# taz.de -- Medienpodcast von Civis und SZ: Was ist die Wirklichkeit? | |
> Im neuen Podcast „quoted“ geht es darum, wie Medien den Blick auf | |
> Ereignisse prägen. Das ist gut gemacht, nimmt aber nur jene mit, die sich | |
> auskennen. | |
Bild: Wie wird sie gesehen? Und was haben die Medien damit zu tun? Rechtspopuli… | |
Februar 2022, der CBS-Auslandsreporter Charlie D’Agata sagt Folgendes in | |
die Kamera: „Bei allem Respekt, das ist kein Ort wie Irak oder | |
Afghanistan.“ Er berichtet aus Kiew über den russischen Angriffskrieg. Dann | |
sagt er, die ukrainische Hauptstadt sei „relativ zivilisiert“ und „relativ | |
europäisch“. Nils Minkmar, Journalist der Süddeutschen Zeitung, erwidert im | |
eigenen Podcast: Afghanistan und Irak seien die Geburtsstätten der | |
menschlichen Zivilisation. Und ergänzt: „Als hier noch die Elche durch die | |
Wälder stapften.“ | |
D’Agatas Aussage hat vor allem eines offenbart: Wie stereotyp manche | |
westliche Journalist:innen auf nichtwestliche Nationen schauen – und | |
auch [1][auf die Menschen, die aus ihnen vor dem Krieg flüchten]. Genau das | |
ist Thema der ersten Folge von „quoted. Der Medienpodcast“, einem neuen | |
Podcast, in dem Minkmar zusammen mit der Kommunikationswissenschaftlerin | |
Nadia Zaboura über Berichterstattung spricht. Und darüber, wie Medien unser | |
Bild der Wirklichkeit beeinflussen. | |
In den dreißigminütigen Folgen, produziert von der Civis-Medienstiftung und | |
der Süddeutschen Zeitung, besprechen Zaboura und Minkmar aktuelle | |
Geschehnisse und wie die Medien sie darstellen. [2][In der ersten Folge | |
„Krieg und Krisen: Zweierlei Maß?“ beleuchten die Hosts], wie | |
unterschiedlich über Geflüchtete 2015 und 2022 berichtet wurde. In der | |
zweiten Folge fragen sie sich, warum [3][der französische Wahlkampf auch | |
dank der Medien so rechtspopulistisch dominiert war]. | |
Die Erkenntnisse sind lehrreich und eröffnen neue Blickwinkel auf | |
vieldiskutierte Probleme. Gästin in der ersten Folge ist Naika Foroutan, | |
die Direktorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und | |
Migrationsforschung. Sie erklärt, dass 2015 viele Wochen positiv über | |
syrische Geflüchtete und ihre Helfer:innen berichtet wurde. Das wurde | |
den Medien bald zu eintönig und man widmete sich von da an den kritischen | |
Stimmen. | |
## Angenehme Dynamik | |
Das Engagement blieb zwar, geriet aber in den Hintergrund. Foroutan: „Wir | |
haben die, die geholfen haben, immer mehr unsichtbar gemacht.“ In der | |
zweiten Folge stellen Zaboura und Minkmar fest, dass die Medien im | |
französischen Wahlkampf mehr über die politischen Figuren als ihre Politik | |
berichteten: Marine Le Pen als „Frau beim Katzestreicheln oder Rosétrinken“ | |
statt als die Rechtextreme, die rassistische Mythen auf riesigen Bühnen | |
verbreitet. Die Hosts erklären daran auch, wie Diskursverschiebung | |
funktioniert: Der Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour vertrat noch | |
radikaler rechtsextreme Positionen, sodass Le Pen plötzlich sogar politisch | |
gemäßigt wirkte. | |
Zu erklären, welche Phänomene in den Medien zu einer verzerrten Darstellung | |
der Realität führen können, kann Hörer:innen helfen, ihre | |
Medienkompetenz zu verbessern. Auch die Kombination der Hosts aus | |
Wissenschaftlerin und Journalist führt zu einer angenehmen Dynamik. Zaboura | |
stellt lieber Fragen, als große Hypothesen aufzustellen: „Kann | |
Berichterstattung Humanismus in Menschen entfachen?“, „Wer findet in den | |
Medien Gehör?“ Minkmar übersetzt den Wissenschaftsjargon Zabouras, wenn sie | |
von „disparaten Einheiten“ und „dynamischem System“ spricht, in | |
verständliche Sprache. Und er berichtet aus seiner praktischen Erfahrung | |
als Journalist, zum Beispiel aus Frankreich über sein Bild der sogenannten | |
Pariser Medienelite. | |
Bei all den wichtigen Fragen und Erkenntnissen kann man sich trotzdem | |
fragen, wie geeignet „quoted“ für Menschen ist, die noch kein | |
Hintergrundwissen über mediale und politische Zusammenhänge haben. Zweifel | |
daran kann man bekommen. Wenn Zaboura zwar sagt, dass [4][Deutschland | |
Mitverursacher von Fluchtbewegungen ist], aber nicht erklärt, warum das so | |
ist. Oder wenn die Hosts anreißen, dass sich der französische Wahlkampf | |
inhaltlich von der Kaufkraft-Debatte zu Symbolpolitik entwickelt habe. Oft | |
bleiben die Begriffe anspruchsvoll und die Erklärungen spärlich. | |
Als Minkmar die Zielgruppe einer linksliberalen französischen Radiosendung | |
als „pensionierte Lehrer und ehemalige Gewerkschaftsfunktionäre“ | |
beschreibt, könnte das auch auf „quoted“ selbst zutreffen. Die Frage | |
bleibt: Schließt dieser Medienpodcast mit seiner abstrakten Sprache und | |
manchem vorausgesetzten Wissen wieder nur Leute ein, die sich sowieso schon | |
auskennen? | |
2 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Berichterstattung-ueber-Migrantinnen/!5827462 | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/medien/neuer-podcast-quoted-der-medienpodcast-1… | |
[3] /Praesidentschaftswahl-in-Frankreich/!5824979 | |
[4] /Fluechtling-ueber-deutsche-Waffenindustrie/!5222868 | |
## AUTOREN | |
Emeli Glaser | |
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