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# taz.de -- Palmöl in Lebensmitteln: Warnungen mehren sich
> Ist ein Zuviel an Palmöl ungesund? Die Ergebnisse von Ernährungsstudien
> sind widersprüchlich. Das könnte auch an gezielter Lobbyarbeit liegen.
Bild: Palmöl ist billig und leicht zu verarbeiten: Plantage in der Nähe von K…
München taz | Palmöl ist aus der modernen Ernährung kaum wegzudenken.
Schließlich steckt schätzungsweise in jedem zweiten Produkt im Supermarkt
Palmöl, in Backwaren wie Croissants, Berlinern oder Backerbsen, in
Margarine und Nuss-Nugat-Creme, in Schokolade, Crunchy Müsli und
Fertigsuppen. Es ist weltweit das meistverwendete pflanzliche Öl, weil es
billig ist und sich gut verarbeiten lässt.
Es wird aus der Ölpalme (Elaeis guineensis) gewonnen, genauer aus den
Früchten. Palmkernöl stammt hingegen aus den Samen. Das Öl ist vor allem
wegen seiner Anbaumethoden umstritten: Jährlich werden in den Tropen
wertvolle Urwälder gerodet, um die ertragreiche Palme in endlosen
Monokulturen anzubauen. [1][Nur Indonesien] und Malaysia sind in den
letzten Jahren gegen diesen Raubbau vorgegangen.
Doch zunehmend mehren sich auch Studien, die einem Zuviel an Palmöl
gesundheitsschädigendes Potenzial bescheinigen oder es zumindest nahelegen.
So hat im Herbst 2021 eine katalanische Arbeitsgruppe Mäusen mit Mund- und
Hauttumoren verschiedene Diäten verabreicht: Einmal mit viel Palmitinsäure,
einmal mit Linolensäure und einmal mit Ölsäure. Palmitinsäure ist eine
gesättigte Fettsäure und findet sich vor allem in Palmöl, während die
anderen beiden Öle ungesättigt sind und etwa in Olivenöl vorkommen. Nach
der Palmöldiät vermehrten sich die Tumorzellen schneller und bildeten
Metastasen, also Satellitenzellen, die sich im Körper verteilen, während
dies bei den anderen Ölen nicht geschah.
Ist diese Studie nun ein Beweis, dass Palmöl Krebs erregt und die
Metastasierung fördert, wie dies einige Zeitungen und Online-Portale nach
der Studie behaupteten? Natürlich nicht. Dies ist eine erste Studie zu dem
Thema, die in größerem Maßstab, also bei anderen Tumorarten im Tierversuch
und auch beim Menschen wiederholt werden muss.
Der Erstautor der Studie, Salvador Aznar-Benitah, sagte in einem Interview
mit dem britischen Guardian: „Es ist zu früh, zu sagen, welche Art von
Ernährung bei Patienten mit metastasierendem Krebs angewendet werden
könnte, um die Metastasierung zu verlangsamen.“ Die Forscher wollen nun
eine weitere Studie durchführen, um die Wirkung von Palmitinsäure auf die
Zellen zu stören. „Das ist ein viel realistischerer Ansatz, der nicht davon
abhängt, ob ein Patient Nutella oder Pizza mag“, sagt Aznar-Benitah. Denn
nicht nur in Palmöl steckt Palmitinsäure, sondern auch in Butter oder
Schmalz.
## Schadstoffe im Palmöl
Tatsächlich ist das jedoch nicht das erste Mal, dass Palmöl mit Krebs in
Zusammenhang gebracht wird. Bereits seit Jahren weisen das Bundesinstitut
für Risikobewertung (BfR) und Verbraucherzentralen darauf hin, dass
Palmölschadstoffe, die bei der Raffination entstehen können,
gesundheitsschädlich sind. Diese Stoffe heißen 3-MCPD, 2-MCPD sowie
Glycidol. Glycidol ist bewiesenermaßen genotoxisch-kanzerogen, während
3-MCPD als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft wurde, zu 2-MCPD
fehlen bislang Daten.
Erst kürzlich hat das BfR in einer neuen Stellungnahme darauf hingewiesen,
dass Kinder und Säuglinge teils zu viel von 3-MCPD aufnehmen. „Ein erhöhtes
gesundheitliches Risiko bei langfristigem Verzehr ist daher für diese
Bevölkerungsgruppen möglich“, so das BfR.
Auch für Glycidol gibt das BfR eine Warnung heraus: Erwachsene
Vielverzehrer von Bratfetten sowie Kinder und Säuglinge allgemein
überschreiten die Grenzwerte der kritischen Substanz. Abermals empfiehlt
das BfR der Ernährungsindustrie vor allem in Säuglingsnahrung sowie in
Lebensmitteln, die Kinder mögen, Fettschadstoffe zu reduzieren. Frauen, die
nicht stillen können, wird trotzdem weiterhin das Füttern von Tütenmilch
empfohlen. Einige Babynahrung-Hersteller verzichten auch ganz auf Palmöl.
