| # taz.de -- Sky-Serie „Tschugger“: Von Kiberern und Tschuggern | |
| > Auf Sky startet eine Schweizer Krimiserie, die man unbedingt im | |
| > Originalton sehen muss. Bullen werden dort etwa Tschugger genannt. | |
| Bild: „Tschugger“ Johannes Schmidhalter, genannt „Bax“ | |
| Was bitte ist jetzt ein Tschugger? Na das, was in Österreich ein Kiberer | |
| ist, nur eben in der Schweiz. Ein Bulle also. Wobei die Schweizer ja schon | |
| ein gewisses – Vorsicht: Niederdeutsch – Gedöns um ihren alemannischen | |
| Dialekt machen, angefangen dabei, dass sie darauf bestehen, ihr | |
| Schweizerdeutsch sei eine eigene Sprache und eben nicht bloß ein Dialekt. | |
| Da machen sie keine Kompromisse, obwohl doch die Schweiz quasi das | |
| Mutterland des Kompromisses ist. Man denke nur, apropos Tschugger, an die | |
| Schweizer „Tatorte“: die einzigen, die in Deutschland – und Österreich �… | |
| einer Synchronfassung gesendet werden (müssen). | |
| Aber was heißt hier „eine“ Sprache, „ein“ Dialekt?! Dass es nicht ein | |
| Schweizerdeutsch gibt, sondern offenbar viele, kann man aktuell in einer | |
| neuen Sky-Serie sehen: In „Tschugger“ lässt der Held namens Bax (David | |
| Constantin), der natürlich ein Antiheld ist, ein Tschugger, ein Bulle also, | |
| den von ihm in Ermangelung anderer Alternativen zum Undercover-Tschugger | |
| bestimmten Tschugger-Praktikanten – einen „Üsserschwiizer“ aus Zürich �… | |
| einen Satz („Ich bin der Pilot“) zigmal aufsagen, bis es wirklich passt, | |
| sein Wallissertitsch (= Walliserdeutsch). Tut es natürlich nicht, aber | |
| egal. | |
| In dieser Serie geben sich die Tschugger und die Gangster nichts in Sachen | |
| Inkompetenz, das passt dann schon. Nicht passen würde die Szene hingegen in | |
| irgendeiner synchronisierten Version, da bliebe die Sprache, um die es da | |
| geht, zwangsläufig auf der Strecke. Soviel immerhin versteht man, auch wenn | |
| man ohne Untertitel wenig verstünde. | |
| ## Krimi auf Schweizerdeutsch | |
| Das Walliserdeutsch ist gewissermaßen das Schweizerdeutsch unter den | |
| schweizerdeutschen Mundarten und selbst für andere Deutschschweizer schwer | |
| verständlich, wenn sie etwa aus dem Unterland stammen oder gar das dem | |
| Niederalemannischen zugeordnete Baseldeutsch sprechen. | |
| Man muss sich das also unbedingt im Original anhören, wie der Praktikant, | |
| um bei den Drogengangstern einzusteigen, sagt: „Ich bin der Pilot.“ Die | |
| Schweiz ist klein und alles dort eine Nummer kleiner. Der | |
| drogenschmuggelnde Praktikant fliegt nicht wie Tom Cruise als „Barry Seal“ | |
| eine Piper Aerostar, sondern eine Drohne. Und selbst die schmiert ihm ab, | |
| mitten auf einen italienischen LKW, der – nicht nur – Passata di pomodoro | |
| geladen hat. | |
| Der kleine Unfall setzt eine Kette von Ereignissen mit erstaunlich hoher | |
| Sterblichkeitsrate in Gang. Maßgeblich, wenn auch nicht allein dafür | |
| verantwortlich ist ein maximal schweigsamer italienischer Profikiller, der | |
| mit seiner Pumpgun sicher nicht von ungefähr an den Auftragsmörder Chigurh | |
| (Oscar für Javier Bardem) in „No Country for Old Men“ erinnert. | |
| ## Polizist im „,Beverly Hills Cop'-Modus“ | |
| Überhaupt erinnert in „Tschugger“ so einiges: an „Kottan ermittelt“ | |
| (Stichwort: Kaffeeautomat) und, wenn wir schon in Österreich sind, an die | |
