| # taz.de -- Sicherheitsexpertin über russische Hacks: „Cyberkrieg braucht Pe… | |
| > Schon vor Russlands Angriffen auf die Ukraine wurde im Westen oft vor | |
| > russischen Hackerattacken gewarnt. Die potenziellen Folgen sind | |
| > weitreichend. | |
| Bild: Wenn es hier nicht läuft, herrscht Chaos: Stromnetze sind ein beliebtes … | |
| taz: Frau Zabierek, Russland gilt nicht nur, was konventionelles Militär | |
| angeht, als Supermacht, sondern auch [1][im Bereich des Cyberkriegs]. Seit | |
| dem [2][Angriff auf die Ukraine] blieb es in dem Bereich aber erstaunlich | |
| ruhig. Wurden Russlands Fähigkeiten auch hier überschätzt? | |
| Lauren Zabierek: Nein, das wurden sie nicht. Russland hat in den letzten | |
| zehn Jahren einschlägige Cyberkapazitäten aufgebaut und eingesetzt. Jede | |
| dafür zuständige Einheit in der Regierung, wie der Geheimdienst FSB, der | |
| Auslandsgeheimdienst SVR und der militärische Geheimdienst GRU, sind für | |
| bedeutende Cyberangriffe in der Vergangenheit verantwortlich. Und ich würde | |
| nicht sagen, dass es zuletzt wirklich so ruhig war. Seit Beginn des Krieges | |
| hat Russland größere Cyberoperationen durchgeführt, auch wenn es keine so | |
| zerstörerischen Angriffe waren, wie man sie vielleicht erwartet hätte. | |
| Welche waren das zum Beispiel? | |
| Allein in der vergangenen Woche sind zwei neue, sehr ausgeklügelte | |
| Schadsoftware-Familien aufgetaucht, die darauf abzielen, industrielle | |
| Kontrollsysteme – also Geräte, die Computerbefehle in physische Aktionen | |
| umsetzen – zu stören oder zu zerstören. Sie wurden allerdings entdeckt, | |
| bevor sie Systeme infizieren konnten. | |
| Gilt das schon als Cyberkrieg? | |
| Das ist ein unscharfer Begriff. Es gibt keinen stabilen Konsens. Reine | |
| Hackerangriffe sind, anders als viele offenbar glauben, noch keine | |
| Cyberkriegsführung. „Cyberangriff“ ist ein Sammelbegriff, auch für das, w… | |
| wir ständig in einer Grauzone, unterhalb der Schwelle zum Krieg, | |
| beobachten. Experten und Entscheidungsträger haben in der Vergangenheit | |
| erklärt, dass ein Angriff als Kriegshandlung im Cyberspace gewertet werden | |
| kann, wenn er große Verluste an Menschenleben oder Verletzungen zur Folge | |
| hat, kritische Infrastrukturen oder eine Volkswirtschaft ernsthaft | |
| schädigt. Aber die Feststellung eines Cyberkriegs ist letztlich eine | |
| politische Entscheidung. Die Opfernation muss diese Erklärung abgeben. | |
| Welche Folgen hat diese Erklärung? | |
| Die sind potenziell sehr weitreichend. Der Nato-Vertrag etwa legt fest, | |
| dass ein bewaffneter Angriff gegen ein Mitglied als Angriff gegen alle | |
| gilt. | |
| Aber im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg gab es keine solchen Angriffe? | |
| Definitionsgemäß müssten Sie das den ukrainischen Präsidenten Selenski | |
| fragen. Meines Wissens hat er keine solche Feststellung getroffen. Was wir | |
| sehen, sind hauptsächlich Cyberaktivitäten, die eine störende, aber keine | |
| zerstörerische oder tödliche Wirkung haben. Damit versucht Russland seine | |
| Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Doch auch solche Störungen können | |
| Chaos oder Panik auslösen und den Zugang zu Informationen, | |
| Dienstleistungen, Vermögenswerten oder dem Internet einschränken. Solche | |
| Angriffe – Hacks von Websites oder zuletzt auch der Einbruch in ein | |
| ukrainisches Energieunternehmen und der vereitelte Versuch, den Strom | |
| abzuschalten – sind für Russland vergleichsweise risikolos. | |
| Warum? | |
| Sie sind nichts, was den Westen zu einer konventionellen militärischen | |
| Reaktion provozieren und wirklich in einen Krieg hineinziehen würde. Das | |
| liegt auch daran, dass bei diesen Aktivitäten keine Software eingesetzt | |
| wurde, die sich weltweit verbreiten kann. Diese Grauzone ist der Bereich, | |
| in dem sich die russischen Aktivitäten auch in der Vergangenheit meist | |
| abgespielt haben. Es ist dabei wichtig, festzuhalten, dass Russland nie | |
| offen zugegeben hat, Cyberangriffe zu verüben oder auch nur über | |
| entsprechende Fähigkeiten zu verfügen. | |
| Können Sie Beispiele für Angriffe in der Vergangenheit geben? | |
| 2015 und 2016 unterbrachen die Russen das ukrainische Stromnetz im Winter | |
| für einige Stunden durch Cyberoperationen. Man denke auch an den | |
| Ransomware-Angriff auf die Colonial Pipeline in den USA im Mai 2021. Er | |
| zwang das Unternehmen, das System abzuschalten, was im Osten der USA zu | |
| Gasmangel führte. Oder der Ransomware-Angriff auf ein Krankenhaus in | |
| Alabama 2019, der zum Tod eines kleinen Mädchens führte. Beide Angriffe | |
| wurden von kriminellen Gruppen durchgeführt, von denen angenommen wird, | |
