# taz.de -- Gutachten zum Hambacher Wald: Rechtswidrige Weisungen in Serie | |
> 2018 wurde der Hambacher Wald geräumt. Ein Gutachten zeigt nun | |
> problematisches Handeln des zuständigen Landesbauministeriums auf. | |
Bild: Räumung der Besetzung im Hambacher Forst im September 2018 | |
KERPEN taz | NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat durch illegale | |
Weisungen rund um die [1][Räumung des Hambacher Waldes] ihre Kompetenzen | |
überschritten und das Recht gebeugt. Zu diesem Ergebnis kommt ein | |
verwaltungsjuristisches Gutachten der Anwaltskanzlei Dombert, Potsdam. | |
Mehrfach erkennt Gutachter Dominik Lück „materielle Rechtswidrigkeit“ und | |
„fehlerhafte Rechtsgrundlagen“. Am Freitag sagte er ergänzend: „Absurde | |
Rechtsauffassungen auf kommunaler Ebene sind Alltag, aber auf Landesebene | |
ist das neu.“ Das Gutachten in Auftrag gegeben hatten die Kerpener | |
Stadtratsfraktionen der Linken, SPD und Grüne, dazu ein | |
UWG-Stadtverordneter. Zu Kerpen gehört ein Teil des Hambacher Waldes. | |
Zur Vorgeschichte: Im vergangenen September [2][hatte das | |
Verwaltungsgericht Köln die Räumung des Hambacher Waldes im Jahr 2018 für | |
illegal erklärt]: Das Bauministerium hatte die Stadt Kerpen angewiesen, die | |
Räumung durchzuführen, mit der konstruierten Begründung, die Baumhäuser | |
würden gegen Brandschutzvorgaben verstoßen. Diese Argumentation, urteilte | |
das Gericht, sei schlicht vorgeschoben gewesen, also rechtswidrig. | |
Selbstentlarvend [3][hatte auch der damalige Ministerpräsident Armin | |
Laschet in einem unbedachten Moment gesagt: „Ich brauchte doch einen | |
Vorwand.“] Der klagende Besetzer, so das Kölner Gericht, könne zudem | |
Schadenersatz geltend machen. | |
Schon das Kölner Urteil (laut Gutachter Lück „qualifiziert begründet“) w… | |
eine Ohrfeige für die Landesregierung. Aber es wurde noch grotesker: | |
Zuständig für einen Berufungsantrag wäre die Stadt Kerpen als ausführendes | |
Organ gewesen. | |
Der Stadtrat lehnte das im Oktober 2021 mehrheitlich ab – man hatte sich | |
durch den Zwang der Landesregierung zur Räumung ohnehin missbraucht | |
gefühlt. Also keine Rechtsmittel? Bauministerin Scharrenbach erhob sich | |
über die demokratische Entscheidung und erteilte erneut Weisung. Die Stadt | |
musste wider Willen das OVG Münster anrufen. Gegen die Weisung hatte der | |
Stadtrat selbst keine Rechtsmittel und bleibt zudem auch auf den Kosten | |
sitzen, die vermutlich fünfstellig werden. | |
„Dass das Urteil die Ministerin nicht glücklich macht, kann ich menschlich | |
nachvollziehen“, sagte nun Gutachter Dominik Lück. Nur gehe das | |
Ordnungsbehördengesetz NRW, das Scharrenbach zur Begründung ihrer eiligen | |
Weisung einen Tag nach dem Stadtratsbeschluss herangezogen hatte, an der | |
Sache komplett vorbei. | |
Laut dem Gesetz, so Lück, müsste eine konkrete Gefahr für die öffentliche | |
Sicherheit und Ordnung bestehen oder zumindest drohen. „Die Baumhäuser aber | |
gibt es nicht mehr, also auch keine Gefahr.“ Somit hatte sich die | |
Landesregierung durch die Vernichtung der Infrastrukturen im Wald ihre | |
eigene Argumentationskonstruktion vernichtet. | |
All in all also ein Ermessensmissbrauch aus politischen Gründen? Gutachter | |
Lück antwortet: „Die Wertung überlasse ich anderen.“ Was Antje Grothus, | |
grüne Landtagskandidatin für den Rhein-Erft-Kreis bei der Landtagswahl im | |
Mai, gern übernimmt: Sie spricht von „bewusster Rechtsbeugung“, hier wurden | |
„Paragrafen nach Gutdünken zurechtgelogen“, ein „eklatanter Missbrauch�… | |
sei ein Skandal, derart „in unsere kommunalpolitische Arbeit | |
hineinzuregieren“, so die Kerpener Linken laut der Fraktionsvorsitzenden | |
Annetta Ristow. | |
Das Rechtsgutachten ist ein Tiefschlag für Bauministerin Scharrenbach, aber | |
zunächst nur als eine juristisch fundierte Meinungsbekundung. Wirkung | |
dürfte es dennoch entfalten: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat noch | |
nicht entschieden, ob es die Berufung überhaupt annimmt. Das Gutachten wird | |
bei der Bewertung sicher Argumente liefern. | |
11 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Müllender | |
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