| # taz.de -- Gedenken zum Tag der Befreiung: Blau-gelbe Socken und rote Fahnen | |
| > Tausende Menschen demonstrierten am 77. Jahrestag im Gedenken an die | |
| > Opfer des 2. Weltkrieges und in Solidarität mit der Ukraine. | |
| Bild: Polizisten wickeln eine große ukrainische Flagge im Berliner Tiergarten … | |
| Berlin taz | So angespannt war die Atmosphäre am 8. Mai in Berlin lange | |
| nicht. [1][Am Sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten] legten | |
| anlässlich des 77. Jahrestags zum Ende des Zweiten Weltkriegs nicht nur | |
| Politiker*innen Kränze nieder, es wurde auch demonstriert. | |
| Neben den Blumen am Denkmal dominierte die ukrainische Flagge, die einige | |
| Diplomat*innen über den Schultern trugen. Gegenüber demonstrierten | |
| währenddessen Hunderte Menschen, die von der Polizei immer wieder | |
| aufgefordert wurden, ihre Flaggen zu verstauen. Ausgenommen vom Verbot, die | |
| ukrainische, sowjetische und russische Fahne zu zeigen, waren am 8. und 9. | |
| Mai an 15 Gedenkorten Berlins nur das diplomatische Korps und die Veteranen | |
| des Zweiten Weltkrieges. | |
| Im Berliner Tiergarten stieg die Spannung derweil besonders, als der | |
| ukrainische Botschafter Andrei Melnyk den Gedenkort verließ. „Melnyk | |
| raus!“, schrie ein Teil der Demonstrant*innen, „Slawa Ukraini!“, („Ruhm… | |
| Ukraine“) die anderen. Die Polizei trennte die Demonstrant*innen sodann | |
| voneinander. Während der etwa zweistündigen Kundgebungen heizte sich sich | |
| die Stimmung unter den Demonstrant*innen weiter auf. Die | |
| pro-ukrainischen Protestierenden riefen, dass die Gebiete Donezk und | |
| Luhansk ukrainisch bleiben sollten. Sie sangen die ukrainische Hymne. Da | |
| man keine Nationalflagge hissen durfte, hatten sich viele | |
| Teilnehmer*innen gelbe Pullover und blaue Socken oder Hosen angezogen. | |
| Ein paar Meter weiter zeigten ein paar Leute eine rote Fahne, die an die | |
| Rote Armee erinnern sollte. Sie bezichneten sich als Antifaschisten. „Sogar | |
| das Singen auf Russisch wurde uns untersagt“, beklagte sich eine Frau. „Du | |
| kannst morgen auf Russisch singen: Heute ist der Tag der Kapitulation, | |
| nicht des Sieges“, widersprach ein anderer Mann. Eine der „roten“ | |
| Aktivist*innen beschwerte sich über die zahlreichen ukrainischen | |
| Flaggen am Kriegsgedenkort: „Russland wird als eindeutiger Feind | |
| ausgemacht, ohne im Interesse des Friedens zu handeln. Der Konflikt wird so | |
| noch angeheizt.“ | |
| ## Vom Kriegsgedenken zur Kriegspropaganda | |
| Der grüne Agrarminister, Cem Özdemir, und der Generalsekretär der SPD, | |
| Kevin Kühnert, besuchten das Ehrenmal ebenfalls. Ob sich derart viele | |
| Politiker*innen vor dem Krieg auf die Ukraine am 8. Mai [2][an den | |
| sowjetischen Gedenkorten] versammelt hätten – das fragten sich an diesem | |
| Tag viele. Am 77. Jahrestag ging es aber nicht nur um das Gedenken an den | |
| Zweiten Weltkrieg, sondern auch um den Krieg in der Ukraine. | |
| Ein pro-ukrainischer Demonstrant, der das Symbol des Regiments Asow auf dem | |
| T-Shirt trug, wurde darauf angesprochen. Rasch verteidigte er sich: „Ich | |
| bin kein Nazi, sondern ein stolzer Patriot meines Staats.“ Die Situation | |
| zeigt: Längst ist der Jahrestag zum Streitpunkt der nationalistischen | |
| Flaggen und Symbole geworden. Einige Menschen trugen T-Shirts mit | |
| kubanischen Flaggen und mit Referenzen auf die Internationale Brigade. Fast | |
| jeder fand einen Weg, um Stellung zum derzeitigen Angriff auf die Ukraine | |
| zu beziehen. | |
| Auch einige Russinnen des Vereins „Russians for Ukraine“, die gegen Putins | |
| Politik sind, hatten einen Stand neben den Demonstrationen aufgebaut. Am | |
| Montag, wenn die russischen Vertreter*innen die Kränze niederlegen, | |
| werden sie vor Ort sein. Der Verein entstand vor einem Jahr, lange vor dem | |
| laufenden Krieg, und möchte an die ursprüngliche Bedeutung des 8./9. Mai | |
| erinnern: „Befreiung, Kriegsende, nicht nur Sieg“, so Natascha, eine der | |
| Vereinsvertreterinnen. Sie bedauerte, dass der Tag seit Jahren „von Putin | |
| massiv missbraucht wird“. Nämlich vom Kriegsgedenken zur Kriegspropaganda. | |
| „Der Ukrainekrieg ist nicht der erste Krieg, den Putin führt.“ Anstatt | |
| einer Flagge trug sie einen Aufkleber: „Demokratie-я“, ein Wortspiel für | |
| das russische „Ich“ und das deutsche „Ja“. | |
| Auch in anderen deutschen Städten fanden am Sonntag sowohl pro-ukrainische | |
| als auch pro-russische Gedenkveranstaltungen und Kundgebungen statt. | |
| Besonders zahlreich war die Beteiligung in Köln bei drei Demonstrationen: | |
| „Solidarität mit der Ukraine“ (10.000 Teilnehmer), „Erinnerung an die Op… | |
| des Krieges“ (ein Autokorso mit 300 Autos zu einer Gedenkstätte für | |
| russische Zwangsarbeiter aus dem Zweiten Weltkrieg) und „Gedenktag der | |
| Opfer des Zweiten Weltkriegs“ (ein Motorradkorso mit 150 Bikern). (mit dpa) | |
| 8 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Gemma Teres Arilla | |
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