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# taz.de -- Frankfurts Sieg gegen FC Barcelona: Weiße Flecken der Unschuld
> Der Triumph von Eintracht Frankfurt im Camp Nou ist auch einer der
> Selbstermächtigung gegen den Eliten-Fußball. Mehr Anarchie ist möglich.
Bild: Heimspiel in Barcelona: 30.000 Eintracht-Fans erlebten einen traumhaften …
Traumpreise waren die Fans von Eintracht Frankfurt bereit zu zahlen, weil
sie einen Traum hatten. Sie wollten im Camp Nou dabei sein, wenn ihr Klub
gegen alle Wahrscheinlichkeit den FC Barcelona im
Europa-League-Viertelfinale bezwingen sollte. Diesem irrationalen Drang
begegneten die Champions-League-verwöhnten Spanier sehr rational. Sie
verkauften ihre Tickets, schlugen maximale Preise raus und verzichteten auf
den Wettbewerb, den Franz Beckenbauer einst „Cup der Verlierer“ nannte.
Was sie verpassten, war die kurzzeitige Renaissance eines Fußballs, dessen
Faszination sich aus einem gerüttelten Maß an Unberechenbarkeit und
Irrationalität speist. Von diesem Glauben beseelt bescherten die
Frankfurter Profis ihren Fans einen fantastischen und unvergesslichen
Abend. Die Entwicklung des Fußballs der letzten Jahre steuert hingegen
darauf hin, Unberechenbarkeiten auszuschließen. Die großen Investoren der
europäischen Spitzenklubs wollen unter sich bleiben. Auf absehbare Zeit
wird sich die Super League nicht verhindern lassen. Das Geschäftsmodell
Fußball soll von Unwägbarkeiten, letztlich von der Lebensader des Sports
abgetrennt werden.
Im Camp Nou konnte man am Donnerstagabend eindrücklich sehen: Der Wert
eines Wettbewerbs bemisst sich nicht zwangsläufig am Wert der Teilnehmer,
sondern daran, welchen Wert die Teilnehmer dem Wettbewerb zumessen. Dazu
gehören nicht nur die Spieler und Funktionäre, sondern maßgeblich auch die
Fans. In Frankfurt ist der Verein ein Stück weit von seinem Anhang zu
dieser Erkenntnis getragen worden. Seit der Saison 2018/2019 verwandeln sie
ganz unabhängig vom Gegner [1][Europa-League-Begegnungen zu
Fußballfesttagen.]
Die großen weißen Flecken, welche die Eintracht-Fans im Camp Nou am
Donnerstag bildeten, verkörperten so etwas wie die Unschuld des Fußballs.
Es war ein eindrucksvolles Bild der Selbstermächtigung. Den Etikettierungen
der Elite („Verlierer-Cup“, „Trostpreis“) setzten die Frankfurter
Anhänger:innen ihre eigene Definitionsmacht entgegen. Die Leipziger
Profis, die sich zuvor fürs Halbfinale qualifiziert hatten, haben
möglicherweise erst angesichts dieser Bilder aus Barcelona realisiert, in
welchem tollen Wettbewerb sie noch dabei sind.
## Aufstand des Mittelstands
Der Tabellenneunte Eintracht Frankfurt ist nun das deutsche Zugpferd im
europäischen Fußball. In Spanien ist es neben Real Madrid der
Tabellensiebte FC Villarreal. In Italien ruhten die letzten Hoffnungen
vergebens auf dem Tabellenachten Atalanta Bergamo. Der Aufstand des
Mittelstandes passt eigentlich überhaupt nicht ins Zeitalter des immer
exklusiveren Fußballs. Symbolisch dafür stand die Klage von Villarreals
Profi Dani Parejo, der Bayern-Trainer Nagelsmann respektlose Äußerungen
gegenüber seinem Klub vorwarf.
Vermutlich werden die drei genannten Klubs künftig eher nicht verlässlich
zur europäischen Spitze dazugehören. Der Frankfurter Auftritt in Barcelona
könnte dennoch eine nachhaltige vitalisierende Wirkung auf finanziell
ähnlich bemittelte Vereine haben.
Wie attraktiv die europäischen Wettbewerbe sind, bestimmt eben nicht allein
die Uefa über ihre auf Selektion zielenden Preisgelder oder Sponsoren. Die
Vereine haben gerade in der vermeintlich minderwertigen Europa League oder
in der Conference League ihre eigene Gestaltungsmacht. Mehr Anarchie ist
möglich. Der wahre Verlierer-Cup wird die Super League werden.
15 Apr 2022
## LINKS
[1] /Halbfinale-Europa-League/!5592094
## AUTOREN
Johannes Kopp
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