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# taz.de -- Kolumnen schreiben im Krieg: Mit Buffy gegen Putin
> Es fühlt sich falsch an, Lustiges zu schreiben, während die Ukraine
> zerbombt wird. Da helfen nur Fantasien, wie ein machtgeiler Mann
> vermöbelt wird.
Bild: Manchmal hat Buffy einen Mann auch erst verprügelt, um danach mit ihm Se…
Stets bemühe ich mich in dieser Kolumne um einen plaudrigen Tonfall, so
einen, wie [1][meine Friseurin und ich] an den Tag legen, während sie um
meine Wirbel herum schneidet und ich fassungslos meine grauen Haare
betrachte. Das machen wir nicht, weil wir uns über Belangloses unterhalten,
sondern weil das Leben ernst genug ist. Das muss man nicht extra betonen.
Deshalb halte ich auch als Kolumnistin den moralischen Zeigefinger
möglichst flach, auch wenn mir das oft schwer fällt und ich es den ganzen
Vollpfosten da draußen vor den Bildschirmen gerne mal so richtig zeigen
würde. Lies dies, du Honk! Und verwandle deine Ignoranz, deine Misogynie
und deinen SUV auf der Stelle in Peace, Love and Harmony und kämpfe hinfort
für LGBTQI-Rechte, als gäbe es dafür eine handsignierte Kippe von Helmut
Schmidt.
[2][Aber dieser Tage frage ich mich], wie das gehen soll, so locker,
flockig aus der Hüfte über einen Schwank aus meinem Leben schreiben,
während ein ganzes Land in Schutt und Asche gebombt wird und so viele
Menschen sterben und Angst haben und fliehen und von ihren Liebsten
getrennt werden und nicht wissen, ob sie sie je wieder sehen werden.
Jaja, ich weiß, das war schon immer so, und klar konnte man auch nach
Auschwitz noch Gedichte schreiben. Aber ich habe mich noch nicht an den
Krieg in der Ukraine gewöhnt wie an andere furchtbare Zustände auf dieser
Welt. Deshalb habe ich keinen Zugang zu der Ecke meines Gehirns, in der
lustige Erlebnisse gestapelt werden, oder der anderen, in der an guten
Tagen Wortwitz abgerufen werden kann und an schlechten Flachwitze (die sehr
lustig sein können), weil Trauer, Angst und Hoffnungslosigkeit den Weg
versperren.
## Männern mit Allmachtsfantasien
Dabei wollte ich GNHM werden, Germanys next Harald Martenstein, auch wenn
ich [3][dafür erstens einen Penis] und zweitens einen anderen Nachnamen
bräuchte, mit mehr Silben, denn die Kolumnen von Großkolumnisten (ohne
„:innen“, denn die gibt es nur mit Penis, egal wie klein der ist) werden
nach ihnen benannt, mehr Inhalt braucht es nicht.
„Bruhn“ eignet sich höchstens für James-Bond-Parodien oder, was mir noch
lieber wäre, Pulp Fiction. Da gibt es die Szene, in der Harvey Keitel
auftaucht, der eine Leiche verschwinden lassen soll. „My name is Bruhn“,
würde es dann heißen – nicht „Wolf“ wie im Film – „I solve problems…
es wäre schön, wenn ich das Problem mit Wladimir Putin und anderen
Arschlöchern lösen könnte. Zur Not mit Gewalt, so wie [4][meine Heldin
Buffy], die Vampirjägerin, aus der gleichnamigen Fernsehserie, die immer
mal wieder mit Männern mit Allmachtsfantasien zu tun hat.
An Buffy habe ich schon zu Beginn der Pandemie viel gedacht, als ich jeden
Morgen aufwachte und mir wünschte, das Virus wäre nur ein böser Traum und
man könne es irgendwie weg machen oder ungeschehen durch eine Reise in die
Vergangenheit (bei der Gelegenheit könnte man gleich ein paar Parameter der
Klimapolitik der letzten vierzig Jahre ändern).
In Buffys Welt ist nämlich nahezu täglich Ausnahmezustand. Immer gibt es
irgendein Monster oder einen Bösewicht, das oder den Buffy davon abhalten
muss, Menschen zu töten, und sie, als die mit Superkräften ausgestattete
Auserwählte, hat keine andere Wahl, als den Kampf aufzunehmen. Ohne ihren
Humor zu verlieren, was verständlich wäre, weil es nicht danach aussieht,
als wäre irgendwann mal Ruhe im Karton.
Wenn ich also herum jammere, ich könne doch jetzt nicht über meine weiblich
gelesenen Geschlechtsorgane schreiben, fällt mir Buffy ein, wie sie [5][in
der Musical-Folge] – aufgrund eines Dämonenbanns müssen alle ihre
geheimsten Gefühle singend bekennen – ihren Freund:innen die Leviten
liest. „Apocalypse? We’ve all been there. The same old trips, why should we
care?“ Und obwohl diese Haltung Buffys Depression geschuldet ist, macht sie
mir Mut. Nützt ja nichts. Noch geht das Leben weiter.
1 Apr 2022
## LINKS
[1] /Leben-als-weiblich-gelesene-Person/!5809086
[2] /Worte-angesichts-des-Ukrainekriegs/!5841967
[3] /Journalistin-Julia-Karnick-ueber-Kolumnen/!5662889
[4] https://jungle.world/artikel/2007/32/tanz-der-vampirjaegerinnen
[5] https://buffy.fandom.com/wiki/Once_More,_with_Feeling
## AUTOREN
Eiken Bruhn
## TAGS
Kolumne Beim Friseur
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Frauen
Feminismus
Humor
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kolumne Poetical Correctness
Feminismus
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