| # taz.de -- Fastenbrechen in Ägypten: Fasten, feiern – und sparen | |
| > Im Ramadan wird tagsüber gefastet – und abends umso opulenter gegessen. | |
| > Doch für Arme schrumpfen die Portionen – eine Folge des Ukraine-Kriegs. | |
| Bild: Zu Iftar muss etwas Besonderes auf den Tisch: gemeinsames Fastenbrechen i… | |
| Zu viel ist nie genug“, lautet das Motto im Ramadan. In den Gassen des | |
| Kairoer Armenviertels El-Nakhl im Norden der Stadt leuchtet und blinkt es | |
| abends nach dem Iftar, dem Fastenbrechen an allen Ecken und Enden. Die Wege | |
| sind eng. Zwischen den Häuserzeilen sind zahllose Lichterketten und Schnüre | |
| mit im Wind flatterndem Lametta gespannt. Oben, im dritten Stock, schwingt | |
| eine überdimensionale Fanus – eine bunte Ramadan-Laterne vor. Darunter | |
| steht ein Eishändler. Auf seinem Handwagen ist ein Lautsprecher | |
| installiert, aus dem der neueste ägyptische HipHop-Song blasted, während | |
| die Kinder einen ziemlich energetischen Tanz hinlegen, der irgendwo | |
| zwischen Break- und Kosakentanz angesiedelt ist. | |
| Der islamische Fastenmonat, der in jedem neunten Monat des Mondjahrs | |
| stattfindet, ist für gläubige Muslime nicht nur eine spirituelle Zeit der | |
| Besinnlichkeit. Es ist der heilige Monat, in dem nach ihrem Glauben der | |
| Koran offenbart wurde. Aber ähnlich der christlichen Weihnachtszeit geht es | |
| auch um durchaus Weltliches. Es ist auch die Zeit der Familienfeste. So | |
| findet in Ägypten jeden Abend mit dem Fastenbrechen ein 30 Tage andauerndes | |
| Volksfest auf den Straßen statt. | |
| „Als wir klein waren, haben wir immer auf diesen Monat gewartet“, erinnert | |
| sich der 28-jährige Ahmad Wahed, der in der Gasse in El-Nakhel lebt. „Die | |
| Ramadan-Atmosphäre ist einfach etwas Besonderes, vor allem die Laternen und | |
| Lichter. Mein Vater kam von der Arbeit und hat eine Ramadan-Laterne | |
| mitgebracht, die meine Geschwister und ich bestaunt haben“, erzählt er. Das | |
| Iftar ist der Höhepunkt des Tages. „Wir haben jeden Abend mehr als eine | |
| Mahlzeit auf dem Tisch. Und wir lieben es, in dieser Zeit | |
| zusammenzukommen.“ | |
| Das Paradox: Ausgerechnet im [1][Fastenmonat] dreht sich viel ums Essen. | |
| Denn wer den ganzen Tag nichts zu sich nimmt, ist abends hungrig und möchte | |
| das Fasten festlich im Kreis seiner Lieben brechen. „Der durchschnittliche | |
| Lebensmittelverbrauch nicht nur in Ägypten, sondern in der gesamten | |
| arabischen Region und vieler islamischer Länder, schießt aufgrund der | |
| Gebräuche und Traditionen nach oben“, sagt dazu der Sudanese Nasredeen Haj | |
| Al-Amin, der in Kairo das Büro der [2][FAO] leitet, der Ernährungs- und | |
| Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. „Und das signifikant. | |
| Laut Schätzungen steigt der Lebensmittelverbrauch im Monat Ramadan auf bis | |
| zu 30 Prozent“, fügt er hinzu. | |
| Und genau das ist die große Herausforderung im diesjährigen Ramadan. Denn | |
| aufgrund der Coronapandemie und des Ukraine-Kriegs sind in den letzten | |
| Monaten die Nahrungsmittelpreise weltweit und auch in Ägypten dramatisch | |
| angestiegen. Der von der FAO monatlich herausgegeben Preisindex für | |
| Grundnahrungsmittelpreise hat im März den höchsten Stand seit Gründung der | |
| UN-Organisation 1990 erreicht. | |
| Nirgends sind die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs für Ägypten deutlicher | |
| als beim Weizen. Über 80 Prozent des Weizens der Fladenbrote stammt aus der | |
