| # taz.de -- Digitalisierung von Polizeivernehmung: Zeugenaussage via Zoom | |
| > Bei der Polizei in NRW werden Vernehmungen künftig online durchgeführt. | |
| > Dadurch soll die Sachbearbeitung erleichtert werden. | |
| Bild: Eine Polizistin wählt sich in den digitalen Vernehmungsraum ein | |
| Berlin taz | Betroffene von kleinen Kriminaldelikten können zukünftig auch | |
| von zu Hause vernommen werden. Dies teilte das Innenministerium am Montag | |
| mit. Demnach wird die nordrhein-westfälische Polizei zukünftig die Option | |
| anbieten, dass Vernehmungen auch digital durchgeführt werden können. | |
| Neben Betroffenen haben Zeug:innen, Dolmetscher:innen sowie | |
| Rechtsbeistände dann die Möglichkeit, ihre Aussage nicht wie bislang vor | |
| Ort, sondern über eine Videokonferenz zu führen. Ziel dieses Verfahrens ist | |
| es, die Ermittlungsarbeit zu beschleunigen und Menschen, die zur Vernehmung | |
| erscheinen sollen, zu entlasten. Ferner sollen dadurch Kosten und Zeit | |
| gespart werden, da Hürden wie Anreise oder die Bearbeitung durch | |
| unterschiedliche Dienststellen entfallen. | |
| Die Sprecherin des Innenministeriums erklärte, das Verfahren laufe ähnlich | |
| ab wie bei Zoom, dem virtuellen Konferenzraum-System. „Wir nutzen das | |
| Videokonferenzsystem der Polizei, unser System fundiert also nicht auf | |
| Zoom. Aber es funktioniert ähnlich. Man bekommt einen Link zugeschickt, | |
| meldet sich darüber an und befindet sich erstmal in einem Warteraum. Wenn | |
| der vernehmende Beamte einen reinlässt, geht es weiter mit der | |
| Identifikation.“ | |
| Bislang war es für Zeug:innen und Geschädigte eine Pflicht, persönlich im | |
| Kriminalkommissariat zu erscheinen, um ihre Aussage aufzugeben. Wenn der | |
| Wohnort aber vom Tatort abwich, musste die Dienststelle am Wohnort die | |
| Vernehmung übernehmen. Bei Menschen, die im Ausland leben, wurde das | |
| Verfahren noch schwieriger. Mit der Digitalisierung soll die | |
| Sachbearbeitung und Verzögerung aufgrund mehrerer Ermittler:innen | |
| verkürzt werden. | |
| ## Gesteigerte Bereitschaft durch die Home-Office-Option | |
| „Wir sehen eher, dass dieses Verfahren mehr Chancen bietet. Mütter oder | |
| Väter müssen sich nicht um eine Betreuung kümmern, sondern können es von zu | |
| Hause aus machen. Dadurch steigt die Bereitschaft, an einer Vernehmung | |
| teilzunehmen“, so die Sprecherin. | |
| Die digitale Vernehmung ist für die Befragten optional. Neben der | |
| schriftlichen Protokollierung kann die Vernehmung auch digital | |
| aufgezeichnet werden. Dabei werden Beweismittel ebenfalls durch | |
| Bildschirmübertragung eingeblendet. Am Ende wird das Protokoll verlesen, | |
| korrigiert und durch die betroffene Person bestätigt. | |
| Ein Pilotprojekt dieser Art wird bereits seit Juli 2021 in Düsseldorf in | |
| echten Strafverfahren durchgeführt. Laut Innenministerium gab es durch die | |
| Option, die Vernehmung von zu Hause aus zu führen, eine gesteigerte | |
| Bereitschaft zur Teilnahme. Daher werde nun an einem landesweiten | |
| Umsetzungskonzept gearbeitet. | |
| Die Option der digitalen Vernehmung ist Teil der Initiative „Pro K“, die | |
| vom NRW-Innenminister [1][Herbert Reul] ins Leben gerufen wurde. Damit soll | |
| die Kriminalpolizei moderner, attraktiver und zukunftsfähig aufgestellt | |
| werden: „Die Ergebnisse aus dem Polizeipräsidium Düsseldorf zeigen einmal | |
| mehr, dass die NRW-Polizei mit der Zeit geht und sich nicht nur für den | |
| Bürokratieabbau, sondern auch für das Berufs- und Familienleben einsetzt“, | |
| so Reul. | |
| ## Endlich auch mal gute Nachrichten? | |
| Von der Maßnahme betroffen sind Vernehmungen, bei denen es sich um leichte | |
| bis mittelschwere Kriminalität wie Körperverletzung oder Beleidigung | |
| handelt. Für schwere Verbrechen wie Mord oder Sexualdelikte findet die | |
| Vernehmung weiterhin vor Ort statt. Dies gilt auch für andere sensible und | |
| schwere Delikte, die besondere Anforderungen für den Opferschutz stellen. | |
| Mit dem Online-Verfahren ist NRW das erste Bundesland, in dem eine solche | |
| Home-Office-Option angeboten wird. Die digitale Möglichkeit wird es in | |
| allen 47 Kreispolizeibehörden geben, sie soll bis Jahresende überall | |
| einsatzbereit sein. | |
| Nach mehreren Skandalen bei der nordrhein-westfälischen Polizei wie | |
| [2][Verheimlichung und Datenlöschung], [3][Polizeigewalt] sowie enttarnten | |
| [4][rechten Chatgruppen] ist die Digitalisierung von Vernehmungen eine | |
| erfreuliche Nachricht. Ob dadurch der Beruf der Kriminalbeamt:innen | |
| tatsächlich attraktiver wird, bleibt allerdings ungewiss. | |
| 12 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Demo-gegen-Versammlungsgesetz-in-NRW/!5783722 | |
| [2] /Todesfall-Amad-Ahmad-in-der-JVA-Kleve/!5772229 | |
| [3] /Tod-in-Gewahrsam-verschwiegen/!5810906 | |
| [4] /Rechtsextreme-Chats-bei-Polizei-NRW/!5755198 | |
| ## AUTOREN | |
| Shoko Bethke | |
| ## TAGS | |
| Polizei NRW | |
| Polizei | |
| Digitalisierung | |
| Digitale Medien | |
| Herbert Reul | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Polizei NRW | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Verschärftes Polizeigesetz in NRW: Vor allem Klimaaktivistis im Visier | |
| Das neue Polizeigesetz in NRW wurde offiziell mit dem Kampf gegen Terror | |
| begründet. Doch in Langzeitgewahrsam landen vor allem Klimaaktivist:innen. | |
| Todesfall in Wuppertal nach Festnahme: 25-Jähriger stirbt auf Polizeiwache | |
| Ein festgenommener Mann bricht auf einem Wuppertaler Revier zusammen und | |
| stirbt. Erst nach öffentlichem Druck wird darüber informiert. | |
| Polizeigewalt im Hambacher Wald: Prozess nach 4,5 Jahren | |
| Filmemacher Todde Kemmerich hat das Land NRW wegen Polizeigewalt im | |
| Hambacher Wald verklagt. Sechs Stunden lang befragte das Gericht nun | |
| Zeugen. |