# taz.de -- Finale in der russischen Premier Liga: Der Krieg und die Liga | |
> Der Exodus ausländischer Spieler hat massive Auswirkungen auf die | |
> russische Fußballliga. Rubin Kasan ist deshalb sogar abgestiegen. | |
Bild: Abflug: Der Däne Anders Dreyer hat Rubin Kasan längst verlassen | |
War irgendwas? Wer die Bilder vom letzten Spieltag der russischen Premier | |
Liga gesehen hat, würde nie auf die Idee kommen, dass Russland gerade einen | |
Krieg führt, dem schon Tausende Soldaten zum Opfer gefallen sind. Im | |
russischen Fußball ist fast alles wie immer. Zenit St. Petersburg ist | |
wieder Meister. Goldenes Konfetti regnete auf die Sieger. [1][Artjom | |
Dsjuba], der Sturmtank mit der fußballerischen Begabung eines Vorstoppers | |
vom Ende des 20. Jahrhunderts, hat die meisten Tore dazu beigetragen und | |
sich wieder mal irgendwas Witziges einfallen lassen. | |
Er hat sich seine Medaille im roten Ganzkörperkostüm des Superhelden | |
Deadpool aus dem Marvel-Universum überreichen lassen. Im selben Kostüm hat | |
er auch seinen Abschied von Zenit verkündet. Am kommenden Wochenende steht | |
noch das Pokalfinale an. Spartak Moskau trifft auf Dynamo, eines der | |
zahllosen Hauptstadtderbys, zu denen die Sportreporter tief in den | |
Anekdotenschatz aus der Fußballgeschichte greifen können. Wirklich nichts | |
Besonderes? | |
Doch, da gab es diese irrwitzige Pressekonferenz bei Rubin Kasan. Rustem | |
Saimanow, der Generaldirektor des Klubs, erklärte dreieinhalb Stunden lang, | |
wie es passieren konnte, dass der Klub aus Tatarstan, der der ersten Liga | |
19 Jahre lang angehört hat, der 2008 und 2009 die Meisterschaft geholt hat, | |
in dieser Saison auf einem Abstiegsplatz gelandet ist. Mithilfe unzähliger | |
Folien, in denen er aufgelistet hat, welcher Spieler wie lange auf dem | |
Platz stand, wollte er den Beweis antreten, dass sein Klub im Vergleich zu | |
anderen viel stärker vom [2][Exodus der Spieler aus dem Ausland] betroffen | |
war als andere. | |
Ohne den Krieg gegen die Ukraine oder die militärische Spezialoperation, | |
wie man in Russland zu sagen hat, zu erwähnen, war er plötzlich präsent. | |
Die Liga mit veränderten Kadern einfach fortzusetzen, so als sei nichts | |
geschehen, als hätten nicht unzählige Spieler wegen der russischen | |
Aggression die Liga verlassen, hat Saimanow zufolge den Wettbewerb | |
regelrecht verzerrt. Und so versuchte er Stimmung zu machen für eine | |
Erweiterung der Liga. Damit wäre der Abstieg von Rubin, das in der | |
Vorsaison noch auf Platz vier gelandet war, vielleicht doch noch | |
abzuwenden. | |
## Keine Ligaerweiterung | |
Am Dienstag wurde sein Vorschlag abgelehnt. Kasan muss in die zweite Liga | |
und wird dort weiter in der großen, 45.000 Zuschauer fassenden WM-Arena | |
spielen, die in Deutschland in die Fußballgeschichte eingegangen ist, war | |
sie doch der Ort, an dem sich die DFB-Auswahl gegen Südkorea aus dem | |
WM-Turnier von 2018 rausblamiert hat. | |
Trainer Leonid Slutski, der von 2015 bis 2016 Trainer der russischen | |
Auswahl war, will bei der Mannschaft bleiben. Billig wird das nicht. | |
Bislang hat der Energiekonzern Taif, der die Geschäfte in der | |
rohstoffreichen russischen Teilrepublik Tatarstan kontrolliert, für | |
finanzielle Sicherheit bei Rubin gesorgt. Radik Schaimijew, einer der | |
Miteigentümer von Taif, ist Präsident von Rubin Kasan. Er gehört zu den | |
russischen Milliardären, deren Namen bislang noch auf keiner Sanktionsliste | |
des Westens stehen. | |
Ob es sich der Klub leisten kann, mit einem teuren Kader den Wiederaufstieg | |
anzustreben, wird auch davon anhängen, wie sehr die russische | |
Rohstoffwirtschaft in Zukunft von europäischen Ölembargos in | |
Mitleidenschaft gezogen wird. | |
Bei einem anderen Klub, der am Tropf der Ölindustrie hängt, ist jetzt schon | |
zu sehen, dass das Geld nicht mehr ganz so reichlich fließt wie zu | |
Vormilitäroperationszeiten. Aus Kostengründen hat Spartak Moskau seine | |
Reserve, die bis dato in der zweiten Liga gespielt hat, vom Spielbetrieb | |
abgemeldet. Zu teuer sei das Unterfangen, ließ man mitteilen. | |
Zu teuer? Hauptsponsor des Klubs ist Lukoil, der nach Gazprom zweitgrößte | |
Energiekonzern Russlands. Dessen langjähriger Boss, der Multimilliardär | |
Wagit Alekperow, steht sehr wohl auf den Sanktionslisten westlicher Länder | |
und hat vor ein paar Wochen seinen Posten geräumt. Auch wenn niemand | |
darüber spricht, der Krieg gegen die Ukraine hat massive Auswirkungen auf | |
den russischen Fußball. | |
24 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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