| Ukraine und aus Russland. Der Ausfall der Weizenlieferungen bedeutet, dass | |
| Ägypten nun wesentlich teurer auf dem Weltmarkt einkaufen muss. Der Preis | |
| für Brot, dass nicht vom Staat subventioniert wird, ist zwischenzeitlich um | |
| ein Drittel gestiegen. Aber das gilt auch für viele andere Lebensmittel. | |
| Der Leiter der FAO-Büros beschreibt, was das in einem Land bedeutet, in dem | |
| fast ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 2 Euro am Tag | |
| lebt. „Ärmere Familien haben die Wahl: Sie können entweder weniger gesundes | |
| und nahrhaftes Essen konsumieren. Oder sie reduzieren, das heißt, sie | |
| konsumieren das gleiche Essen, aber weniger davon. Vom Standpunkt der | |
| Nahrungsmittelsicherheit aus sind beide Situationen für diese Familien | |
| problematisch“, sagt El-Amin. | |
| Niemand hungert in Ägypten, aber Mangelernährung ist weit verbreitet. Über | |
| 80 Prozent der ägyptischen Bevölkerung konnte sich schon vor den letzten | |
| Preissteigerungen keine ausgewogene und gesunde Ernährung leisten, | |
| schlussfolgert ein FAO-Bericht. | |
| ## Hohe Preise trotz staatlicher Sonderangebote | |
| Der ägyptische Staat versucht das Problem im Ramadan abzufedern und | |
| subventioniert in gesonderten Verkaufsstellen einige der Nahrungsmittel. | |
| Zum Beispiel im Al-Ahram-Supermarkt in der Ahmad-Urabi-Straße im Zentrum | |
| Kairos. Der Laden wird vom Versorgungsministeriums unterhalten, angeboten | |
| wird eine bescheidene Auswahl an Grundnahrungsmitteln. „Unsere Preise sind | |
| manchmal bis zu einem Viertel oder sogar einem Drittel billiger. Diese | |
| Verkaufsstellen versuchen, auf dem Markt eine Balance zu schaffen, damit | |
| einzelne freie Händler die Situation, die wir gerade erleben nicht | |
| ausnutzen können“, erläutert der Filialleiter Muhammad Kamal. | |
| Das Problem der Preissteigerungen verschiebt sich allerdings damit nur. Es | |
| ist das ohnehin strapazierte Budget des Staats, das für die zusätzlichen | |
| Kosten aufkommen muss. Das Militär und Innenministerium unterhalten | |
| ähnliche Stände mit Ramadan-Rabatten. Das ist das Ventil, mit dem der Staat | |
| hofft, möglichen Ärger über Preissteigerungen und die teuren Nahrungsmittel | |
| ablassen zu können. | |
| Die Angst staatlicher Seite ist groß, dass es in Ägypten erneut zu | |
| Brotaufständen wie 1977 kommen könnte. Als der damalige ägyptische | |
| Präsident Anwar El-Sadat den Brotpreis erhöhte, folgten blutige Unruhen, | |
| die nur mit Hilfe der Armee und mit der Rücknahme der Preiseerhöhung und | |
| der Wiedereinführung der Brotsubventionen beendet wurden. | |
| Noch lebhafter in der Erinnerung der Regierenden in Kairo ist die Zeit des | |
| Arabischen Frühlings, als die die Menschen mit dem Slogan: „Brot, Würde und | |
| soziale Gerechtigkeit“, auf den Tahrir-Platz kamen und den Diktator Hosni | |
| Mubarak stürzten. | |
| Auffällig ist, dass auch in dem subventionierten Supermarkt die | |
| Einkaufswagen relativ leer bleiben. Auf Vorrat zu kaufen kann sich hier | |
| niemand leisten. Manche studieren die Preise ganz genau. Oft nehmen sie ein | |
| gewünschtes Produkt aus dem Gefrierfach – um es nach eingängigem Studium | |
| wieder zurückzulegen. Ein Kunde nimmt zwei Schachteln Tee aus dem Regal, | |
| schaut auf den Preis, um dann eine der Schachteln wieder zurückzustellen. | |
| „Dieser Ramadan ist anders als früher. Es ist alles viel schwieriger. Die | |
| Preise sind selbst hier sehr hoch. Aber wir versuchen, das Beste daraus zu | |
| machen, wie früher, aber ehrlich gesagt schaffen wir das nicht. Aber wir | |
