# taz.de -- Nachfolge von Anne Spiegel: Bereit für einen Mann | |
> Nach dem Rücktritt von Anne Spiegel stellt sich die Frage nach ihrer | |
> Nachfolge. Dass es ein Mann wird, ist unrealistisch. Das müsste es nicht. | |
Bild: Die Frage ist, wie Frauen und Männer Beruf und Familie gemeinsam koordin… | |
Wer folgt Anne Spiegel an der Spitze des Familienministeriums in Berlin? | |
Die Fernsehkameras waren [1][nach dem verkündeten Rücktritt der Grünen] | |
noch nicht richtig verstaut, schon stand diese Frage im Raum. | |
Und die ist nicht trivial. | |
Nachdem Anne Spiegel wegen ihrer desaströsen Flutkatastrophen-Performance | |
als Umweltministerin in Rheinland-Pfalz stark unter Druck stand, hat sich | |
dieser Druck jetzt auf ihre Partei verlagert. Die Grünen müssen nicht nur | |
eine Nachbesetzung finden, sie müssen das auch sehr schnell tun. | |
Dem Familienministerium, früher gern als das Haus für „Familie und Gedöns�… | |
verunglimpft, kommt heute eine Schlüsselrolle zu. Nicht allein, weil die | |
Grünen mit ihrem Gleichstellungsanspruch in der Regierung sitzen und dem | |
Koalitionsvertrag einen emanzipatorischen Anstrich verpasst haben, sondern | |
auch, weil wir in einer Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs leben: weg vom | |
althergebrachten Geschlechter- und Rollendenken hin zu einem Leben, in dem | |
Frauen in Spitzenämtern eine gute Figur machen und Männer ganz | |
selbstverständlich Kinderwagen schieben und Windeln wechseln, und das | |
länger als nur ein paar Vatermonate. | |
## Grüne Logik | |
Eine große Aufgabe für ein kleines Ministerium. Wer kann das am besten | |
leisten? Muss das zwangsläufig eine Frau sein, weil Frauen jahrtausendelang | |
benachteiligt und auf Familie und Gedöns reduziert waren und daher genau | |
wissen, was zu tun ist? | |
Oder könnte das auch ein Mann sein, weil Gleichstellungspolitik heute keine | |
alleinige Sache der Frauen mehr sein darf? | |
Kurzer Blick auf die grüne Logik, nach der Toni Hofreiter jetzt am Zuge | |
wäre. Weil er wegen grüner Flügelarithmetik und Geschlechterproporz bei der | |
Kabinettsbildung leer ausging, sagte man ihm zu, bei Verschiebungen erster | |
Nachrücker zu sein. Hofreiter dürfte wegen der Geschlechterparität mit | |
großer Sicherheit jedoch nicht erster grüner Familienminister werden. Auch | |
Cem Özdemirs Chancen sind durch eine mögliche Rochade – Özdemir mit dem | |
Ressort Familie und Gedöns und Hofreiter als neuer Landwirtschaftsminister | |
– mehr als gering. So weit die Realität. Aber was ist mit der Vision? Ist | |
die Republik bereit für einen progressiven Familienminister? | |
Das Familienministerium war bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich in | |
Frauenhand. Die drei einzigen Familienminister – Franz-Josef Wuermeling, | |
Bruno Heck und Heiner Geißler – waren Christdemokraten und konservativ, | |
wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Der [2][progressivste unter | |
ihnen, Geißler], hatte so etwas wie eine soziale Agenda: Er sorgte für das | |
erste Erziehungsgeld und führte die Elternzeit ein, damals noch | |
Erziehungszeit genannt. Wenige Jahre vor seinem Tod hätte man ihn fast als | |
Feministen bezeichnen können. In der taz sagte er einmal: „Männer sollten | |
sich nicht emanzipieren, sondern sich zurücknehmen. Für Gleichberechtigung | |
ist es nie zu spät.“ | |
So würden es [3][progressive Männer heute] wohl nicht formulieren, | |
vielleicht eher so: Männer sollten sich durchaus emanzipieren, aber | |
gemeinsam mit den Frauen. Und das tun sie bereits. Frauen wie Männer haben | |
sich in den vergangenen Jahren gleichermaßen verändert, ihre Lebensentwürfe | |
haben sich angenähert: Frauen sind stärker denn je in Jobs und in | |
Führungspositionen, Männer häufiger als früher auf dem Spielplatz zu | |
finden, Teilzeit ist für manche Männer kein Fremdwort mehr. Heute geht es | |
verstärkt um die Frage, wie Frauen und Männer Beruf und Familie besser | |
koordinieren können. Gemeinsam. | |
Progressive Männer sind aktive Väter, die nicht mehr so viel arbeiten wie | |
einst. Sie wollen ihre Kinder erleben und nachts ruhig schlafen können, | |
weil sie nicht allein für Miete, Strom und Versicherungen aufkommen müssen | |
und wissen, dass ihre Partnerinnen das auch genauso wollen. Progressive | |
Männer gestatten sich unterschiedliche Männlichkeiten: Sie können | |
gleichermaßen empathisch, maskulin, fragil, traurig, humorvoll, stark sein. | |
Progressive Männer übernehmen ungefragt Verantwortung für sich und andere. | |
Kurz gesagt also: Ja, doch, progressive Männer können Familienpolitik. | |
Aber halt, da ist ja noch die Realität. In der ist die Zahl der | |
progressiven Männer bei Weitem noch nicht so groß, wie das wünschenswert | |
wäre. Und dann ist da ja auch noch die Sache mit der Realpolitik und der | |
grünen Parität. | |
12 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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