| Verfilmungen der Brenner-Romane von Wolf Haas. Es geht betont brutal zur | |
| Sache, aber nicht allzu ernst. Und wie der Brenner (in „Der Knochenmann“) | |
| einen Finger einbüßt, so leidet in der letzten (von fünf) Folgen das | |
| Ohrläppchen vom Bax. Dem wird von einem Kollegen nicht nur ein „,Beverly | |
| Hills Cop'-Modus“ unterstellt. Er sieht mit seinem Pornobalken im Gesicht | |
| und der notorischen Sonnenbrille auch aus wie die Beastie Boys in ihrem | |
| legendären „Sabotage“-Video (von Spike Jonze), das wiederum amerikanische | |
| Polizei-Serien der 1970er Jahre parodiert. | |
| Und weil in der Serie Drogen der MacGuffin sind: Der neben David Constantin | |
| zweite Showrunner Mats Frey hat sich an der zweiten und dritten Staffel von | |
| „How to Sell Drugs Online (Fast)“ schon mal warmgeschrieben. Für Gags wie | |
| die, dass der Bax seinen Pistolen die Namen ehemals erfolgreicher Schweizer | |
| Tennisspielerinnen gibt – Patty Schnyder oder: „Austrittswunde von der | |
| Größe eines Tennisballs. Darum nenn ich sie auch Martina Hingis.“ | |
| Drogengangster sind nicht das einzige Problem der Walliser | |
| Kantonspolizisten. Es gibt da auch noch Altfaschisten und eine | |
| Bundespolizistin aus Bern (Anna Rossinelli), die interne Ermittlungen wegen | |
| einer aus dem Ruder gelaufenen Betriebsfeier anstellt: „Wenn die Madame von | |
| dem Radarfest Wind bekommt, dann wird der Laden hier dichtgemacht. Oder | |
| noch schlimmer: mit dem Unterwallis zusammengelegt. Und auf Französisch hat | |
| hier wirklich niemand Lust!“ | |
| 15 May 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Müller | |
| ## TAGS | |
| Sky | |
| Streaming | |
| TV-Krimi | |
| Krimi | |
| Schweiz | |
| Tatort Schweiz | |
| Wochenendkrimi | |
| Wochenendkrimi | |
| Serie | |
| Polizeiruf 110 | |
| TV-Krimi | |
| Tatort | |
| Tatort Schweiz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neuer Schweizer „Tatort“: Wenn Drohnen die Handlung rahmen | |
| Die „Tatort“-Folge „Blinder Fleck“ aus Zürich verlangt Aufmerksamkeit.… | |
| sie aufbringt, wird mit einem vielschichtigen Plot belohnt. | |
| Neuer „Tatort“ aus Zürich: Bäriger Krimi, halb ruiniert | |
| Realismus prägt diesen „Tatort“: Die Mafia ist legal, sexualisierte Gewalt | |
| allgegenwärtig. Leider fehlt das Vertrauen in die Sprachkompetenz. | |
| Sky-Serie „DMZ“: Zeit des Umbruchs | |
| Die Comicverfilmung „DMZ“ erzählt von einer dystopischen Welt. Das | |
| Endzeitszenario wird hier gespickt mit Familiendramen. | |
| Polizeiruf 110: Ach, die menschliche Psyche | |
| In der neuen „Polizeiruf 110“-Folge „Blackbox“ geht es darum, wie leicht | |
| Erinnerungen sich manipulieren lassen. Das ist wendungsreich und emotional. | |
| ZDF-Samstagskrimi „Waidwund“: Clever ausgedacht | |
| Der zweite Fall der neuen Krimi-Reihe aus Jena dreht sich um Wendegewinner, | |
| die sich auf Kosten anderer nach dem Ende der DDR bereichert haben. | |
| Franken-“Tatort“ „Warum“: Trauer als Lackmustest | |
| Der Franken-“Tatort“ ist nur bedingt spannend. Die Darstellung von Trauer | |
| und Verlust ist jedoch herausragend. | |
| Schweizer „Tatort“: Verzweiflung trifft Superreichtum | |
| Nach dem Experiment vom August kommt der neue Schweizer „Tatort“ sehr | |
| klassisch daher. Er gewinnt an Tiefe, als alles zum Kammerspiel gerinnt. |