingt sehr gut, wenn man, wie wir, | |
mit ihnen diese Zeit in den Bergen verbringt. Wenn wir sie aus den Routinen | |
reißen. Denn wir wollen an den Kern ihrer Persönlichkeit.“ | |
Genau dorthin werden sie auch vorstoßen, nur etwas anders und intensiver | |
als vorgesehen. Die Verantwortung vor Ort trägt Selliens Freundin, die | |
Sozialarbeiterin Rebecca (Verena Altenberger). In ihrer Begründung | |
gegenüber den Jugendlichen schwingt am Ende bereits ein leiser Zweifel mit: | |
„Man macht das, weil man an euch glaubt“, sagt Rebecca. „Weil man glaubt, | |
dass ihr was Besseres verdient habt, als ihr bisher erlebt habt. Und weil | |
man glaubt, dass ihr besser seid, als es auf den ersten Blick vielleicht | |
aussieht. – Ist doch so, oder?“ | |
Nun, ja – und nein. Kaum sind die Jugendlichen aufgebrochen, schon liegt da | |
die Leiche des lokalen Bergführers. Die Jugendlichen haben ihre Erfahrungen | |
mit dem Staat und seinen Behördenvertretern gemacht, sie wissen: Man wird | |
das ihnen in die Schuhe schieben. Deshalb fliehen sie in die Wildnis – | |
soviel man davon in der Mitte Europas heute noch finden kann. Zum Beispiel | |
in einer Berghöhle. | |
Die Geiselnahme Rebeccas markiert die erste Konfliktlinie zwischen Ron | |
(Merlin Rose) und Justin (Béla Gabor Lenz): verantwortungsbewusster linker | |
Politaktivist aus großbürgerlichem Haus (mit Ulrich Tukur als | |
Vater-Darsteller) und dem gewaltbereiten, manipulativen Egoisten. Damit | |
nimmt der genretypische Konflikt seinen Lauf. | |
Auf der Produzenten-Seite haben hier, unter anderen, X Filme Creative Pool, | |
MagentaTV, Arte, WDR, SWR und One zusammengefunden. Die (Haupt-)Autoren | |
Arne Nolting, Jan Martin Scharf und Klaus Wolfertstetter haben sich nicht | |
erst im Writer’s Room kennengelernt, sondern alle schon für „Alarm für | |
Cobra 11“ geschrieben. Unter den beiden Regisseuren hat Markus Goller | |
(„Friendship!“) die größere Berufserfahrung, während Lennart Ruff einen | |
Netflix-Film („The Titan“) mit Sam Worthington in der Hauptrolle vorweisen | |
kann. | |
Auch hierzulande scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass viele | |
Köche den (Serien-)Brei nicht zwingend verderben. | |
Und staunend nimmt man – neben den hochästhetischen Landschaftsaufnahmen – | |
zur Kenntnis: Diese deutsche Serie kommt nicht so pompös daher, vermag aber | |
an internationale Standards und Vorbilder durchaus anzuschließen. Pro Folge | |
wird die (kriminelle) Vorgeschichte von jeweils einem Protagonisten in die | |
Rahmenhandlung eingeflochten. Das hat sich schon in „Orange Is the New | |
Black“ bewährt. | |
26 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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