| danken Gott für das, was wir haben“, sagt Hassan El-Rasoul, der mit einem | |
| leeren Einkaufswagen durch die Regalgänge kreuzt. | |
| Umm Omar bereitet in ihrem Haus im Armenviertel El-Zilzal für ihre Familie | |
| das Iftar vor. Sie schafft es gerade einmal so, sich mit ihrer Familie über | |
| Wasser zu halten. Sie arbeitet als Köchin in den Häusern wohlhabender | |
| Ägypter; sechs Tage die Woche meist morgens und nachmittags in zwei | |
| Schichten in zwei unterschiedlichen Haushalten, bevor sie schließlich nach | |
| Hause kommt und in ihrer eigenen Küche steht. Sie lebt mit ihren beiden | |
| Söhne Hassan und Hussein in einer sehr beengten Zweizimmerwohnung. Heute | |
| ist auch noch ihr ältester Sohn Omar und dessen Frau Reem zu Besuch. | |
| Umm Omar ist geschieden. Sie ist kein Einzelfall. Ein Drittel aller | |
| Haushalte werden, laut ägyptischen Statistikamt, von einer | |
| alleinerziehenden Frau geführt. | |
| Sie führt in ihre enge Küche. Heute hat sie eine Hühnersuppe, Reis, | |
| Makkaroni und Hühnchen für das Fastenbrechen vorbereitet. „Das Wichtige am | |
| Ramadan ist, dass wir vernünftig essen. Wir versuchen, jeden Tag etwas | |
| Besonderes zuzubereiten. Denn niemand fastet einen Monat lang und isst dann | |
| braune Bohnen oder Makkaroni, wie wir das den Rest des Jahres oft tun. Das | |
| reicht im Ramadan nicht. Nach dem Fasten muss es einen vollen Tisch geben, | |
| mit einer Suppe, Fleisch oder Hühnchen und Kohlehydraten“, erklärt sie. | |
| Aber diesen Ramadan ist das Einkaufen für sie eine besondere | |
| Herausforderung. „Ich versuche, so sparsam wie möglich zu sein. Ich gehe | |
| auf dem Markt und sehe, wie teuer die Dinge geworden sind“, erzählt sie. | |
| Manchmal koste es das Doppelte, verglichen mit letztem Ramadan. „Anstatt | |
| zwei Stücke von etwas zu kaufen, kaufe ich nur eines. Das muss für uns | |
| reichen“, sagt sie. | |
| Während Haushalte in Deutschland im Schnitt etwas mehr als 10 Prozent ihres | |
| Einkommens für Nahrungsmittel aufwenden, sind es in Ägypten 40 Prozent. Das | |
| global geltende Prinzip ist so einfach wie brutal: Je ärmer ein Haushalt | |
| ist, umso größer ist der Anteil des Einkommens, der für Nahrungsmittel | |
| ausgegeben werden muss. „Nur Gott weiß, wie wir das schaffen. Ich arbeite | |
| praktisch nur, um genug für unser Essen auf den Tisch zu bringen. Früher | |
| haben wir ein wenig Geld auf die Seite bringen können, aber das ist jetzt | |
| vorbei“, führt die 43-Jährige aus. | |
| Kurz bevor man im Freien einen schwarzen Faden nicht mehr von einem weißen | |
| unterscheiden kann und das Iftar beginnt, wird gedeckt. Platz für einen | |
| Tisch gibt es nicht in der Wohnung. Die Familie deckt den Boden des Zimmers | |
| mit einer alten Zeitung. Darauf stellen sie die Speisen und schenken Saft | |
| aus. Traditionell wird das Fasten mit einem süßen, kalten und frischen | |
| Getränk gebrochen. | |
| Dann starrt alles auf den Fernseher. Dort ist zu sehen, wie eine Kanone auf | |
| der Saladin-Zitadelle am östlichen Rand der Altstadt abgefeuert wird. | |
| Früher fand das tatsächlich statt, seit ein paar Jahren leider nur noch | |
| virtuell im Fernsehen. Das ist der Startschuss für das Iftar in Kairo. | |
| Jetzt folgt auch der erlösenden Ruf des Muezzins. Der ist im Stereo draußen | |
| auf der Straße und im Fernseher zu hören. Überall beginnen die Fastenden zu | |
| diesem Zeitpunkt mit ihrem Ramadan-Frühstück. Auch in Umm Omars Haushalt, | |