Bereits 2019 hat die Verbraucherzentrale Bayern auf diese Problematik
aufmerksam gemacht. Vor allem in Backwaren wie Keksen, Croissants oder
Backerbsen, Schokolade und knusprigen Frühstückszerealien wurden hohe
Werte gefunden. Auch die Verbraucherzentralen fordern Hersteller auf, die
Werte zu reduzieren, da der Verbraucher nicht wisse, ob sich in seinem
Produkt ein Palmöl mit vielen oder wenigen Begleitstoffen befindet.
Tatsächlich gibt es auf dem Markt bereits entsprechendes Palmöl, es ist
lediglich etwas teurer. Der Bio-Hersteller Rapunzel überwacht etwa laut
eigenen Angaben seine Produzenten und die Raffination so strikt, dass sich
in den Rapunzel-Produkten kaum Fettschadstoffe fänden.
Weil Palmöl viel gesättigtes Fett liefert, steht es auch seit Jahren im
Verdacht, Blutfette und das Risiko für Herzkrankheiten zu erhöhen. „In
unseren Breiten wird es wegen des Anteils der gesättigten Fettsäuren und
Nachhaltigkeit eher negativ gesehen“, sagt Silke Restemeyer von der
Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). So zeigte etwa ein
Umbrella-Review 2021, dass der Ersatz von ungesättigten Fettsäuren durch
Palmöl zu einem Anstieg an LDL- sowie HDL-Cholesterin im Blut führte.
Dennoch ist die Studienlage dazu nicht eindeutig, es gibt keine Evidenz, um
Palmöl zu verteufeln. So zeigen einige Studien erhöhte Krankheits- und
Sterberaten durch Herzleiden, andere bescheinigen dem Palmöl positive
Wirkungen, Palmöl solle Cholesterinwerte demnach sogar senken.
„Die Palmöllobby hat dafür gesorgt, dass es nicht nur negative
Publikationen gibt,“ sagt Gerhard Jahreis von der Universität Jena. Seine
Vermutung wird von Wissenschaftlern der Unicef in einem Mini-Review aus dem
Jahr 2019 bestätigt. So sind vier der neun im Review untersuchten Studien,
die übermäßig positive Wirkungen belegten, durch das Malaysian Palm Oil
Board (MPOB) finanziert worden.
Diese Vereinigung ist eine Lobbygruppe der Palmölindustrie. Eine andere
Lobbygruppe hat 2003 einen WHO-Report angegriffen, die dort aufgestellten
Thesen zur Gesundheitsschädlichkeit von Palmöl hinterfragt und der WHO
vorgeworfen, dass ein Rückgang des Palmölkonsums die Existenzgrundlage von
Millionen Menschen gefährden würde.
„Diese Taktiken, Lobbystrukturen in politischen und unternehmerischen
Gruppen aufzubauen, Regulierungen zu bekämpfen, seriöse Informationen zu
untergraben, und die Verwendung von Argumenten, die auf die
Armutsbekämpfung abzielen, sind ähnlich wie die Taktiken der Tabak- und
Alkoholindustrie“, schreibt Sowmya Kadandale von Unicef.
Die Lösung? [2][Hochverarbeitete Produkte, die Palmöl enthalten, sollten
seltener auf dem Speiseplan stehen], darin sind sich Ernährungsexperten und
Verbraucherschützer einig. Denn das Palmöl kann man auch nicht einfach
ersetzen.
Andere Pflanzenöle können auch Fettschadstoffe liefern und der Anbau von
Sonnenblumen- oder Raps verbraucht mehr Fläche, ist also auch nicht
nachhaltiger. Vergessen darf man nicht, dass Palmöl Transfette aus
Lebensmitteln verbannt hat und diese sind nachweislich gefäßschädigend.
[3][Zudem liefern hochverarbeitete Produkte auch noch andere kritische
Ingredienzien, etwa zu viel Zucker und Salz, und sind kalorienreich.]
Alles was vorm Fernseher oder am Computer geknabbert werde und auch sehr
lange haltbar sei, „enthält gewöhnlich Palmöl und hat eine hohe
Energiedichte,“ sagt Jahreis. „Das ist wahrscheinlich das Schlimmste am
Palmöl, nicht die gesättigten Fette.“
Die Energiedichte besagt, wie viel Kalorien ein Produkt pro 100 Gramm
liefert. Kekse haben eine sehr hohe Energiedichte, während Suppen eine sehr
niedrige Energiedichte aufweisen. Produkte mit viel Kalorien pro Portion
verleiten dazu, mehr zu essen, als der Körper bräuchte, weil Wasser und
Ballaststoffe fehlen, die den Hunger bremsen. Das lässt langfristig die
Fettpolster anschwellen und bringt den Zuckerstoffwechsel durcheinander.
Damit drohen die bekannten Volksleiden wie Diabetes, Herzkrankheiten und
Krebs.
3 Apr 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Kathrin Burger
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Palmöl
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