| # taz.de -- Konzertempfehlungen für Berlin: Fast wieder normal? | |
| > Die Musik kommt zurück und die Vielfalt: verrückte Finnen, | |
| > US-amerikanische Jazzgrößen und Revolution im philippinischen | |
| > Kolonialismus als Spektakel. | |
| Bild: Khavn debütiert mit der Oper „SMAK!“ in der Volksbühne | |
| Man reibt sich die Augen, wenn man in den Konzertkalender schaut. Die Welt | |
| geht zwar alles andere als ihren normalen Gang, auch der Kulturbetrieb tut | |
| es nicht, doch es geht wieder merklich weiter. Mit der Musik. Und mit den | |
| Musikern, die irgendwie wieder wie selbstverständlich von überall her nach | |
| Berlin finden, um aufzutreten. | |
| Einen nicht ganz so weiten Weg musste [1][der sardische Komponist und | |
| Cellist Stellan Veloce] für sein Konzert am Freitag (8. 4.) nehmen: Veloce | |
| lebt in der Stadt. [2][Im KM28 stellt er sein neues Album „Stellan Veloce’s | |
| Complesso Spettro“ vor]. Ein komplexes Spektrum bildet denn auch die | |
| Konstellation an Stilen, die Veloce in der Musik zusammenbringt. | |
| Von Drone-Flächen über Improv-Klangarbeiten und Jazz-Freispiel bis hin zu | |
| Annäherungen an instrumentalen Indie-Rock reicht das, falls man die Sache | |
| grob sortieren möchte, was Veloce im Verbund mit den Kollegen Andreas | |
| Dzialocha am Bass, der Gitarristin Julia Reidy, den Schlagzeugern Earl | |
| Harvin und Carlo Spiga und der Hornistin Elena Kakaliagou schafft. | |
| Spiga stellt am selben Abend auch sein Projekt „Makika“ vor. Zum Einsatz | |
| kommen bei ihm das sardische Blasinstrument Launeddas, Stimme, Sampler, | |
| Gitarre, Tonband und selbstverständlich Schlagzeug (Karl-Marx-Str. 28, | |
| 20.30 h, keine Reservierung nötig). | |
| Wo wir gerade beim Schlagzeug sind: Einen US-amerikanischen Altmeister an | |
| diesem im Jazz üblicherweise unverzichtbaren Instrument gibt es am Sonntag | |
| (10. 4.) im [3][Industriesalon Schöneweide] zu erleben. Dort gastiert Barry | |
| Altschul mit seiner Band 3 Dom Factor, bestehend aus dem Saxofonisten Jon | |
| Irabagon und dem Bassisten Joe Fonda. | |
| Altschul, der unter anderem Avantgarde-Erfahrungen mit dem Komponisten | |
| Anthony Braxton gesammelt hat, spielt mit seinem Trio bevorzugt frei. Frei | |
| von Noten, frei von Stilvorgaben, was die Emanzipation der Dissonanz im | |
| friedlichen Nebeneinander mit der Konsonanz klar einschließt. Ein | |
| konsequentes Plädoyer für aufmerksame Freiheit in der Musik. Kann man auch | |
| politisch verstehen (Reinbeckstr. 9-10, 15.30 h, 10,65 €, [4][Tickets gibt | |
| es hier]). | |
| Sich freimachen im Sinn von locker machen kann man dann am Sonntag (10. 4.) | |
| [5][im Urban Spree] beim „verrückten“ Finnen Jimi Tenor, der von seinen | |
| Heimorgel-Techno-Anfängen über Pophits und Orchester-Größenwahn hin zu | |
| Afrobeat-Neuaneignungen seinen ungeraden Weg gegangen ist. | |
| Das Publikum ist ihm darin in größeren und kleineren Zahlen gefolgt. Heute | |
| macht er von alldem ein bisschen, wie etwa auf seinem im Mai erscheinenden | |
| stimmig betitelten Album „Multiversum“. Bloß das mit dem Orchester lässt … | |
| diesmal vermutlich bleiben (Revaler Str. 99, 20.30 h, [6][Tickets: 22,40 | |
| €]). | |
| Am weitesten weg ist, wenn man so möchte, der philippische Künstler Khavn. | |
| Eigentlich ein Regisseur, der ein paar hundert Filme gedreht hat, aber | |
| ebenfalls Musiker, debütiert er jetzt am Mittwoch (13. 4.) mit einer Oper | |
| in der Volksbühne. „[7][SMAK! SuperMacho AntiKristo: A Headless 100-Act | |
| Opera To Avenge All Bicycles Of The Universe According to Jarry & Riza]“ | |
| nennt sich die Angelegenheit, sämtliche Fragen, die sich in Zusammenhang | |
| damit stellen sollten, sind vermutlich schwierig zu beantworten. | |
| Zumindest lässt sich sagen, dass es um das Theaterstück „König Ubu“ des | |
| französischen Pataphysikers Alfred Jarry und die Schriften des | |
| philippinischen Widerstandskämpfers José Rizal gehen wird, um den Kampf | |
| gegen die Kolonialherrschaft im Land, aber auch um neuere Entwicklungen. | |
| Für Musik sorgt unter anderem der Berliner Brezel Göring. Krude | |
| Inszenierungsmittel sind für Khavn dabei allemal ein probates Mittel. Allzu | |
| vorhersehbar dürfte sich der Abend eher nicht entwickeln (13. – 16., 19., | |
| 20., 27. & 28. April, Rosa-Luxemburg-Platz, 19.30 h, 15-36 €, [8][Tickets | |
| gibt es hier]). | |
| 7 Apr 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://stellanveloce.de/ | |
| [2] https://www.km28.de/ | |
| [3] https://www.industriesalon.de/angebote/veranstaltungen/ | |
| [4] https://www.eventbrite.de/e/barry-altschul-and-3-dom-factor-tickets-2783733… | |
| [5] https://www.urbanspree.com/program/concerts/jimi-tenor-and-band-%E2%80%A2-b… | |
| [6] https://www.koka36.de/jimi-tenor-u-band_ticket_141021.html | |
| [7] https://www.volksbuehne.berlin/#/de/repertoire/smak-supermacho-antikristo | |
| [8] https://ticket.volksbuehne-berlin.de/eventim.webshop/webticket/seatmap?even… | |
| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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