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# taz.de -- Eintracht Frankfurts Jungprofi Knauff: Der Unberechenbare
> Wie viel kann Vertrauen bei Talenten bewirken? Der kometenhafte Aufstieg
> des erst 20-jährigen Ansgar Knauff bei Frankfurt liefert eine Antwort.
Bild: Knauff im Glück: der Frankfurter Flügelspieler bejubelt seinen Treffer …
Mitunter fällt es selbst dem harten Kern in der Anhängerschaft von
Eintracht Frankfurt nicht so ganz leicht, die Traumreise ihres
Herzensvereins in die passenden Worte zu kleiden. Dass der hessische
Bundesligist [1][in der Europa League eine wundervolle Leistung nach der
anderen hinlegt], ist das eine, dass die organisierte Fanszene nach
zweijähriger coronabedingter Abstinenz wieder in voller Stärke daran
teilhaben kann, das andere. „Bei uns ging es natürlich direkt wieder von 0
auf 200! Das zweite Mal in drei Jahren Halbfinale im Europapokal. Einfach
Wahnsinn!“ schreiben die Ultras Frankfurt vor dem Europa-League-Rückspiel
gegen West Ham United (Donnerstag 21 Uhr/RTL).
Dass angesichts des 2:1-Hinspielsieges im London Stadium eine reelle Chance
auf den Endspieleinzug besteht, hat auch mit einem jungen Mann zu tun, der
ganz ähnlich von 0 auf 200 durchgestartet ist: Ansgar Knauff, 20, erst
Torschütze im Viertelfinale gegen den FC Barcelona, [2][nun auch im
Halbfinale bei den „Hammers“]. Irgendwie schien niemand am vergangenen
Donnerstag den Rechtsaußen auf der Rechnung zu haben, als dieser nach nicht
einmal einer Minute das Führungstor köpfte. „Der Ball von Rafael (Borré,
Anm. d. Red.) war super in Richtung Tor gedreht, da musste ich nur noch den
Kopf hinhalten“, sagte Knauff hinterher erstaunlich nüchtern. Denn auch er
weiß ja: „Es fehlt noch ein Schritt bis zum Finale.“
Knauff muss sich manchmal kneifen, um seine märchenhafte Geschichte zu
begreifen. Mitte Januar hat er noch für Borussia Dortmund gegen Waldhof
Mannheim gespielt. Zweite Mannschaft, dritte Liga. Mitte Mai kann er
vielleicht als Leistungsträger von Eintracht Frankfurt ein
Europapokalendspiel in Sevilla bestreiten.
Wie so etwas möglich ist? Mit der Fantasie eines Managers, dem Vertrauen
eines Trainers und den Anlagen eines Jungprofis, der es in Dortmund bei der
hochkarätigen Konkurrenz im Offensivbereich schwer hatte. Was
Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche natürlich wusste, als er sich mit
dem BVB über ein anderthalbjähriges Leihgeschäft – ohne Kaufoption – für
den in Göttingen geborenen und in der Jugend zunächst bei Hannover 96
ausgebildeten Offensivspieler verständigte: „Ansgar ist in der Lage, uns
auf den Außenbahnen sofort zu helfen.“
## Mit Tempo und Technik
Frankfurts Trainer Oliver Glasner stellte seine Leihgabe erstmals Ende
Februar gegen den FC Bayern in die Startelf – seitdem hat Knauff einen
Stammplatz. Als Schienenspieler, der im Vorwärtsgang zwar alle Freiheiten
ausleben soll, aber den Rückwärtsgang nie vergessen darf. Am komplexen
Anforderungsprofil im 3-4-2-1-System waren gestandene Kräfte wie Timothy
Chandler, Danny da Costa, Erik Durm oder Almamy Touré allesamt gescheitert,
sodass gefühlt drei von vier Frankfurter Angriffen über die linke Seite von
Filip Kostić liefen.
Erst mit Knauffs kometenhaftem Aufstieg ist die Disbalance behoben – und
die Eintracht weitaus weniger ausrechenbar. Jetzt gibt es rechts wie links
einen unberechenbaren, nimmermüden Dampfmacher. Dem Shootingstar kommen
sein Tempo, seine Technik, sein Spielwitz entgegen – und natürlich auch die
Prise Unbekümmertheit. Wenn er einen Fehlpass spielt – was noch
vergleichsweise oft vorkommt – geht der Kopf nicht gleich nach unten. Und
es kommt auch kein Anraunzer vom Mitspieler oder Trainer. Der Junge soll
einfach machen.
„Seit er hier ist, hat er einen ganz großen Schritt nach vorne unternommen
und ist auf einem guten Weg“, sagt Glasner. Der Österreicher hat damit,
mehr als ein netter Nebeneffekt, auch der deutschen U21-Nationalmannschaft
geholfen. Dort sind sie nämlich richtig glücklich über die Entwicklung
eines Hoffnungsträgers. „Ansgar hat gute Aktionen, kommt am Gegner vorbei,
ist mit Toren und Torvorlagen beteiligt. Ich bin superfroh, dass er diesen
Schritt gegangen ist“, lobte U21-Chefcoach Antonio di Salvo bereits vor
Wochen.
Aus Sicht seines Assistenten Daniel Niedzkowski, der auch die
Pro-Lizenz-Ausbildung leitet, [3][gibt es leider zu wenige
Bundesligatrainer, die jungen deutschen Spielern einfach mal vertrauen.]
Seine These: Die meisten Talente zahlen über einen längeren Zeitraum mit
Leistung zurück, auch wenn vielleicht nicht jeder gleich wie Ansgar Knauff
von 0 auf 200 durchstartet.
5 May 2022
## LINKS
[1] /Aufwertung-der-Europa-League/!5847217
[2] /West-Ham-United-in-der-Europa-League/!5847290
[3] /Fehlendes-Talent-beim-DFB-Team/!5727796
## AUTOREN
Frank Hellmann
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