| wo sich alle um den gedeckten Boden gesetzt haben, wird nun zuerst etwas | |
| getrunken und dann von den Söhnen ziemlich hungrig zugegriffen. | |
| ## Sparen beim Fastenbrechen angesagt | |
| Aber das Besondere ist nicht nur das Essen, nachdem seit dem Morgengrauen | |
| nicht getrunken und nicht gegessen worden ist, sondern auch die Erfahrung, | |
| dies in der Gemeinschaft zu tun. Ein Iftar ist immer auch eine | |
| Zusammenkunft mit Familie, Freunden oder Kollegen. Und auch das ist dieses | |
| Jahr für viele eine besondere Herausforderung. | |
| Als ihre Familie den obligatorischen Tee nach dem Essen trinkt, kommt Umm | |
| Omar noch einmal ins Grübeln. „Dieser Ramadan ist anders. Wir können zum | |
| Beispiel keine anderen Leute nach Hause einladen, so wie wir das früher | |
| getan haben“, erläutert sie. Und wenn sie doch einmal ihre Geschwister und | |
| deren Kinder einlädt, dann brächten die etwas zu essen mit. Das ist | |
| eigentlich ein Affront gegen die sprichwörtliche ägyptische | |
| Gastbereitschaft. „Das ist peinlich, aber es geht nicht anders. Ich schaffe | |
| es nicht, sie alle einzuladen“, gibt Umm Omar zu. | |
| Wie immer in schwierigen Zeiten versuchen die Ägypter und Ägypterinnen das | |
| durch ihren Zusammenhalt zu überbrücken, der für ihr Überleben oft so | |
| zentral ist. Ahmad Waheed aus dem Armenviertel Ezbet El-Nakhl beschwört | |
| diesen Zusammenhalt auch diesen Ramadan. „Wir unterstützen uns gegenseitig. | |
| Wir wissen am Ende nicht, ob dieser Teil der Mahlzeit bei uns zu Hause | |
| gekocht wurde oder bei einem der Nachbarn.“ Das gehe von Wohnung zu | |
| Wohnung, sagt er. Und selbst von Balkon zu Balkon, über die sich die | |
| Einwohner in der engen Gasse fast die Hände reichen können, werde Essen | |
| ausgetauscht. | |
| Doch nicht alles lässt sich über Nachbarn und Freunde regeln. Im heiligen | |
| Ramadan wird das Prinzip der Solidarität besonders großgeschrieben. Eine | |
| gute Tat zählt für Gläubige in dieser Zeit mehrfach. „Der Prophet hat uns | |
| gelehrt: Wenn du nicht nur fastest, sondern auch noch jemandem dabei | |
| hilfst, am Ende des Tages sein Fasten zu brechen, wird dir das von Gott | |
| doppelt angerechnet“, erklärt der islamische Rechtsgelehrte Abu El-Yazeed | |
| von der islamischen [3][Al-Azhar-Universität] im Gespräch mit der taz. Das | |
| sei der Grund für die großen Armenspeisungstafeln, die von Wohlhabenden | |
| überall in der Stadt organisiert werden und die als Maidat El-Rahman, also | |
| als Gnadentafeln, bezeichnet werden. Es sei eine Gnade für den, der dort | |
| Essen bekomme, und für den, der das Essen gespendet habe, erläutert der | |
| Scheich. | |
| ## Hilfe für Bedürftige ist eine Pflicht | |
| Zwei Jahre lang gab es keine derartigen Tafeln, da sie während der Pandemie | |
| wegen der Ansteckungsgefahr untersagt waren. Dieses Jahr wird diese | |
| Tradition wieder gepflegt, so wie seit 1.150 Jahren. Damals forderte | |
| Ägyptens Herrscher [4][Ahmad Ibn Tulun] die reichen Händler und Notablen | |
| der Stadt auf, die Bedürftigen einen Monat lang an solchen Tafeln zu | |
| speisen. Heute soll es allein in Kairo um die 40.000 solcher Tafeln geben, | |
| schätzt die Religionsbehörde. Täglich, so heißt es, werden über 3 Millionen | |
| Menschen dort versorgt. An manchen speisen über 1.000 Menschen. | |
| Aber auch in der Coronazeit, als die Gnadentafeln verboten waren, mussten | |
| die Armen versorgt werden. Seitdem ist eine Art Iftar-Home-Delivery für sie | |
| entstanden – eine Institution, die heute weitergeführt wird. In einem | |
