# taz.de -- Partygate-Skandal in Großbritannien: Johnson zahlt und bleibt | |
> Der britische Premierminister muss ein Bußgeld wegen seiner | |
> Geburtstagsparty 2020 zahlen. Einen Rücktritt lehnt er ab. | |
Bild: Boris Johnson | |
LONDON taz | Der britische Premierminister Boris Johnson und sein | |
Finanzminister Rishi Sunak wollen im Amt bleiben. Das bestätigten sie beide | |
am Dienstag abend in getrennten [1][Erklärungen], nachdem bekannt geworden | |
war, dass die Londoner Polizei gegen sie Geldbußen für die Teilnahme an | |
einer Party am 19. Juni 2020 – Johnsons 56. Geburtstag – verhängt hat, weil | |
das ein Bruch der damaligen Corona-Kontaktregeln war. | |
Unter den inzwischen 50 Strafzetteln, welche die Metropolitan Police wegen | |
den als „Partygate“ bezeichneten Lockdownregelbrüchen im britischen | |
Regierungsviertel ausgestellt hat, ist auch einer an Johnsons Gattin Carrie | |
gegangen.Sie hatte die Überraschungsparty für Johnson mitsamt „Union Jack | |
Torte“ organisiert. Im Dezember, als die illegalen Partys in 10 Downing | |
Street publik wurden, hatte Johnson noch alle Regelbrüche dementiert. Nun | |
ist er der erste Premier der britischen Geschichte, der im Amt wegen eines | |
Vergehens bestraft wird. | |
Nach den damaligen Corona-Regeln durften die Menschen in Großbritannien | |
keinerlei Zusammenkünfte besuchen: weder Beerdigungen noch Hochzeiten, | |
geschweige denn Geburtstagsfeiern. „Im Namen der bisherigen britischen | |
187.929 Opfer“ forderte deswegen eine Gruppe von Menschen, die | |
Familienangehörige in der Pandemie verloren haben, Johnsons Rücktritt. | |
Johnson habe eine Strafe bezahlt, „jene, die wir liebten, zahlten mit ihrem | |
Leben“, schrieben sie in einer Erklärung. Auch alle Oppositionsparteien | |
fordern geschlossen Johnsons Rücktritt. Labourchef Keir Starmer sprach von | |
einer Ohrfeige an alle, welche die Regeln einhielten. | |
Nach dem [2][Verhaltenskodex für Minister in Großbritannien] sollen | |
Regierungsmitglieder zurücktreten, wenn sie „im Amt wissentlich gelogen | |
haben.“ Johnsons Gegner werfen ihm Lüge vor. Er bestreitet das. Er habe am | |
fraglichen Tag acht Termine gehabt und es ihm „nicht klar gewesen, dass ich | |
mit meiner Teilnahme an dem Geburtsagstreffen, unter Menschen mit denen ich | |
arbeite, und das weniger als zehn Minuten dauerte, die Regeln gebrochen | |
hätte.“ Er sagte weiter, dass er dies jedoch nun „demütigst akzeptiert“… | |
das Bußgeld – Berichten zufolge 50 Pfund (knapp 60 Euro) – bezahlt habe. | |
Nun stellt sich die Frage, ob die Bemühungen innerhalb der regierenden | |
Konservativen, Johnson aus dem Amt zu entfernen, wieder aufleben. Ein | |
Misstrauensvotum in der Fraktion findet statt, wenn 15 Prozent der | |
Fraktion, derzeit sind das 54 Abgeordnete, es einfordern. | |
Noch im Januar hatten manche Abgeordneten, wie der Parteiführer der | |
schottischen Konservativen Douglas Ross, der ehemalige Brexit-Minister | |
David Davis oder Expremierministerin Theresa May, keinen Hehl aus ihrer | |
Verurteilung Johnsons gemacht, und der konservative Abgeordnete Christian | |
Wakeford war wegen „Partygate“ sogar zu Labour übergelaufen., Inzwischen | |
hat sich das Blatt durch den Krieg in der Ukraine gewendet. | |
Ross hat seinen Misstrauensantrag deswegen inzwischen zurückgezogen. Sir | |
Roger Gale, ein weiterer Kritiker ersten Ranges, der im Januar ebenfalls | |
einen Misstrauensantrag bei der Fraktionsspitze hinterlegt hatte, sprach am | |
Dienstagabend so wie viele andere Konservative von der wichtigen Rolle des | |
Vereinigten Königreichs bezüglich der internationalen Koalition für die | |
Ukraine. Man dürfe nichts tun, was dies jetzt destabilisiere, sagte er | |
beschwichtigend. | |
Ob Johnson danke der Ukraine Partygate überlebt, ist dennoch fraglich. Am | |
5. Mai finden im Vereinigten Königreich Regionalwahlen statt. PIn zwei | |
Meinungsumfragen am Dienstagabend forderten jeweils 57 und 61 Prozent der | |
britischen Befragten Johnsons Rücktritt und bis zu 75 Prozent der Befragten | |
glaubten, Johnson habe im Parlament gelogen. Ein Desaster für die | |
Konservativen bei diesen Wahlen könnte die Stimmen stärken, die einen | |
Führungswechsel rechtzeitig vor den nächsten Parlamentswahlen 2024 | |
empfehlen. | |
Zudem dürften weitere Bußgeldstrafen folgen, denn die polizeilichen | |
Ermittlungen laufen weiter. Johnson soll an mindestens drei Ereignissen mit | |
Regelbrüchen teilgenommen haben. Und kommende Woche könnte die vollständige | |
Fassung des Partygate-Untersuchungsberichts der Downing-Street-Ethikchefin | |
Sue Gray erschienen, der im Januar wegen der Ermittlungen nur [3][in einer | |
Zusammenfassung] veröffentlicht wurde. | |
Und noch etwas ist seit Dienstagabend klar. Aufgrund des eigenen Bußgeldes | |
und den in den Medien weit gerügten Steueraffären seiner Gattin Akshata | |
Murty ist Finanzminister Rishi Sunak im Kampf um Johnsons Nachfolge | |
inzwischen aus dem Rennen. Die Hoffnungen der Parteimitglieder richten sich | |
stattdessen auf Außenministerin Liz Truss. | |
13 Apr 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.gov.uk/government/speeches/pm-statement-12-april-2022 | |
[2] https://www.gov.uk/government/publications/ministerial-code | |
[3] https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/… | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski | |
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