# taz.de -- Brot für die Welt kritisiert G7-Staaten: Verständnis für Weizen-… | |
> Indiens Regierung verhindere mit ihrem Ausfuhrstopp Hunger im eigenen | |
> Land, so Brot für die Welt. Das Hilfswerk weist Kritik der G7-Länder | |
> zurück. | |
Bild: Begehrtes Lebensmittel: Bauer trägt Weizen nach der Ernte im indischen B… | |
BERLIN taz | Die Hilfsorganisation Brot für die Welt hat die Kritik der | |
G7-Staaten an Indiens Exportverbot für Weizen zurückgewiesen. „Es ist nur | |
gerechtfertigt, wenn die indische Regierung [1][Hunger] im eigenen Land | |
durch einen Ausfuhrstopp verhindern will“, sagte Francisco Marí, | |
Welternährungsreferent des evangelischen Hilfswerks, am Sonntag der taz. | |
Sonst würde der Staat Bauern zu wenig Getreide abkaufen können, um 500 | |
Millionen arme Inder mit subventioniertem Weizen zu versorgen. Denn | |
Exporteure zahlten den Landwirten wegen der drastisch gestiegenen | |
Weltmarktpreise derzeit viel mehr als die Regierung. | |
„Das gefährdet das sehr sensible System, das Indien in den letzten 10, 15 | |
Jahren aufgebaut hat, um sich nicht abhängig zu machen vom Weltmarkt“, | |
ergänzte Marí. Ohne die Festpreise würden viele indische Bauern den | |
Weizenanbau aufgeben, weil Importe in der Regel günstiger seien. | |
Indien hatte am Samstag ein sofortiges Ausfuhrverbot für Weizen verhängt. | |
Damit sollten Preissteigerungen im eigenen Land eingedämmt werden, teilte | |
die Regierung des weltweit zweitgrößten Weizenproduzenten mit 1,4 | |
Milliarden Einwohnern mit. Eigentlich wollte Indien in diesem Jahr eine | |
Rekordmenge von rund 10 Millionen Tonnen Weizen auf dem Weltmarkt verkaufen | |
und so dazu beitragen, ausbleibende Lieferungen aus der Ukraine zu | |
ersetzen. Eine ungewöhnlich frühe Hitzewelle mit Temperaturen von weit über | |
40 Grad in Indien hatte zuletzt aber die Sorge vor einer Missernte | |
geschürt. | |
Am Weltmarkt dürfte der Exportstopp die Preise nun weiter in die Höhe | |
treiben, sodass die Zahl der Hungernden in Entwicklungsländern steigen | |
könnte. Indien erklärte zwar, bereits bestehende Lieferverträge würden | |
erfüllt und auch Länder, die ansonsten um ihre Ernährungssicherheit | |
fürchten müssten, würden beliefert. Die Ausfuhr weiterer Mengen werde aber | |
gestoppt. | |
Durch den Krieg in der Ukraine können den Vereinten Nationen zufolge | |
derzeit knapp 25 Millionen Tonnen bereits geerntetes Getreide nicht aus dem | |
Land gebracht werden. Zudem wird sich die kommende Ernte nicht auf dem | |
bisherigen Niveau halten lassen. Das treibt weltweit die Preise. | |
Die G7-Mitgliedstaaten – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, | |
Japan, Kanada und USA – hätten sich gegen Exportstopps ausgesprochen, sagte | |
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir am Samstag zum Abschluss eines | |
Treffens mit seinen RessortkollegInnen der Ländergruppe in Stuttgart. „Wir | |
rufen dazu auf, die Märkte offen zu halten“, so der Grünen-Politiker. | |
Konkret an Neu Delhi gewandt, appellierten die G7 an Indien, seiner | |
„Verantwortung als G20-Mitglied gerecht zu werden“. | |
„Da muss ich schon mit dem Kopf schütteln, wie Herr Özdemir dazu kommt, | |
gerade Indien anzugreifen, obwohl die G7 selber Millionen Tonnen an Weizen | |
zusätzlich zur Verfügung stellen könnten, indem sie zum Beispiel weniger | |
Getreide als Kraftstoff verheizen oder verfüttern würden“, sagte | |
Entwicklungsexperte Marí. Zurzeit würden etwa 60 Prozent des in Deutschland | |
verbrauchten Weizens nicht auf dem Teller, sondern in Tank oder Trog | |
landen. Vieh benötigt auch Kalorien aus dem Futter für den Eigenverbrauch, | |
die deshalb für die menschliche Ernährung verlorengehen. | |
„Die Bundesregierung sollte gucken, wie Deutschland seinen Weizenverbrauch | |
reduzieren kann, statt nun Indien zu kritisieren, das wegen einer vom | |
Klimawandel verursachten Hitzewelle in Bedrängnis gerät“, so Marí. Eine von | |
Özdemir unterstützte Initiative für weniger Agrosprit wird bisher etwa von | |
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) blockiert. | |
Zudem verlangte Marí: „Die G7 sollten noch einmal darauf hinweisen, dass | |
Russland trotz der Sanktionen weiter Getreide exportieren darf – und dass | |
das auch so bleibt.“ Solche Signale an die Märkte könnten die Preise | |
senken, da eigentlich genug Getreide auf den Markt komme. Russland erwartet | |
nach eigenen Angaben eine Rekordernte und exportierte schon vor dem Krieg | |
mehr Weizen als die Ukraine. | |
„Außerdem muss der Westen Druck auf Russland ausüben, dass es die Ausfahrt | |
von Weizenschiffen aus den ukrainischen Häfen erlaubt“, ergänzte Marí. Die | |
G7-AgrarministerInnen verlangten das bereits. | |
Marí rief dazu auf, Staaten wie Tunesien und Ägypten schnell und | |
unbürokratisch zu helfen, wenn diese das wünschen. Tunesien decke 45 | |
Prozent, Ägypten 35 Prozent seines Kalorienbedarfs durch größtenteils | |
importierten Weizen. „Fatal ist es, wenn in dieser Situation der | |
Internationale Währungsfonds zur Bedingung macht, dass die betroffenen | |
Staaten Subventionen für Grundnahrungsmittel zurückfahren“, ergänzte Marí. | |
Solchen Forderungen des IWF solle die Bundesregierung entgegentreten. (mit | |
rtr/dpa) | |
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, dass etwa 80 | |
Prozent des Weizens in Tank oder Trog landeten. Brot für die Welt hat diese | |
Zahl inzwischen korrigiert: Laut dem Hilfswerk sind es etwa 60 Prozent. | |
15 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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