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# taz.de -- Scholz, Selenski, Söder auf Social Media: Die Kunst der Kommunikat…
> Olaf Scholz hat jetzt immerhin mal geredet – im TV. Selenski dagegen
> wendet sich täglich per Instagram an mich.
Bild: Olaf Scholz zu Gast in der ARD-Sendung „Anne Will“ am 27. März 2022
Die Leute kennen den Streit nicht mehr. Um uns herum wird zwar noch
getrunken und gescherzt, aber obwohl meine Aufmerksamkeit der
Gesprächspartnerin gilt, mit deren Vorschlag ich nicht einverstanden bin,
merke ich doch, dass unser Disput Aufmerksamkeit erregt: Ui, da streiten
sich zwei, was ist da los? Ich gebe zu, vielleicht hat sich das Volumen
meiner Stimme etwas erhöht.
Worum geht es? Um die Ukraine natürlich. Der Streit wurde durch eine
Bemerkung meines Gegenübers verursacht, dass es aus einer humanitären
Perspektive betrachtet am besten wäre, wenn die [1][Ukraine] sofort
kapitulierte. Dann wäre das Sterben vorbei. Ich entgegne, dass die
Ukrainerinnen und Ukrainer eben das offensichtlich nicht wollen. Und dass
es sich daher verbietet, mit einem Glas Wein in der Hand vom Prenzlauer
Berg aus den Leuten, die es betrifft, solche Empfehlungen zu geben. Die
Ukraine ist ein souveränes Land, Punkt. Wer sich an seiner Angstlust am
„Dritten Weltkrieg“ ergötzen will, möge das bitte zu Hause tun.
Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz nach [2][Wolodomir Selenskis Ansprache im
Bundestag] geschwiegen hatte, statt darauf zu antworten und die Position
seiner Regierung darzulegen, stellte er sich am Sonntag den Fragen von Anne
Will. Die umstrittenste Frage des Gesprächs betraf die
[3][Energielieferungen] aus Russland. Scholz legte erstens dar, dass die
Millionen Euro, die dafür täglich nach Russland zurückfließen, von Putin
ohnehin nicht für den Krieg verwendet werden könnten, weil ihn die harten
Sanktionen daran hinderten. Zweitens widersprach er jenen Ökonomen, die
behaupten, es werde genug Gas auf der Welt gefördert, das könne man auch
woanders einkaufen: Das Vorhandensein von Gas sei nicht der Punkt, erklärte
Scholz, sondern auf welchen Wegen es nach Deutschland geliefert werden
kann.
Streitlustig zeigte er sich dann aber auch noch für einen Moment. Er wies
Will darauf hin, dass er ähnlich moralisierend vor Jahren in ebendieser
Sendung dafür gescholten worden sei, sich für Flüssiggasterminals an der
Küste einzusetzen. Immerhin, der Kanzler machte also klar, warum ein
[4][sofortiges Energieembargo] aus seiner Sicht weder wünschenswert noch
erfolgversprechend erscheint.
Scholz ist kein eloquenter Rhetoriker. Es ist zwischendurch fast ein
bisschen quälend, ihm dabei zuzusehen, wie er manchmal nach Worten ringt.
Aber immerhin, er spricht. Es wäre gut, wenn der Kanzler das öfter täte.
Wir sind nach 16 Jahren Angela Merkel daran gewöhnt, dass die Regierung
nicht gern mit uns kommuniziert. So richtig fällt das jetzt erst auf, weil
[5][Wolodimir Selenski] sich täglich per Instagram an mich und alle anderen
wendet, die sich dafür interessieren, was er zu sagen hat. Die wichtigsten
Statements des ukrainischen Präsidenten werden auf Englisch untertitelt.
Eben schrieb er: „Wer Angst vor den nötigen Entscheidungen hat, uns mit
Flugzeugen, Panzern, Artillerie und Granaten zu versorgen, ist für die
Katastrophe, die russische Truppen in ukrainischen Städten verursachen,
mitverantwortlich.“
Kurz vorher war Markus Söder auf meinem Telefon erschienen. Er spricht auch
oft zu den Leuten via Instagram, allerdings handelt es sich bei seinen
Posts oft nicht um ernstzunehmende politische Angebote. Seit wir eine neue
Regierung haben, ist der alte, der populistische Söder wieder da. Nun
behauptet er: „Es drohen Stromknappheit und schwere Schäden für die
Wirtschaft. Es wäre absurd, aus Ideologie auf die Kernkraft zu verzichten.“
An diesem Statement ist so ziemlich alles Quatsch. Erstens verzichtet
niemand „aus Ideologie“ auf Kernkraft. Der Ausstieg ist lang geplant, die
Gründe dafür sind bekannt. Zweitens sind auch nur noch drei AKWs am Netz
und die werden gerade aufs Abschalten am Ende des Jahres vorbereitet.
Drittens ist ihre Leistung in Hinblick auf den deutschen Energieverbrauch
so gering, dass sie unsere Probleme auch nicht lösen werden. Es ist billige
Propaganda aus durchsichtigen Motiven, die der Söder-Markus da betreibt.
Ich wünsche mir eine streitlustige Opposition, die nicht nur auf Krawall
aus ist.
2 Apr 2022
## LINKS
[1] /Der-Kampf-um-Mariupol/!5842802
[2] /Selenski-im-Bundestag/!5840674
[3] /Russland-pocht-auf-Zahlungen-in-Rubel/!5845647
[4] /Wirtschaftsweise-ueber-Energieimportstopp/!5845436
[5] /Selenski-im-Bundestag/!5840674
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
## TAGS
Kolumne Der rote Faden
Olaf Scholz
Wolodymyr Selenskij
Markus Söder
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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