| Bürogebäude in Tagamua Awal – einem Viertel der Bessergestellten im Osten | |
| Kairo – sind mehrere Büroräume in eine improvisierte Großküche umgewandel… | |
| Über 80 Freiwillige aus dem Viertel kommen hier jeden Tag zusammen, um | |
| einzukaufen, zu kochen, zu verpacken und zu verschicken. „Die kommen hier | |
| mittags völlig fertig an. Schließlich fasten sie alle. Aber sobald die | |
| Action losgeht, verfliegt alle Müdigkeit. Das fühlt sich dann so an, als | |
| würden Engel zu uns herabgeschickt, um mitzuhelfen“, sagt begeistert | |
| Muhammad Gamal, der die Gnadenküche leitet. | |
| ## 1.200 mal Hühnchen | |
| Es ist eine gigantische Operation. An einem Tag wird hier eine halbe Tonne | |
| Reis zubereitet. „Dazu haben wir heute 1.200 Hühnchen, Hühnerleber, Pasta, | |
| Gemüse und Salat“, listet Gamal den heutigen Speiseplan auf. „Bereite für | |
| die Armen nur das vor, was du auch selbst gern isst“, lautet Gamals Motto, | |
| der hier von allen nur Jimmy genannt wird. | |
| Die Spenden und die Freiwilligen mobilisiert Jimmy über Facebook oder | |
| Instagram. Aber auch er kämpft mit den hohen Lebensmittelpreisen. „Mit | |
| derselben Summen an Spenden, mit der ich im letzten Ramadan noch 8.000 | |
| Mahlzeiten täglich aufstellen konnte, schaffe ich heute nur nach 5.000“, | |
| rechnet er vor. Es ist eine verheerende Kombination: weniger Spenden, | |
| höhere Lebensmittelpreise und mehr Arme, die auf die Mahlzeiten angewiesen | |
| sind. „Wir hängen von Gott ab. Wir arbeiten sozusagen in der Firma Gottes, | |
| was gibt es Großartigeres. Wenn ich bei Bill Gates arbeiten würden, wäre | |
| es auch nicht so wichtig, was es kostet. Wir aber arbeiten hier in der | |
| Firma des Königs der Könige“, macht er gute Miene zu schwierigem Spiel. | |
| Am Nachmittag werden die Mahlzeiten von den Freiwilligen mittels einer | |
| Menschenkette von der Küche bis auf die Straße weitergereicht und in ein | |
| Dutzend privater Autos, Taxis oder Lastwagen gepackt. Das ist der Moment, | |
| in dem die Staffel von einer sozialen Schicht an die andere übergeben wird. | |
| Denn die Ausfahrer stammen selbst aus den Armenvierteln, in die die | |
| Mahlzeiten jetzt geliefert werden. | |
| Eines der Autos fährt nach Ezbat El-Khairallah einem Armenviertel im Süden | |
| Kairos. Dort, in einem engen Hauseingang neben dem Postamt, werden mehrere | |
| hundert verpackten Mahlzeiten aufgestapelt. Ungefähr 100 Menschen, meist | |
| Frauen, warten geduldig darauf, namentlich aufgerufen zu werden. Alle | |
| erhalten je nach Familiengröße eine bestimmte Anzahl Ramadan-Mahlzeiten. | |
| Manche Menschen flehen die Verteilerin an, doch noch ein oder zwei | |
| zusätzliche Mahlzeiten dazuzulegen. Auch hier wird schnell deutlich, dass | |
| das Angebot mit der Nachfrage kaum Schritt hält. Hier will niemand reden. | |
| Die einen wollen nicht „ihre gute Tat“, die anderen nicht ihre Armut an die | |
| große Glocke hängen. Letztere machen sich schnell mit ihren in Styropor | |
| verpackten Gnadenmahlzeiten durch die Gasse auf den Weg. Sie müssen | |
| rechtzeitig zu Hause zu sein, die Familie wartet schon. Es ist nur noch | |
| eine gute Stunde, bevor der Muezzin ruft und das Fasten für beendet | |
| erklärt. | |
| 28 Apr 2022 | |
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| [3] https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/43493 | |
| [4] https://en.wikipedia.org/wiki/Ahmad_ibn_Tulun | |
| ## AUTOREN | |
| Karim El-Gawhary | |
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