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# taz.de -- Berliner Pröpstin will Waffen liefern lassen: Naiver Glaube
> Die Vizechefin der Landeskirche fordert: Waffen in die Ukraine.
> Theologisch begründen kann sie das nicht.
Bild: „Ich weiß, ich weiß, ich weiß“: Christina-Maria Bammel
Es ist mal wieder Ostern – und Feste wie diese gehören zu den wenigen
Gelegenheiten, bei denen die immer dünner werdende Stimme der christlichen
Kirchen zu hören ist. In diesem Fall die Stimme von Christina-Maria Bammel,
die sich [1][auf „radioeins“ zu Auferstehung, Mitgliederschwund und
Ukrainekrieg äußern] durfte. Als Pröpstin der Evangelischen Kirche
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) ist sie die
Stellvertreterin des Bischofs und sozusagen oberste Theologin der
Landeskirche.
Natürlich wurde Bammel die Frage gestellt, wie sich die Kirche in Bezug auf
den Krieg im Osten positioniere. Immerhin gibt es traditionell eine starke
Verflechtung von [2][Ostermärschen und Protestantismus], und lange hingen
die evangelischen Kirchen einem Pazifismus an, der sich nun als
Schönwetter-Pazifismus entpuppt. Denn auch Frau Bammel will die ukrainische
Armee mit Waffen versorgen bzw. verlangt dies von der Bundesregierung.
Wer jetzt [3][wie VertreterInnen der Friedensbewegung fordere], keine
Waffen an die Ukraine zu liefern, „weil wir Gewaltfreiheit wollen, kann das
eigentlich nicht ernst meinen“, sagte Bammel: „Schon gar nicht aus unserer
eigenen, bequemen und komfortablen Situation heraus.“ Derselben Situation
also, aus der die Kirche seit Jahr und Tag ihre „Friedensethiken“ verfasst,
die mit einem Mal obsolet sein sollen.
Gewaltfreiheit, so Bammel, könnten nur diejenigen einfordern, die von
Gewalt betroffen seien. „Was wir sagen können, ist, wir stehen an der Seite
der Menschen, die angegriffen werden“, so die Würdenträgerin, die wie viele
andere einen Staat mit den Menschen gleichsetzt, die darin leben, und
unbequeme Fragen gar nicht erst stellt – wie die nach dem in der Ukraine
für Männer herrschenden Zwang, ihre körperliche und seelische Gesundheit
diesem Staat zu opfern, ob sie das nun wollen oder nicht.
Dass die Tür weit offen sein muss für alle, die flüchten, versteht sich von
selbst; ob Bammel auch Deserteuren dieses Privileg gönnen würde, bleibt
unklar. Noch viel gewichtiger aber ist ihr naiver Glaube, mehr tödliche
Waffen würden „Menschen schützen, weitere Gräueltaten verhindern und die
Verantwortlichen vor Gericht bringen“. In Wirklichkeit steigt damit das
Risiko eines nuklearen Kriegs, den es um jeden Preis zu verhindern gilt.
„Ich weiß, ich weiß, ich weiß“, stammelt die Pröpstin, „in welcher We…
auch Gefahren drin liegen.“ Nur will sie ganz offenbar nicht darüber
nachdenken.
## Die Kirche steht bei ethischen Fragen nackt da
Wenn eines aber in solchen Äußerungen überdeutlich wird, dann dieses:
Gerade in den existenziellen ethischen Fragen stehen die Kirchen völlig
nackt da. Eigentlich müssten sie in der Lage sein, klare Positionen auf der
Grundlage ihres Glaubens zu vertreten. Aber entweder lassen sich
ausgerechnet solche Fragen mithilfe der göttlichen Offenbarung nicht
beantworten. Oder das wenige, was sich aus dem Evangelium hierzu ableiten
lässt, passt nicht richtig in die aktuelle Agenda („Denn wer das Schwert
nimmt, der wird durchs Schwert umkommen.“)
Einmal nur auf die eigenen Texte Bezug zu nehmen und daraus etwas für die
Gesellschaft abzuleiten, ist KirchenvertreterInnen schon seit langer Zeit
regelrecht peinlich. Sie äußern sich stattdessen auf einer Ebene, auf der
auch jeder andere Mensch mit Sinn und Verstand argumentieren würde. Passt
ja auch – nur gibt es damit keinen Grund mehr anzunehmen, die Kirchen seien
in ethischen Dingen mit irgendeiner speziellen Legitimität ausgestattet.
Nein, Kirche hat heutzutage den Charakter eines Seelen-Spa – so wie
Pröpstin Bammel vom Osterfest mit Kerzen und Vogelgezwitscher und
gemeinsamem Frühstücken schwärmt, bei dem einen „dieses Leben durchflirrt�…
Das Flirren der Geschosse, die sie liefern will, wird sie nicht hören.
16 Apr 2022
## LINKS
[1] https://www.ardaudiothek.de/episode/wach-und-wichtig/proepstin-wir-machen-u…
[2] /Ostermaersche-in-Berlin/!5844922
[3] /Ostermaersche-in-Berlin/!5844922
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Evangelische Kirche
Ethik
Katholische Kirche
Ukraine
Katholische Kirche
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