| dass sie mit der russischen Regierung in Verbindung stehen. | |
| Krieg ist auch eine Frage der öffentlichen Meinung. Im Westen gibt es eine | |
| Reihe gewichtiger Stimmen, die sehr entschieden für ein härteres Vorgehen | |
| gegen Russland eintreten. Soweit ersichtlich, ist kein einziges ihrer | |
| Konten oder Seiten lahmgelegt oder gehackt worden. Überrascht Sie das? | |
| Das stimmt, und ich bin mir nicht sicher, warum. Es könnte ein Problem der | |
| Personalkapazität sein – hinter diesen Cyberaktivitäten stecken Menschen. | |
| Es kostet Zeit und Geld, ein schlagkräftiges Cyberteam aufzubauen und zu | |
| unterhalten. Mit begrenzten Ressourcen kann man nicht jede Seite oder jedes | |
| Konto identifizieren und verfolgen. Wenn man zum Beispiel alle | |
| Kreml-kritischen Nachrichtenseiten allein in Deutschland verfolgen will, | |
| braucht man viel Zeit für die Recherche und die Entwicklung der | |
| entsprechenden Tools. | |
| Ein Tool, das für alle funktioniert, gibt es nicht? | |
| Nein, es gibt kein Tool, das jede einzelne Website oder jedes Konto | |
| befallen kann. Es gibt Tools, die nach gemeinsamen Schwachstellen in | |
| Systemen suchen können, oder Bot-Netze, die viele Rechner gleichzeitig mit | |
| Malware infizieren oder massenhafte DoS-Angriffe durchführen können. | |
| DoS – Denial of Service – ist ein Angriff, bei dem ein Server mit so vielen | |
| Anfragen bombardiert wird, dass er zusammenbricht. | |
| Ja. Aber es ist für die angegriffene Partei relativ einfach, technisch zu | |
| reagieren und den Verkehr umzuleiten. Wenn der Angreifer Erfolg haben will, | |
| fängt seine Arbeit dann erst an. Er muss seinen Angriff speziell auf die | |
| Art der Verteidigung abstimmen. Das kostet Zeit. Multiplizieren Sie diese | |
| Zeit mit der Anzahl der potenziellen Ziele, und Sie sehen, wie groß der | |
| Aufwand werden kann. Natürlich könnte man einzelne Seiten herausgreifen | |
| und sich auf sie konzentrieren. Aber wie viel Nutzen hätte ein Angreifer | |
| von solchen punktuellen Angriffen überhaupt? | |
| Letzten Endes dürfte die Lahmlegung der Websites etwa von Putin-kritischen | |
| Bloggern im Westen in einer Schlacht wie dem Krieg in der Ukraine nicht zu | |
| den obersten militärischen Prioritäten gehören. Interessanterweise hat | |
| Russland vor Kurzem das finnische Außen- und Verteidigungsministerium mit | |
| einer DoS-Attacke angegriffen – ein gutes Beispiel für ein taktisches Ziel | |
| und einen Angriff, um eine Botschaft zu senden, auch wenn sich die Lage | |
| recht schnell wieder normalisiert hat. | |
| Insgesamt aber gab es nur wenige solcher Attacken im Kontext des | |
| Ukrainekriegs. Warum? | |
| Ein Grund könnte eine von Russland gewünschte Beschränkung des Krieges | |
| sein. Vielleicht will Putin nicht, dass der Westen in den Krieg eintritt, | |
| weil er Schadsoftware einsetzt, die Infrastruktur im Westen zerstört. | |
| Vielleicht hält Russland Kapazitäten in Reserve für den Fall, dass es | |
| Vergeltungsmaßnahmen ergreifen will. Es gibt Berichte, wonach Putin die | |
| Pläne für den Angriff auf die Ukraine ganz für sich behält. Teile des | |
| Sicherheitsapparats waren möglicherweise nicht eingeweiht. Eine komplexe, | |
| schwerfällige Befehlskette kann so zu einem Engpass für Cyberangriffe | |
| werden. | |
| Vielleicht liegt es auch daran, dass in anderen Ländern umfangreiche | |
| Vorbereitungen für die Verteidigung getroffen wurden. Es gab viele | |
| Warnungen vor dem russischen Angriff, und vor allem die USA haben die | |
| Notwendigkeit betont, wachsam zu bleiben. So konnten Organisationen | |
| abnormale Aktivitäten schnell erkennen. Eine Möglichkeit ist schließlich | |
| auch, dass sich Russland auch mit seiner eigenen Widerstandsfähigkeit | |
| befassen muss. | |
| Inwiefern? | |
| Es muss seine Fähigkeit erhalten, gegen die freiwillige IT-Armee der | |
| Ukraine zu bestehen. Kapazitäten, die in anderen Zeiten für Offensiven | |
| genutzt werden könnten, müssen nun zur Abwehr von Angriffen auf die eigene | |
| Infrastruktur zur Verfügung stehen. | |
| Oft heißt es, Russland sei unfähig, leistungsfähige eigene Hardware | |
| herzustellen, und nun lahmgelegt, weil wegen der westlichen Sanktionen | |
| keine Technologie mehr aus dem Westen geliefert werde. | |
| Über Russlands Fähigkeit, selbst leistungsfähige Hardware zu produzieren, | |
| weiß ich nicht viel. Aber viel entscheidender sind Zugang zum Internet und | |
| qualifiziertes Personal, das Schadsoftware entwickelt, einsetzt und dafür | |
| Schwachstellen ausforscht. | |
| 18 Apr 2022 | |
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| Christian Jakob | |
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