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# taz.de -- Die Wahrheit: Das große Leiden
> Lebenslänglich Bayer: Was geht eigentlich bei den Oberammergauer
> Passionsspielen so ab? Futtert sich Jesus bei Feinkost Käfer durch?
Sie sind selten geworden, die Dinge, die eigentlich alle irgendwie gut
finden. Die [1][Passionsspiele von Oberammergau] sind so eine Sache. Kaum
ein schlechtes Wort ist zu hören über das große Laienspielspektakel, das
immer noch fast 500.000 Menschen sehen wollen, obwohl seit gut 2.000 Jahren
bekannt ist, wie das Stück ausgeht. Immer zur Passionsspielzeit werden die
immer gleichen Geschichten erzählt. Von den Friseuren zum Beispiel, die
keine Kasse machen, weil es für die mitwirkenden Männer Vorschrift ist,
Bart und Haare so lange wachsen zu lassen, dass man das Körperhaar als
Sandalenriemen verwenden kann. So Sachen halt.
Zwölf statt der üblichen zehn Jahre hat die Welt nun gewartet, bis endlich
wieder einmal echte Oberammergauer ans Kreuz genagelt werden.
Coronabedingt. Der Regisseur soll das Spektakel als Mahnung gegen den
Krieg inszeniert haben, und besonders wütend soll der bayerische Jesus
wohl sein, wenn er die Händler aus dem Tempel verjagt hat.
Es hat trotzdem allen gefallen, die die Premiere sahen. Regine Sixt zum
Beispiel, die Senior Executive Vice President Marketing bei einem
Autoverleih, oder der ewig jungen Uschi Glas. Deren Gesicht strahlte
beinahe faltenfrei in jede Kamera, obwohl die Schauspielerin als eine der
wenigen Gäste schon dabei war, als die Passionsspiele 1634 zum ersten Mal
zur Aufführung gekommen sind. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder
war ganz angetan, und weil eh so viele Ehrengäste aus Politik und
Wirtschaft da waren, hat er in der Pause gleich zum offiziellen Empfang der
Bayerischen Staatsregierung geladen.
Die Pause ist sowieso das Wichtigste für Oberammergau. Die ist so lang,
dass die Leute ein Drei-Gänge-Menü in einem der örtlichen Wirtshäuser zu
sich nehmen können. Das sollen sie auch gefälligst tun. In die Spielstätte
selber dürfen sie nicht mehr als einen halben Liter Flüssigkeit in einer
Plastikflasche mitnehmen. Aus Sicherheitsgründen, klar. Wer eine Karte
kauft, wird darauf hingewiesen, dass er doch gleich einen Tisch reservieren
möge. Am besten in dem temporären Passionswirtshaus am Passionshaus der
original Oberammergauer Feinkostfamilie Käfer aus München. Die serviert zum
Nachtisch „Feige, Dattel und Nüsse – inspiriert vom Heiligen Land“. Der
Sohn Gottes hätte seine wahre Freude daran gehabt, auch wenn er sich die
51,50 Euro für das Menü vielleicht gar nicht hätte leisten können.
Bei seiner Prominenz wäre er sicher zum Empfang beim Söder eingeladen
worden – wenn der nur damals halt schon gelebt hätte. So wie
[2][Ex-CSU-Chef Theo Waigel]. Der war jetzt fast ein wenig ratlos am Tag
der Premiere: „Wir haben gerade überlegt, welche Rollen im Passionsspiel
für uns denkbar wären – und wir sind auf nichts gestoßen“, sagte er. Die
Umstehenden müssen sich ganz schön gewundert haben. Warum bloß nur hat er
sein Leben lang die Haare seiner Augenbrauen nicht geschnitten, wenn er gar
keine Rolle in Oberammergau anstrebt? Weiß der Teufel!
20 May 2022
## LINKS
[1] /Oberammergauer-Passionsspiele/!5837759
[2] /CSU-Parteitag-mit-Soeder-und-Laschet/!5800104
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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Bayern
Christentum
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